Im September 2014 verschwinden in Mexiko 43 Studenten. Sechs Wochen später gestehen Bandenmitglieder, dafür verantwortlich zu sein. Sie hätten die Opfer verbrannt. Fast eineinhalb Jahre später stellt sich heraus: Die Leichenteile gehören nicht zu den Vermissten.
Eine neue Untersuchung hat die Zweifel an der offiziellen Darstellung bestätigt, dass die Entführungsopfer auf einer Müllkippe verbrannt worden seien. Bei den im Bundesstaat Guerrero gefundenen menschlichen Überresten handele es sich nicht um die vermissten Studenten, teilte ein Mitglied der argentinischen Forensiker mit.
Knochen zu wenig verbrannt und zu groß Fotos und Analysen von Pflanzen auf der Müllkippe in der Stadt Cocula, wo nach Angaben von Bandenmitgliedern die Leichen der Studenten verbrannt worden sein sollen, hätten ergeben, dass es zum fraglichen Zeitpunkt dort kein Feuer gegeben habe. Auch seien die angeblich dort gefundenen Leichenteile, die einem Studenten zugeordnet werden konnten, nur leicht verbrannt.
Zudem sei ein Knochen im Vergleich zu den anderen Leichenteilen aus derselben Plastiktüte "ungewöhnlich groß", sagte ein weiterer argentinischer Ermittler. Das Team untersucht im Auftrag der Angehörigen das Verschwinden der Studenten im September 2014. Die erste Experten-Untersuchung hatte im vergangenen September nach der Auswertung von Satellitenbildern ergeben, dass es in der betreffenden Region nur an einer Stelle größere Feuer gegeben habe. Es handle sich dabei aber nicht um die Müllkippe in der Stadt Cocula, teilte die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte damals mit.
Was geschehen ist
Feuer brannte zu kurz Ende 2015 hatte der damalige Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam erklärt, die Polizei im südmexikanischen Iguala im Bundesstaat Guerrero habe die 43 Lehramtsstudenten mit Beamten aus dem benachbarten Cocula entführt und sie an die Drogenbande Guerreros Unidos ausgeliefert. Demnach soll das Feuer 14 Stunden lang gebrannt haben, bevor die Asche in einen Fluss geworfen wurde. Unabhängige Experten kamen aber zu dem Schluss, dass es 60 Stunden gedauert hätte, um die 43 Leichen zu verbrennen.
Woher rührt die Gewalt?
Nach dem Fall der großen kolumbianischen Drogenkartelle von Medellín und Cali sind die mexikanischen Verbrechersyndikate zu kriminellen Global Playern aufgestiegen. Sie kämpfen mit Waffengewalt um die Kontrolle der lukrativen Schmuggelrouten. Werden Kartellchefs festgenommen oder getötet, brechen zudem regelmäßig interne Verteilungskämpfe aus.
Auch die Sicherheitskräfte sind immer in schwere Gewalttaten verwickelt - wie zuletzt beim mutmaßlichen Mord an Studenten in Iguala oder dem Militär-Massaker von Tlatlaya. Seit der damalige Präsident Felipe Calderón 2006 den Kartellen den Krieg erklärte, sind Schätzungen zufolge fast 100.000 Menschen getötet worden.
Verschwundene Studenten in Mexiko Steinmeier fordert weitere Ermittlungen Stand: 06.06.2016 20:43 Uhr
Außenminister Steinmeier hat sich in Mexiko überraschend deutlich zum Thema Menschenrechte geäußert. Im Gespräch mit der ARD forderte Steinmeier, das Verschwinden von 43 Studenten müsse weiter untersucht werden.
Bei seinem Mexiko-Besuch hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier weitere Ermittlungen über das Schicksal von Dutzenden verschleppten Studenten in dem lateinamerikanischen Land gefordert. "Die Aufklärungsarbeiten müssen weitergehen", sagte Steinmeier nach Gesprächen mit seiner mexikanischen Kollegin Claudia Ruiz Massieu.
Deutschland habe sich intensiv bemüht, Mexiko bei der Aufklärung zu helfen, sagte Steinmeier. Es gebe bereits eine Kooperationsvereinbarung, um die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und das Aufspüren von Vermissten zu unterstützen.
"Wir haben über die Menschenrechtslage in Mexiko gesprochen und über die Maßnahmen der mexikanischen Regierung zur Stärkung des Rechtsstaats", sagte die mexikanische Außenministerin Massieu.
Im September 2014 waren 43 Studenten eines linksgerichteten Lehrerseminars im Bundesstaat Guerrero von der örtlichen Polizei verschleppt und einer kriminellen Organisation übergeben worden. Den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft zufolge wurden die jungen Männer getötet und verbrannt. Unabhängige Ermittler ziehen die offizielle Version in Zweifel. Der genaue Tathergang ist noch immer unklar.
"Allianz für die Zukunft"
Steinmeier betonte aber auch, die Beziehungen zwischen Deutschland und Mexiko seien vielfältig und konzentrierten sich nicht nur auch Sicherheits- und Menschenrechtsaspekte. So gab der Außenminister den Startschuss für ein "Deutschland-Jahr" in Mexiko. Bei seinem Besuch in Mexiko-Stadt bezeichnete Steinmeier das 120-Millionen-Einwohner-Land als "wichtigen Partner bei der Gestaltung globaler Zukunftsfragen".
Unter dem Motto "Allianz für die Zukunft" sind in den nächsten zwölf Monaten mehr als 100 Veranstaltungen geplant. Parallel zum "Deutschland-Jahr" in Mexiko findet ein "Mexiko-Jahr" in Deutschland statt. Beide Länder sind wirtschaftlich eng verbunden. Deutschland ist Mexikos fünftgrößter Handelspartner. Im vergangenen Jahr betrug das Geschäftsvolumen rund 17,5 Milliarden US-Dollar.
Mexiko: Chefermittler im Fall der verschwundenen Studenten tritt zurück Seit zwei Jahren werden 43 Studenten in Mexiko vermisst, vermutlich wurden sie ermordet. Die Untersuchung der mutmaßlichen Tötung stand immer wieder in der Kritik. Jetzt musste der Chefermittler seinen Hut nehmen.
Eine umstrittene Tatortbegehung könnte Auslöser für den Rücktritt gewesen sein Tomás Zerón, Leiter der Einheit für kriminalistische Ermittlungen, habe seinen Rücktritt eingereicht, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit. Zu den Gründen für den Rücktritt äußerte sich die Behörde nicht. Doch dass dieser Schritt im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu dem Verschwinden von 43 Studenten des linken Lehramtsseminars Ayotzinapa im September 2014 steht, scheint unzweifelhaft. Die Studenten waren mit einem Bus unterwegs und sollen von Polizisten verschleppt worden sein. Zeugenaussagen zufolge wurden sie dann einer kriminellen Gruppe übergeben. Mitglieder der Bande räumten ein, die jungen Männer getötet und verbrannt zu haben. An der Version gibt es allerdings erhebliche Zweifel.
Braucht einen neuen Job: Chefermittler Tomás Zerón "Minimale internationale Standards" verletzt Eltern der verschwundenen Studenten hatten den Rücktritt Zeróns gefordert, da sie mit seinen Untersuchungen unzufrieden waren. Im April eröffnete die Generalstaatsanwaltschaft ein internes Ermittlungsverfahren. Dabei ging es um den Vorwurf der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, Zerón habe eine Tatortbegehung mit einem Verdächtigen gemacht, die nicht offiziell registriert wurde. Dieses Verhalten verletze "minimale internationale Untersuchungsstandards".
Die Zweifel an der Kompetenz Zeróns werden durch die Tatsache gestützt, dass an diesem Tatort kurz darauf ein Sack mit Asche und Knochenresten gefunden wurden – die einzigen Beweisstücke, die bis heute eindeutig einem der Opfer zugeordnet werden können. fab/stu (dpa, afp)
Familien erinnern in Mexiko-Stadt an vermisste Studenten Mexiko-Stadt – In Mexiko haben Familienangehörige und Tausende Unterstützer am zweiten Jahrestag des Verschwindens von 43 Studenten an das Schicksal der mutmasslich ermordeten jungen Menschen erinnert. Sie zogen am Montag (Ortzeit) durch Mexiko-Stadt.
Die Demonstranten warfen der Regierung vor, die Wahrheit über das Geschehen in der Stadt Iguala im Bundesstaat Guerrero im September 2014 zu verschleiern. «Wir werden kämpfen und diese miese Regierung besiegen», sagte ein Sprecher der Angehörigen.
Nach offiziellen Angaben waren die Studenten des linken Lehrerseminars Ayotzinapa von Polizisten entführt und der kriminellen Organisation «Guerreros Unidos» übergeben worden. Bandenmitglieder gaben später an, die jungen Leute getötet und ihre Leichen verbrannt zu haben.
Bislang konnte jedoch nur ein Opfer identifiziert werden. Viele Angehörige zweifeln an der Darstellung und sehen in dem Fall einen Beleg für enge Verbindungen zwischen Sicherheitskräften, Politikern und Drogenkartellen. Präsident Enrique Pena Nieto versicherte den Willen seiner Regierung, das Verschwinden der Studenten aufzuklären. (SDA)
Publiziert am 27.09.2016 | Aktualisiert um 06:19 Uhr
Mexiko Im Fall vermisster Studenten flüchtiger Polizeichef gefasst
Mehr als zwei Jahre nach der Verschleppung und mutmaßlichen Tötung von 43 Studenten in Mexiko ist der frühere Polizeichef der Stadt Iguala verhaftet worden.
Nach einer gemeinsamen Fahndung von Polizei, Streitkräften und dem Geheimdienst sei der Mann den Einsatzkräften in Iguala ins Netz gegangen, teilte die Nationale Sicherheitskommission mit. Der Ex-Polizeichef gilt als einer der Hauptverdächtigen in dem Fall, der immer noch nicht restlos aufgeklärt ist. Seiner Aussage wird große Bedeutung beigemessen.
Örtliche Polizisten hatten im September 2014 in Iguala im Bundesstaat Guerrero die jungen Männer aus einem Lehrerseminar verschleppt und sie einer kriminellen Organisation übergeben. Mitglieder dieser Bande gaben an, die Studenten getötet und ihre Leichen verbrannt zu haben. Diese Version wird inzwischen in Zweifel gezogen.