Totschlag in Oldendorf: Tochter und Heilerin sagen aus
Von Karsten von Borstel
STADE. Bei der heutigen Sitzung des Verfahrens vor dem Landgericht Stade gegen eine 46-Jährige aus Oldendorf, die ihren Mann erstochen hat, war klar, wer die zentrale Figur sein würde: die Tochter. Stattdessen rückte eine Heilerin aus Hamburg in den Mittelpunkt.
An der Schuldunfähigkeit der geständigen Frau besteht seitens des Gerichts wegen ihrer Krankheit keinerlei Zweifel, deshalb ein Sicherungsverfahren. Heute kam ans Tageslicht: Die mutmaßliche Täterin begab sich mit ihrer psychischen Erkrankung wesentlich in die Obhut einer selbst ernannten „Licht-Heilerin“ aus Hamburg. Ja, sie habe mit Andrea P. vor der Tat „körperlich-emotional-seelische Themen“ bearbeitet, sagte die Heilerin in der Vernehmung, und wollte sich zunächst auf ihre Schweigepflicht berufen.
Das Doofe: Die Verschwiegenheitspflicht, so das Schöffengericht unter Vorsitz des Richters Matthias Bähre, stehe ihr von Berufs wegen nicht zu. Im Gegenteil: Welche Qualifikationen sie dazu befähigt hätten, einer bekanntermaßen Kranken psychischen Beistand zu leisten, wollte das Gericht wissen. Ihre Antwort: Sie sei anerkannte Heilerin und nach den Richtlinien des „Dachverbandes für Geistiges Heilen“ ausgebildet. Allerdings betonte die Frau: Ihre Arbeit könne nicht die schulmedizinische Betreuung ersetzen, deshalb habe sie ihrer Klientin wiederholt nahegelegt, sich in psychotherapeutische Behandlung zu begeben.
Auch die 18-jährige Tochter der Familie kam heute zu Wort. In der Vernehmung betonte sie das harmonische Miteinander in der Familie, wie zuvor schon andere Familienmitglieder und Bekannte der Familie. Zur Erinnerung: Die Tat ereignete sich am 14. Oktober 2016. Im vorangegangenen Sommer habe sie allmählich Veränderungen bei ihrer Mutter bemerkt, die sie sonst als „fröhlich, dynamisch und offen“ erlebt habe. Plötzlich habe sie öfter geweint, sei in sich gekehrt, ja antriebslos gewesen, sagte die Tochter, die angesichts der Situation im Gerichtssaal erstaunlich gefasst wirkte.
OLDENDORF. Es war ein Ehe-Drama mit schlimmem Ausgang: Andrea P. aus Oldendorf erstach im Vorjahr ihren Mann. Jetzt muss sie sich vor dem Landgericht Stade verantworten. Sie gestand alles – und will von einer inneren Stimme angeleitet worden sein.
Zum Prozessauftakt hält sich die 46-Jährige zitternd einen grünen Papphefter vor das Gesicht, während die Kamera eines TV-Senders schonungslos auf sie zielt. Sie trägt einen sandfarbenen Cardigan, wirkt unauffällig mit schlanker Figur, hat leicht schütteres Haar. Andrea P. trägt noch den Nachnamen desjenigen Mannes, den sie am frühen Morgen des 14. Oktobers 2016 im gemeinsamen Wohnhaus getötet hat, was sie selbst nicht bestreitet.
Das sogenannte Sicherungsverfahren gegen die Beschuldigte beschäftigt seit heute Morgen das Schöffengericht unter Vorsitz des Richters Matthias Bähre. Der Vorwurf: Totschlag im Zustand der Schuldunfähigkeit. Klar ist: Die Frau gilt als schuldunfähig und ist derzeit in einem psychiatrischen Krankenhaus in Moringen untergebracht. Aufgrund ihrer psychischen Vorbelastung kommt nach Ansicht des Gerichtes kein reguläres Strafverfahren in Betracht. Bei einer Verurteilung müsste sie die Freiheitsstrafe damit in einem Maßregelvollzugszentrum verbüßen.
Andrea P. gestand die Taten, in deren Verlauf sie nicht nur ihren Mann mit einem Küchenmesser getötet, sondern auch versucht hat, das eheliche Wohnhaus abzubrennen und sich mit zwei aufgelösten Geschirrspültabs umzubringen, was aber misslang. Zu allen Handlungen habe sie eine „innere Stimme“ aufgefordert, sagte die Beschuldigte in der Vernehmung. Diese Stimme habe ihr befohlen, ihren Ehemann zu töten und den Brand zu legen.
FAMILIENDRAMA IN OLDENDORF 46-Jährige ersticht Ehemann und zündet Haus an Der 49-jährige Ehemann hat noch die Polizei alarmiert. Doch für ihn kam jede Hilfe zu spät. Als die Einsatzkräfte eintrafen, drang bereits Rauch aus dem Haus.
OLDENDORF Ein 49-jähriger Oldendorfer hat sich am Freitag gegen 5.14 Uhr über den Notruf bei der Polizei in Stade gemeldet. Er gab an, dass seine 46-jährige Ehefrau ihn soeben mit einem Messer erheblich verletzt hätte. Sie würde nun ein Feuer in dem gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus entfachen.
Sofort wurden Streifenwagen, die Feuerwehr und der Rettungsdienst alarmiert und zum Ort des Geschehens geschickt.
Als die ersten Einsatzkräfte der Polizei eintrafen, fanden sie ein verschlossenes Haus im Roggenkamp in Oldendorf vor, aus dem bereits Rauch nach draußen drang. Als die Beamten sich gewaltsam Zutritt zu dem Haus verschaffen wollten, öffnete die Ehefrau die Haustür. Aufgrund der bekannten Umstände wurde sie zunächst in Gewahrsam genommen.
Feuerwehrleute drangen unter schwerem Atemschutz in das verqualmte Gebäude vor, entdeckten jedoch kein offenes Feuer mehr. Im Schlafzimmer fanden sie eine leblose Person.
Der eingesetzte Notarzt und die Besatzung eines Rettungswagens konnten dem 49-Jährigen nicht mehr helfen, er war bereits an seinen schweren Verletzungen verstorben.
Die 46-jährige Ehefrau wurde in den Stader Polizeigewahrsam eingeliefert und musste sich hier einer erkennungsdienstlichen Behandlung und den ersten Vernehmungen unterziehen. Die mit im Haus lebende 18-jährige Tochter befand sich zum Zeitpunkt der Tat nicht im Haus.
Beamte der Polizeiinspektion Stade und der Polizeistationen aus Oldendorf und Himmelpforten sicherten den Tatort ab und Tatortermittler übernahmen die ersten Ermittlungen am Tatort.
Kriminaltechniker, Rechtsmedizinerinnen und Ermittler des 1. Fachkommissariats der Polizeiinspektion waren den ganzen Vormittag mit der Untersuchung des Tatortes beschäftigt.
Zu den genauen Umständen der Tat und dem Motiv der 46-Jährigen können bisher keine Angaben gemacht werden, hier müssen die weiteren Ermittlungen abgewartet werden.
Totschlag-Prozess: Oldendorferin muss in die Psychiatrie
Stade. Andrea P. (47), die im vergangenen Herbst ihren Ehemann in Oldendorf erstochen hat (das WOCHENBLATT berichtete), ist schuldunfähig und muss in die Psychiatrie. Das Urteil in dem Totschlag-Prozess vor dem Stader Landgericht wurde in der vergangenen Woche gesprochen. Gutachter Dr. Harald Schmidt hatte bei der Frau eine so genannte organische Halluzinose festgestellt. Dabei handelt es sich um eine Störung mit ständigen oder immer wieder auftretenden, meist optischen oder akustischen Halluzinationen.
Sein psychiatrisches Gutachten hatte Schmidt auf Antrag von Andrea P.s Verteidigerin unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehalten. Das private Interesse und der Schutz des Persönlichkeitsrechts der Angeklagten würden gegenüber dem öffentlichen Interesse überwiegen, hieß es in der Begründung.
Wie berichtet, erstach Andrea P. ihren Mann (49†) im gemeinsamen Wohnhaus in dem Neubaugebiet „Getreidesiedlung“ mit einem Messer und hatte außerdem versucht, ein Feuer zu legen. Die Mutter einer erwachsenen Tochter hatte zuvor ausgesagt, eine Stimme gehört zu haben, die sie dazu gebracht hätte. Es sei nicht auszuschließen, dass Andrea P. unbehandelt für die Allgemeinheit gefährlich sein könnte, begründete der Vorsitzende Richter Matthias Bähre das Urteil auf Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Verteidigerin Katrin Bartels hält es nicht für ausgeschlossen, dass ihre Mandantin erfolgreich behandelt und irgendwann wieder entlassen werden könnte.