DNA-ABGLEICH IN FAMILIE Dank Handtuch – Mord nach 41 Jahren aufgeklärt Von Michael Remke | Stand: 01.02.2017 | Lesedauer: 5 Minuten
Karen Klaas, 32, Ex-Frau von Sänger Bill Medley („You’ve Lost That Lovin’ Feeling“), wurde 1976 in ihrem Haus in Kalifornien getötet. Nun wurde der Mörder überführt – durch eine umstrittene Methode.
Wer tötete Karen Klaas? Mehr als vier Jahrzehnte ließ diese Frage die Polizei eines kleinen Küstenortes bei Los Angeles nicht los.
Jetzt, fast auf den Tag genau 41 Jahre später, scheint der Fall aufgeklärt zu sein. Ein genetischer Fingerabdruck, gefunden an einem Handtuch, das die Behörden damals am Tatort sichergestellt und aufgehoben hatten, führte die Ermittler zu dem Täter. Zum Zeitpunkt des Mordes gab es die Technik eines DNA-Beweises nicht. Der Beschuldigte ist ein mehrfach verurteilter Mann, der 1982 nach der Flucht aus einem Gefängnis in Kalifornien und einer Schießerei mit der Polizei selbst ums Leben gekommen war.
Der Mord an Karen Klaas hatte für Schlagzeilen gesorgt und die kleine und als sicher geltende 20.000 Einwohner zählende Gemeinde von Hermosa Beach über Wochen in Angst und Schrecken versetzt. Die damals 32 Jahre alte, zweifache Mutter war die Ex-Frau von Bill Medley, einem Sänger der Righteous Brothers.
Der Ex-Ehemann ist froh, Antworten zu haben
Anzeige Die Gruppe war durch Lieder wie „Unchained Melody“ und „You’ve Lost That Lovin’ Feeling“ in den 60er-Jahren berühmt geworden – „You’ve Lost That Lovin’ Feeling“ wurde später durch Tom Cruise und den Film „Top Gun“ noch einmal zusätzlich populär.
„Es ist gut, dass dieses Kapital in meinem Leben endlich geschlossen werden konnte“, sagte Bill Medley während einer Pressekonferenz der Polizei von Los Angeles. Mehr als 40 Jahre habe er sich darüber den Kopf zerbrochen, wer seine Frau ermordet haben könnte.
In dieser Zeit habe er immer die Stimme von Karen in seinem Ohr gehabt. „Sie hat mir gesagt, ich solle endlich aufhören, mir darüber Gedanken zu machen“, erzählt der heute 76-Jährige, der auch nach der Scheidung mit seiner Frau eng befreundet blieb. „Der Täter ist sicherlich längst tot.“
Das spätere Opfer wurde tagelang beobachtet
Als Täter identifiziert wurde Kenneth Troyer, ein Serienverbrecher, der im Laufe seines Lebens wegen 19 Überfällen und mehreren Sexualdelikten im Gefängnis saß. Der zum Zeitpunkt der Tat 29 Jahre alte Troyer hatte den Ermittlungen zufolge Karen Klaas offenbar unbemerkt über Tage beobachtet. Er lebte bei seinem Bruder, der ein Haus in der Nähe von Klaas hatte.
Als Karen Klaas ihren vier Jahre alten Sohn Damien am Morgen des 30. Januar 1976 in den Kindergarten brachte, muss Troyer nach Ermittlungen der Polizei in das Haus eingebrochen sein und auf sein Opfer gewartet haben. Eine Autopsie ergab, dass Klaas brutal zusammengeschlagen, vergewaltigt und mit ihrer eigenen Strumpfhose erdrosselt wurde. Zwei Freundinnen fanden sie später im Flur. Sie hatten sich Sorgen gemacht, weil Klaas nicht wie verabredet zu einem Frühstückstermin erschienen war.
Gesucht: Mann mit zotteligem Haar und Trenchcoat
Die Freundinnen wollten auch den mutmaßlichen Täter gesehen haben, als er aus dem Haus flüchtete. Sie beschrieben ihn gegenüber der Polizei als einen „Mann mit zotteligen Haaren, Bart, Trenchcoat und einer blauen Jeans“. Trotz dieser Beschreibung und einer sofort eingeleiteten Großfahndung fehlte von dem Mörder mehr als vier Jahrzehnte lang jede Spur.
Bill Medley war an diesem Tag mit Darrin, dem zweiten gemeinsamen Sohn mit Klaas, beim Angeln am Lake Arrowhead, etwa zwei Autostunden nordöstlich des Tatortes. Freunde riefen ihn an und sagten ihm, dass seine Frau im Koma liege. „Ich wusste, dass sie nicht zurückkommen würde“, erinnert er sich. „Jeder wusste das.“
Dennoch hoffte er auf ein Wunder. „Ich habe an ihrem Krankenbett gesessen und ihr gesagt, dass ihre Jungs sie brauchen, dass wir sie alle brauchen.“ Fünf Tage später starb Karen Klaas an ihren Verletzungen, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
Belohnung lag bei 150.000 Dollar
Medley und die gebürtige Karen O’Grady hatten 1964 geheiratet und sich kurz nach der Geburt ihres zweiten Sohn Damien scheiden lassen. Nach der Trennung blieben sie eng befreundet. Klaas heiratete später ein zweites Mal. Ihr zweiter Ehemann galt als nicht tatverdächtig.
Die Polizei fahndete nach dem Mord nach insgesamt fünf Personen. Kenneth Troyer gehörte nicht dazu. Auf die Ergreifung des Täters wurde eine Belohnung von 150.000 Dollar ausgesetzt. Keiner der Gesuchten sollte jedoch etwas mit dem Mord zu tun haben. Der Fall wurde schnell zu einem „cold case“ und mangels neuer Hinweise zu den Akten gelegt. Die Technik eines genetischen Fingerabdrucks gab es Mitte der 70er-Jahre noch nicht. Die Beamten waren aber verpflichtet, alle Spuren von damals zu archivieren. Dazu zählte auch ein Handtuch, das sie neben der Leiche gefunden hatten.
Troyer ist erst der zweite DNA-Familienabgleich mit Treffer
Im Jahr 1999 wurden die Ermittlungen von den Behörden wieder aufgenommen. „Wir konnten damals ein DNA-Profil des möglichen Täters erstellen“, erinnert sich Sheriff Jim McDonnell. „Dieses Profil wurde mit einer DNA-Datenbank verglichen, blieb aber ohne Treffer.“ Zwei Jahre später wurde diese Suche auf potenzielle Täter erweitert, die mit dem wahren Mörder eine ähnliche DNA-Struktur hatten. Auch dieser Abgleich konnte den Fall nicht lösen. Das gelang erst Ende des vergangenen Jahres.
„Wir hatten zwei Treffer, die eine hohe DNA-Übereinstimmung mit dem wahren Täter hatten“, sagt der Chefermittler der Polizei von Los Angeles, Larry Brandenburg. Einer davon war ein ebenfalls straffällig gewordener Verwandter des Mörders. Kenneth Troyer ist erst der zweite Täter in Kalifornien, der nach dem sogenannten DNA-Familienabgleich festgenommen werden konnte.
Zuvor ging der „Grim Sleeper“ in die Falle
Zuletzt konnte die Polizei mit dieser Technik Lonnie David Franklin überführen. Der als der „Grim Sleeper“ bekannte Serienkiller soll über einen Zeitraum von 1985 bis 2007 zehn bis 25 Frauen in Los Angeles ermordet haben. Der 64-Jährige wurde im vergangenen August wegen zehn Morden sowie einem Mordversuch zum Tode verurteilt. Der Familienabgleich ist unter Bürgerrechtlern nicht unumstritten. „Die Fahndungsmethode könnte Hunderte, wenn nicht Tausende unschuldiger Personen betreffen“, warnt Tania Simoncelli von der American Civil Liberties Union (ACLU).
„Ich bin froh, dass es diesen DNA-Abgleich gibt“, sagt dagegen Darrin Medley, der älteste Sohn von Karen Klaas. Es gebe auch anderen betroffenen Familien Hoffnung, dass die Technik in Zukunft auch diese Verbrecher überführen wird.
„Ich habe nicht mehr geglaubt, dass der Mörder meiner Mutter jemals gefunden wird“, sagt der heute 51-Jährige. „41 Jahre später wissen wir endlich, was passiert ist.“