Bundesgerichtshof hebt Urteil des Landgerichts Stuttgart im Zusammenhang mit dem Wurf eines Sprengkörpers auf eine Trauergemeinde im Strafausspruch auf
Beschluss vom 4. Februar 2025 – 1 StR 537/24
Das Landgericht Stuttgart hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts gehörten der Angeklagte und der Geschädigte zwei aus dem Großraum Stuttgart stammenden rivalisierenden Gruppen an, zwischen denen es in der Vergangenheit zu wiederkehrenden gewaltsamen Auseinandersetzungen – zuletzt verstärkt unter Schusswaffengebrauch – gekommen war. Die Trauerfeier vom 9. Juni 2023 zu Ehren eines Mitglieds der Gruppe, der auch der Angeklagte zugehörig war, nahm der insoweit rechtskräftig Verurteilte K. zum Anlass, als Angriff gegen die gegnerische Gruppe eine Handgranate in Richtung auf die mindestens 350 Personen – darunter auch der Angeklagte – umfassende Trauergemeinde zu werfen. Da der Sprengkörper zunächst in einem Ast hängenblieb und sodann auf einem Fußweg detonierte, wurden 15 Personen verletzt. Der vom Tatort flüchtende K. wurde von den Mitgliedern der dem Verstorbenen zuzuordnenden Gruppe als Täter identifiziert und von 20 bis 30 Personen verfolgt. Als er sich in ein wartendes Taxi geflüchtet hatte, wurde dieses umstellt, der Fahrer zum Öffnen der Zentralverriegelung gezwungen und der im Fahrzeug sitzende K. durch Fußtritte malträtiert. Um den übrigen Verfolgern zu ermöglichen, K. aus dem Taxi zu zerren und mit weiteren Tritten und Schlägen zu verletzen, löste der Angeklagte gewaltsam die Hände des K., der sich zu seinem Schutz an einer Kopfstütze festhielt. Als der Geschädigte vor dem Fahrzeug auf dem Boden lag, wurden ihm weitere Fußtritte versetzt; mindestens einer davon wurde von dem Angeklagten ausgeführt. Der Angeklagte rechnete dabei mit der Möglichkeit, dass K. durch die hervorgerufenen Verletzungen versterben könnte und nahm dies billigend in Kauf. Aufgrund des schnellen Eingreifens von Polizei und Rettungskräften konnte K., der sich aufgrund der im zugefügten schweren Verletzungen in Lebensgefahr befand, schwerverletzt gerettet werden.
Die Überprüfung durch den 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat zum Schuldspruch auf die von der Revision erhobene Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben; die Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ist damit rechtskräftig.
Den Strafausspruch hat der Bundesgerichtshof hingegen aufgehoben, weil das Landgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab des minder schweren Falls des Totschlags (§ 213 erste Alternative StGB) ausgegangen ist. Zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift genügt es, dass der Angeklagte zu den angegriffenen Personen gehörte; der Umstand, dass er nicht verletzt wurde, ist insoweit nicht erheblich. Der Senat hat die Sache daher zur neuen Entscheidung über den Strafausspruch an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Vorinstanz:
Landgericht Stuttgart - Urteil vom 18. Juli 2024 - 1 Ks 202 Js 73913/23
Karlsruhe, den 13. März 2025
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Bundesgerichtshof hebt Urteil des Landgerichts Stuttgart im Zusammenhang mit dem Wurf eines Sprengkörpers auf eine Trauergemeinde auf
Urteil vom 30. April 2025 - 1 StR 457/24
Das Landgericht Stuttgart hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und weiteren Taten unter Freispruch im Übrigen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt.
Nach den Feststellungen des Landgerichts gehörten der Angeklagte und der Geschädigte zwei aus dem Großraum Stuttgart stammenden rivalisierenden Gruppen an, zwischen denen es in der Vergangenheit zu wiederkehrenden gewaltsamen Auseinandersetzungen - zuletzt verstärkt unter Schusswaffengebrauch - gekommen war. Die Trauerfeier vom 9. Juni 2023 zu Ehren eines Mitglieds der Gruppe, der auch der Angeklagte zugehörig war, nahm der insoweit rechtskräftig verurteilte K. zum Anlass, als Angriff gegen die gegnerische Gruppe eine Handgranate des Typs M75 in Richtung auf die mindestens 350 Personen - auch der Angeklagte - umfassende Trauergemeinde zu werfen. Da der Sprengkörper zunächst an einem Baum abprallte und sodann auf einem Fußweg detonierte, wurden 15 Personen verletzt. Der vom Tatort flüchtende K. wurde von den Mitgliedern der dem Verstorbenen zuzuordnenden Gruppe als Täter identifiziert und von 20 bis 30 Personen verfolgt. Nachdem er sich in ein wartendes Taxi geflüchtet hatte, wurde dieses umstellt, der Fahrer zum Öffnen der Zentralverriegelung gezwungen und der im Fahrzeug sitzende K. durch Schläge und Fußtritte malträtiert. Als der Geschädigte vor dem Fahrzeug auf dem Boden lag, wurden ihm weitere Fußtritte und Schläge versetzt und ein Mitangeklagter sprang auf den Kopf des Geschädigten. Der Angeklagte packte den Geschädigten nicht ausschließbar zu Beginn des Geschehens am Hals. Aufgrund des schnellen Eingreifens von Polizei und Rettungskräften konnte K., der sich aufgrund der ihm zugefügten schweren Verletzungen in Lebensgefahr befand, gerettet werden.
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte zwar die Absicht hatte, dem Geschädigten lebensgefährliche Verletzungen zuzufügen, und er die Verletzungshandlungen der übrigen Tatbeteiligten wahrnahm. Gleichwohl konnte es sich nicht davon überzeugen, dass er zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Zur Intensität und Dauer seines eigenen Tatbeitrags habe man keine Feststellungen treffen können. Dieser sei aber nicht von solchem Gewicht gewesen, dass man ihm die Tatbeiträge der anderen Tatbeteiligten nach den Grundsätzen der Mittäterschaft (§ 25 Absatz 2 StGB) hätte zurechnen können.
Auf die Revision des Angeklagten hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil – soweit es ihn und die vorgenannte Tat betrifft – mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft nicht dargelegt, worauf es seine Überzeugung stützt, dass der Angeklagte an der vorgenannten Tat beteiligt war. Die weitergehende Revision des Angeklagten ist unbegründet.
Die Revision der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen versuchten Totschlags anstrebt, hat ebenfalls Erfolg. Die Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz des Angeklagten weist Lücken auf und ist damit rechtsfehlerhaft.
Vorinstanz:
Landgericht Stuttgart - Urteil vom 18. April 2024 - 4 KLs 203 Js 66902/23 jug.
Karlsruhe, den 30. April 2025
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