Kind auf Friedhof in Melle bestattet Baby-Mord auf A30-Rastplatz Grönegau: „Der Fall hätte gelöst werden können“ Von Christina Wiesmann | 29.08.2023, 06:00 Uhr 2 Leserkommentare Beitrag hören: 05:29
Januar 2003: Der Tankwart auf dem Rastplatz Grönegau an der A30 macht einen grausigen Fund. Im Mülleimer der Damentoilette entdeckt er ein totes Baby. Auch wenn der Fall 20 Jahre später noch nicht aufgeklärt ist, gilt er nicht als „Cold Case“. Die Polizei war der Lösung nahe, zumindest in Deutschland.
Ein sogenannter Cold Case ist ein ungeklärter Kriminalfall, in dem nach langer Zeit wieder neue Ermittlungen aufgenommen werden. Im Gespräch mit dem damaligen leitenden Ermittler der Kriminalpolizei Osnabrück wird klar, dass der Baby-Mord vom Rastplatz Grönegau nicht darunter fällt.
Kind in Melle geboren und getötet Der Beamte, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagt: „Es gab damals sicherlich reichlich Spuren.“ Auch zwei Jahrzehnte nach dem Vorfall erinnert er sich daran. Fakt sei, das Kind wurde auf der Toilette des Meller Rastplatzes geboren und es lebte nach der Geburt. „Die Lungen waren gebläht, das hat man damals genau untersucht.“ Nach der Geburt wurde das Kind vermutlich stranguliert. Mutmaßliche Täterin: die eigene Mutter.
Eine Verzweiflungstat? Aus Sicht der Beamten scheint es so gewesen zu sein. „Wir gehen von einer schwangeren Frau aus, die auf der Durchreise war. Und wir gehen von keiner vorsätzlichen Tat aus. Eher von einem schicksalhaften Moment.“ Wohin die Frau unterwegs war? Offenbar in Richtung Polen. Denn: Auf der Toilette einer Raststätte in Frankfurt/Oder, kurz vor der polnischen Grenze, wurden später Blutspuren gefunden. Untersuchungen ergaben, dass diese zu den Blutspuren passten, die in der Meller Rastplatz-Toilette entdeckt wurden.
Weiterer Treffer: Mithilfe der Kameraüberwachung des Rastplatzes wurden die Beamten auf den weißen Transporter einer polnischen Dachdeckerfirma aufmerksam. Die Männer, die damit unterwegs gewesen waren, gaben auch an, eine Frau aus Polen mitgenommen zu haben.
Sogar ein Name war ihr „ganz konkret“ zuzuordnen. Doch weiter passierte ... nichts. Denn die akribische Spurensicherung der deutschen Beamten endete an der osteuropäischen Grenze. Das Problem:
„In Osteuropa ermittelt man leider mit anderen Standards.“ Beamter der Kripo Osnabrück Damaliger Ermittler in dem Fall Die Polizei in Polen habe nämlich argumentiert: Tatort ist nicht Deutschland, sondern Polen. Die Begründung? Das Kind sei dort gezeugt worden. Kaum nachvollziehbar, sagt der Beamte. Aber so sei nun einmal die Rechtslage dort. Er und seine Kollegen forschten weiter nach: „Wir haben ein Rechtshilfeersuchen an die polnischen Behörden gestellt.“
Aber erst 2008 oder 2009 habe man sich darauf zurückgemeldet. Das Resultat? Unzureichend. Denn die Vernehmung der Frau sei extrem kurz und lückenhaft gewesen. Und es seien keine DNA-Proben der Frau genommen worden. Damit wäre es auf einfache Weise möglich gewesen, sie mit den Blutspuren aus Melle und Frankfurt zu vergleichen und möglicherweise als Mutter des Kindes zu bestimmen.
Spuren des getöteten Mädchens bleiben in den Datenbanken „Man muss es leider so sagen: Alle unsere Ermittlungen sind in Polen im Sande verlaufen.“ Was den Ermittlern bleibt? Die buchstäbliche Nadel im Heuhaufen. Denn die DNA des getöteten Kindes befindet sich noch immer in den Datenbanken des Landeskriminalamtes (LKA) und des Bundeskriminalamtes (BKA). Falls die Mutter mit ihrer DNA also irgendwann einmal erneut in Deutschland strafrechtlich in Erscheinung treten sollte, könne man einen Abgleich machen.
Und das Baby, das in Melle das Licht der Welt erblickte und auf so furchtbare Weise sterben musste? Der Beamte erinnert sich: „Das Mädchen ist in Melle bestattet worden. Und sie bekam einen Namen.“
ju Näheres weiß Stadtsprecher Jürgen Krämer über den Fall. „Der Name des Kindes wurde durch die zuständige Verwaltungsbehörde bestimmt. In diesem Fall war das der Landkreis Osnabrück. Dieses Verfahren ist üblich bei Findelkindern.“
Getötetes Baby in Melle-Mitte beerdigt Man gab dem Baby den Namen Jana Christiane Gröne. Der Nachname hänge womöglich mit dem Fundort, dem Rastplatz „Grönegau“ zusammen, mutmaßt Krämer. Sie wurde, so die Angaben des Stadtsprechers, „am 28. Januar 2003 auf dem Friedhof in Melle-Mitte in einem anonymen Kinderreihengrab in einem Kindersarg beigesetzt“.
Auf dem Friedhof in Melle-Mitte gestaltet sich die Suche nach dem Grab schwierig. In Reihe D110 findet sich schließlich das Grab mit der Nummer 27, wo die kleine Jana Christiane beerdigt wurde. Es liegt im Schatten einer betagten Birke. Kein Name, keine Blumen. Nur Rasen.