DAS TATMOTIV BLEIBT RÄTSELHAFT: Mordprozess: Niko F. schweigt weiter vom 19. April 2017 Aus der Redaktion des Pinneberger Tageblatts Der angeklagte Niko F. nahm offensichtlich Psychopharmaka. Mutmaßlicher Täter, Opfer und Zeuge standen unter Alkohol.
ITZEHOE |
Die Frage, warum am 3. September des vergangenen Jahres in Elmshorn eine 45 Jahre alte Frau erstochen wurde, konnte auch während der gestrigen Verhandlung vor dem Landgericht Itzehoe nicht geklärt werden. Vielleicht wird sie es nie. Denn der Angeklagte, der 26 alte Niko F., schweigt weiter beharrlich.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die Frau, die Lebensgefährtin seines Vaters, getötet zu haben, und hat ihn wegen Mordes angeklagt. Sicher ist, dass viel Alkohol und wohl auch Medikamente eine Rolle gespielt haben. Das wurde während der gestrigen Verhandlung erneut deutlich, bei der acht Zeugen gehört wurden.
Wie aus der Aufzeichnung der Rettungsleitstelle aus der Tatnacht zu hören war, hatte Karl-Heinz V., der Vater von Niko F., gegen 3.25 Uhr angerufen und einen Mord gemeldet. Sein Sohn hatte damals laut Aufzeichnung gesagt: „Ich wollte das gar nicht. Die hat mich provoziert.“ Insgesamt sechs Polizisten waren damals zu der Wohnung im dritten Stock eines Hauses im Rethfelder Ring gerast. Laut gestriger Aussagen waren Vater und Sohn im Treppenhaus. Als die Polizisten sie aufforderten, die Hände an die Wand zu legen, kam nur V. der Aufforderung nach. Mit dem Worten „erschießt mich doch“, ging Niko F. auf die Beamten los, die sich mit Pfefferspray zur Wehr setzten und ihm Handfesseln anlegten. Anschließend blieb F. ruhig.
„Ich wollte das nicht, ich habe Mist gebaut“, habe F. gesagt, berichtete gestern ein Polizist. Zudem habe F. Blut an einer Hand gehabt. Der Vater, so ein anderer Beamter, habe erklärt, dass sein Sohn „meine Süße erstochen“ habe. . V. habe keine Blutspuren an den Händen gehabt. Begonnen hatte alles mit einem Zechgelage in Neumünster, an dem auch die Mutter von F. beteiligt war. Anschließen waren F. und V. nach Elmshorn gefahren, um in der Wohnung von V. weiter zu trinken. Das sagten mehrere Zeugen und auch die Ermittlungen der Kripo hatten diese Aussagen bestätigt. Opfer und Vater hatten mehr als drei Promille, der mutmaßliche Täter 1,8 Promille.
Über das Geschehen in der Wohnung gibt es nur Aussagen des Vaters. Demnach soll sich, etwa eine halbe Stunde nach der Ankunft, sein Sohn plötzlich auf seine Lebensgefährtin gestürzt und mehrfach auf sie eingestochen haben. Er habe vergeblich versucht, seinen Sohn von der Frau wegzuziehen. Sie war schließlich an ihren schweren Verletzungen gestorben.
Es habe keinen Streit gegeben
Sowohl vor den Polizisten am Tatort, als auch später bei der Kripo und bei einem Amtsrichter, der ihn ebenfalls vernommen hatte, hatte V. immer wieder betont, dass er sich nicht erklären könne, warum sein Sohn die Frau erstochen habe. Er habe sie praktisch nicht gekannt und es habe keinen Streit gegeben.
Offensichtlich nimmt F. jedoch wegen Erkrankungen wie Depressionen und Zwangsstörungen mehrere Psychopharmaka ein. „Er ist eigentlich ein Netter, aber wenn er unter Alkohol, steht, wird er leicht wütend und aggressiv“, berichtete ein Zeuge, der Gastwirt Horst-Dieter M. . Laut M. und anderer Zeugen hatte es auch während der Zechtour in zwei Kneipen Ärger mit anderen Gästen gegeben. Da außer F. und V. niemand zum Tatzeitpunkt in der Elmshorner Wohnung war, hatte die Kripo sich im Umfeld von V. umgehört. Doch auch dort hab V. die Tatumstände, wie zuvor auch, geschildert, sagte der Kripobeamte Bertil T. aus. In einer ersten Befragung habe der mutmaßliche Täter ihm gesagt, dass er sich nicht erinnern und sich alles nicht erklären könne. „Das wirkte nicht wie eine Schutzbehauptung“, so der Beamte.
Zudem habe F. geäußert, dass er das Gefühl habe, sein Vater werde nun sauer auf ihn sein. „Das war in dieser Situation schon ziemlich absurd,“ meinte der Polizist. Laut Amtsrichter hatte V. berichtet, dass sein Sohn von zwei Jahren schon einmal vor ihm und seiner Ex-Frau, F.s Mutter, mit einem Messer herumgefuchtelt habe. Er sei dann in die Psychiatrie gekommen.
Der Prozess wird am 27.?April um 9 Uhr fortgesetzt. Wahrscheinlich wird dann auch das Urteil gesprochen.
MORDPROZESS AM LANDGERICHT: Mit Stichen in den Hals getötet vom 22. März 2017 Aus der Redaktion der Elmshorner Nachrichten
Im Mordprozess gegen einen Mann aus Neumünster hat eine Rechtsmedizinerin ausgesagt. Das Mordopfer hatte schwere Verletzungen am ganzen Körper. Der Angeklagte soll die Frau in einer Wohnung in Elmshorn erstochen haben.
PINNEBERG | Es waren schreckliche Szenen, die sich in den Morgenstunden des 3.?Septembers 2016 in Elmshorn abgespielt hatten: Drei stark betrunkene Menschen zechten in einer Wohnung im Rethfelder Ring. Plötzlich, so der Verwurf der Anklage, fiel einer der Zecher, Nico. F., mit einem Küchenmesser über das spätere Opfer her. Die Frau wurde unter anderem mit zehn Messerstichen in den Hals und den oberen Brustkorb schwer verletzt. Letztlich starb sie in Folge enormem Blutverlusts und einer Lungenembolie. Beim dritten Verhandlungstag im Mordprozess vor dem Landgericht Itzehoe, hatte gestern Rechtsmedizinerin Ute Lockemann das Wort.
Angeklagt ist der Neumünsteraner Nico F.. Er hatte, das zumindest ist bislang unbestritten, gemeinsam mit seinem Vater, dem Elmshorner Karl-Heinz V., und dessen Lebensgefährtin in der Wohnung von V. gefeiert. Vater und Sohn hatten zuvor bereits in Neumünster, das hatten Zeugen ausgesagt und V. bestätigt, kräftig gezecht. Der Angeklagte äußert sich bislang nicht zu den Vorwürfen.
V. hatte zum Tatzeitpunkt „drei Promille“. Das hatte er vor Gericht gesagt. Auch das Opfer hatte dem Alkohol kräftig zugesprochen: 3,3?Promille, festgestellt von der Rechtsmedizin. Offensichtlich war die Getötete es gewohnt, größere Mengen Alkohol zu konsumieren. Laut Rechtsmedizinerin gab es alkoholbedingte Veränderungen der inneren Organe, unter anderem eine Leberzirrhose
Karl-Heinz V. hatte ausgesagt, sein Sohn habe sich auf seine Lebensgefährtin gestürzt und auf sie eingestochen. Bei der Notrufzentrale hatte Nico F. ebenfalls davon gesprochen, der Frau in den Hals gestochen zu haben. Das ergab das Abspielen der Notrufaufzeichnung vor Gericht.
Das Opfer hat sich laut Rechtsmedizin noch gegen die Attacken gewehrt, denn unter anderem wurden bei der Untersuchung „Abwehrverletzungen an den Händen“ entdeckt. Vor allem drei Stiche in den Hals hätten zu ihrem Tod geführt. Die Polizei hatte als mögliche Tatwaffe ein elf Zentimeter langes Küchenmesser entdeckt. Alle Verletzungen hätten mit dem Messer herbeigeführt werden können, erläuterte Lockemann.
Nicht endgültig geklärt werden konnte die Ursache von zahlreichen Verletzungen am ganzen Körper des Opfers. Diese Verletzungen seien Folge von stumpfer Gewalteinwirkung, so die Rechtsmedizinerin. Einige seien noch sehr frisch gewesen. Die Frau könne sie sich allerdings auch „ein bis zwei Stunden“ vor der Tat zugezogen haben. Auch sei nicht auszuschließen, dass die Verletzungen Folge der Alkoholisierung seien. Mit anderen Worten: Die Frau könne beispielsweise auch hingefallen sein. Welcher stumpfe Gegenstand die Verletzungen verursacht habe, „kann man nicht genau sagen“, sagte die Rechtsmedizinerin.
Der Prozess wird am Mittwoch, 12. April, um 9 Uhr fortgesetzt.
Urteil: Angeklagter muss in die Psychiatrie Arne Kolarczyk
Nach dem brutalen Mord in Elmshorn erklärt das Landgericht Nico Ken F. wegen paranoider Schizophrenie für schuldunfähig.
Elmshorn/Itzehoe. Der Mord an Carola B. vom 3. September 2016 in Elmshorn bleibt ungesühnt. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe sprach am Donnerstag Nico Ken F. frei, weil er nach Auffassung der Richter zur Tatzeit schuldunfähig war. Der 25-Jährige, der den Richterspruch ohne Emotionen aufnahm, wird dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen. Die Richter sehen ihn als Gefahr für die Allgemeinheit an.
Nico Ken F. laboriert laut der psychiatrischen Sachverständigen Mariana Wahdany an einer paranoiden Schizophrenie. Der Angeklagte leide seit Jahren unter Verfolgungswahn. Er habe Waffen hinter der Couch in der Wohnung gesammelt, um sich gegen angebliche Verfolger verteidigen zu können. „Er hat die Wohnung nicht mehr verlassen, sich in die komplette soziale Isolation zurückgezogen“, so die Psychiaterin. Sie hatte den 25-Jährigen, der seit der Ermordung der Lebensgefährtin seines Vaters in der Ameos-Klinik in Neustadt einsitzt, zweimal untersuchen können.
Dabei erzählte ihr der Angeklagte auch von einem Vorfall, als er 2011 unvermittelt vor einen Wagen gesprungen und mit einem Teleskopschlagstock auf den Fahrer losgegangen war. „Er hat mir von Stimmen berichtet, die er hört“, so Wahdany weiter. Nico Ken F. trinke regelmäßig Alkohol zur Angstbekämpfung. „Erst wenn er etwas getrunken hatte, war er in der Lage, einen Fuß vor die Tür zu setzen.“
Auch am Abend des 2. September 2016 war Alkohol der Brustlöser für den Angeklagten, der mit seiner Mutter, ihrem Freund und seinem Vater in Neumünster von Kneipe zu Kneipe zog. Nach einem Streit setzten sich Vater und Sohn in ein Taxi, mit dem sie um 2.43 Uhr am Rethfelder Ring in Elmshorn eintrafen. In dem Mietblock lebt Karl-Heinz V. (58), der Vater. In seiner Wohnung wartete Carola B., seine Freundin.
Täter hatte keine Erklärung für den Eingriff Warum Nico Ken F. nur wenig später mit einem Messer auf die Frau, die er noch nie gesehen hatte, einstach? Im Prozess hat er die Aussage verweigert. Vor der Psychiaterin gab er an, sich nicht erinnern zu können. „Was das Motiv anging, saß er ratlos vor mir, hatte keine Erklärung für sein Verhalten“, so Wahdany weiter. Sie gehe davon aus, dass dem Angeklagten Stimmen die Tat befohlen haben könnten. Aufgrund seiner Erkrankung sei von einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit auszugehen. Eine komplette Schuldunfähigkeit könne sie nicht ausschließen, so die Sachverständige, die angesichts der hohen Gefährlichkeit des Angeklagten eine dauerhafte Unterbringung empfahl.
Dem schloss sich Staatsanwältin Greta Hansen an. Juristisch sei das Verhalten von Nico Ken F. als Mord aus Heimtücke zu werten. „Der Angriff mit dem Messer auf Hals und Brust kam für das Opfer völlig unvermittelt, eine Abwehrchance bestand nicht.“ Aufgrund seiner paranoiden Schizophrenie sei jedoch von einer Schuldunfähigkeit auszugehen, sodass ein Freispruch vom Mordvorwurf und eine dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie alternativlos sei.
Walter Wellinghausen, der die drei Geschwister des Mordopfers als Opferanwalt vertritt, sah dies anders. Dass dem Angeklagten Stimmen den Mord befohlen hätten, sei eine Hypothese. „Wir haben dafür keine konkreten Anhaltspunkte“, so Wellinghausen. Daher sei allenfalls von einer verminderten Schuldfähigkeit auszugehen. Er forderte eine Verurteilung wegen Mordes, ohne eine konkrete Höhe der Strafe vorzuschlagen.
Verteidiger Gerd Achterberg wiederum warf der Mordkommission eine schlampige, unvollständige Ermittlungsarbeit vor. Er kam zu dem Schluss, dass auch der Vater des Angeklagten als Täter infrage komme und forderte daher Freispruch.
Laut Richterin Isabel Hildebrandt gibt es an der Täterschaft von Nico Ken F. keinen Zweifel, ebenso an seiner Schuldunfähigkeit. „Der Angeklagte ist dauerhaft psychiatrisch erkrankt und gefährlich. Eine alternative Behandlungsform gibt es nicht, sodass eine Unterbringung alternativlos ist.“ Der Aufenthalt in der Psychiatrie ist unbefristet. Nur im Fall einer Heilung hat Nico Ken F. die Chance, wieder in Freiheit zu leben. Die Aussichten auf eine erfolgreiche Therapie schätzt die Psychiaterin Wahdany als schlecht ein, weil die Krankheit mehr als sechs Jahre unerkannt und unbehandelt blieb.
Vor dem Urteil hatte eine Schwester des Mordopfers mit tränenerstickter Stimme das Wort ergriffen und dem Angeklagten vorgeworfen, mit seiner Tat ihre Familie zerstört zu haben. „Die Strafe, die ich mir für dich wünsche, die gibt es in Deutschland nicht.“