Samstag, 04. Februar 2017 Siebenfacher Mord in Sittensen Nur ein kleines Mädchen überlebte
Selbst erfahrene Ermittler konnten den Gewaltexzess kaum fassen. Vor zehn Jahren wurden bei einem Raubüberfall auf ein China-Restaurant in Sittensen binnen Sekunden sieben Menschen in einem Kugelhagel getötet.
Ein kleines Mädchen liegt auf dem Boden, ein Tischtuch über den Kopf gezogen. Um das Kind herum liegen die Leichen seiner Eltern und deren Angestellter. Ein Mann ringt mit dem Tod, er stirbt wenig später. Der Gewaltexzess in einem China-Restaurant in der niedersächsischen 5600-Seelen-Gemeinde Sittensen schockierte vor zehn Jahren ganz Deutschland.
In wenigen Sekunden feuerten Räuber 14 Schüsse ab, sieben Menschen wurden tödlich getroffen. Der Mann einer Angestellten fand am 5. Februar 2007 kurz nach Mitternacht die Opfer, als er seine Frau abholen wollte. Auch sie war tot. "Das ist nicht vergessen", sagt Sittensens Bürgermeister Diedrich Höyns (SPD) zehn Jahre nach der Tat. "Das war unwirklich. Es bleibt die Frage, wie so etwas möglich ist."
Blutverschmierte Wände und gefesselte Leichen
Rückblick: Als die Ermittler das Lokal "Lin Yue" betreten, bietet sich ihnen ein furchtbares Bild. Erste Fotos vom Tatort zeigen blutverschmierte Wände und Böden sowie gefesselte Leichen mit Kopfschüssen. Schnell machen Gerüchte um Schutzgelderpressung und Mafiabanden die Runde. Doch die Ermittlungen und der langwierige Prozess zeigen, dass ein Raubüberfall eskaliert ist. Ein Mann feuert im Blutrausch auf die Eigentümer und die Angestellten.
Die Beute: rund 5000 Euro, Laptops und Handys. Bei einer Routinekontrolle der Autobahnpolizei finden die Beamten Beweise, die im Zusammenhang mit dem Verbrechen stehen. Die ersten beiden Verdächtigen sind gefasst. Verurteilt werden am 13. Mai 2009 schließlich fünf Männer mit vietnamesischen Wurzeln.
Der Todesschütze und sein Bruder kommen lebenslang in Haft. Ein Mann muss wegen Raubes mit Todesfolge 14 Jahre ins Gefängnis, der Fahrer des Fluchtautos 4 Jahre und 9 Monate, der Tippgeber wird zu 5 Jahren Haft verurteilt. In der Urteilsbegründung sagt der Vorsitzende Richter Hans-Georg Kaemena, die Opfer seien kaltblütig erschossen worden - "fünf gefesselt auf dem Boden liegend, abgedeckt mit einem Tischtuch".
"Das Mädchen ist sehr gut abgeschirmt worden."
40.000 Seiten Ermittlungsakten waren Grundlage des Verfahrens. "Es war einer der größten Prozesse hier", sagt die Sprecherin des Landgerichts Stade, Petra Baars, über die Dimension des Verfahrens. Vergleichbar vom Medieninteresse vielleicht noch mit dem Prozess gegen den sogenannten Maskenmann - einem vor knapp fünf Jahren zu lebenslanger Haft verurteilten Kindermörder. Bis auf die beiden Brüder sind die Verurteilten nach Informationen der "Nordsee-Zeitung" inzwischen auf Bewährung wieder auf freiem Fuß.
Bei dem Todesschützen wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Er wird wohl noch für viele Jahre im Gefängnis bleiben. Sein Bruder kann nach 15 Jahren entlassen werden.
In den Räumen, in denen vor zehn Jahren das grausige Verbrechen seinen Lauf nahm, ist nach den Worten von Bürgermeister Höyns heute kein Restaurant mehr. Die Stadt plane zum 10. Jahrestag keine Gedenkveranstaltung. Das Verbrechen sei bei den Menschen auch so gegenwärtig. Was aus der letzten lebenden Zeugin der Blutnacht, dem kleinen Mädchen, geworden ist, weiß er nicht. "Das Mädchen ist sehr gut abgeschirmt worden."