Frankfurt am Main - Im Prozess gegen einen wegen Folter angeklagten syrischen Arzt hat am Dienstag erstmals ein Opfer vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt als Zeuge ausgesagt. Dabei kamen schreckliche Erfahrungen zur Sprache. Beim Start des Gerichtsprozesses am 19. Januar 2022 wollte der Angeklagte Alaa M. (36) sein Gesicht nicht zeigen. Am Dienstag sagte nun erstmals ein Opfer des Folterarztes aus.
Zitat Der 29 Jahre alte Mann schilderte Misshandlungen und Folter, denen er von April bis Dezember 2012 in verschiedenen Gefängniseinrichtungen des syrischen Staatsschutzes und Militärs ausgesetzt war. Für das Gericht waren dabei die Geschehnisse im Militärkrankenhaus der Stadt Homs von besonderer Bedeutung. Hier arbeitete der heute 36 Jahre alte Arzt Alaa M., dem die Bundesanwaltschaft Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft.Gleich zu Beginn seiner Aussage versicherte der Zeuge, den Angeklagten zu erkennen. Er habe in seiner Heimatstadt in der Region von Homs an Demonstrationen gegen die syrische Regierung teilgenommen.Die Anklage beschuldigt Alaa M., zwischen April 2011 und Ende 2012 in Syrien im Militärkrankenhaus in Homs sowie im Gefängnis der Geheimpolizei Teilnehmer von Protesten gegen die syrische Regierung gefoltert und ihnen schwere körperliche sowie seelische Schäden zugefügt zu haben. In einem Fall wird ihm vorgeworfen, einen Gefangenen mit einer Injektion getötet zu haben.
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»Das ist kein Krankenhaus, das ist ein Schlachthof«
ZitatAlaa M. räumte deshalb im Gericht ein, seinen Lebenslauf »verschönert« und Arbeitszeugnisse gefälscht zu haben. Er habe gewusst, er werde sonst keinen Job in Deutschland finden. Laut Anklage soll M. als Arzt in Homs Gefangenen Alkohol auf die Geschlechtsteile gekippt und angezündet und ohne Narkose operiert haben.
Verurteilt wegen Mord und Folter Lebenslängliche Haft für syrischen Arzt Stand: 16.06.2025 11:45 Uhr
Jahrelang war er Assistenzarzt in Militärkrankenhäusern des Assad-Regimes. Später arbeitete er als Orthopäde in Hessen. Nun hat das Frankfurter Oberlandesgericht den Mediziner verurteilt - wegen Folter und Mord, Folter, Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Das sind nur einige der Vorwürfe gegen Alaa M., die die Richter als erwiesen ansahen: Das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) hat den heute 40 Jahre alten Mediziner deshalb zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest, eine anschließende Sicherungsverwahrung wurde verhängt.
Während im Publikum des Sitzungssaals nach dem Urteilsspruch am Montagvormittag Applaus aufbrandete, blickte Alaa M. ausdruckslos ins Leere. Auch wenn er die Vorwürfe bis zuletzt bestritt, sind die Richter überzeugt: Der Mediziner beging in den Jahren 2011 und 2012 schwerste Verbrechen für das Assad-Regime. Erst Folterarzt, später Orthopäde
Als Assistenzarzt in den Militärkrankenhäusern der syrischen Städte Homs und Mezzeh sowie in einem Gefängnis hatte er laut Urteil in den Jahren 2011 und 2012 Gegner des Regimes gefoltert.
Er habe neun Menschen schwer an Leib und Seele verletzt und zwei weitere getötet, hieß es in der Urteilsbegründung.
Alaa M. war dann 2015 nach Deutschland gereist und hatte unter anderem als Orthopäde in Kliniken in Hessisch Lichtenau (Werra-Meißner) und Bad Wildungen (Waldeck-Frankenberg) gearbeitet. 2020 wurde er festgenommen, nachdem Zeugen ihn in einer TV-Dokumentation über Homs wiedererkannt hatten.
2021 folgte die Anklage, der Prozess begann 2022 und dauerte knapp dreieinhalb Jahre. Einmischung durch das Assad-Regime
Das Regime des langjährigen syrischen Machthabers Baschar Al-Assad habe bis zu seinem Sturz Ende 2024 versucht, Einfluss auf das Verfahren zu nehmen, sagte der Vorsitzende Richter am Frankfurter Oberlandesgericht.
Auch deshalb sei es wichtig gewesen, die Zeugen zu schützen - bis hin zu einer Anonymisierung.In einem Statement der Opfer und ihrer Angehörigen, das das Gericht zitierte, hieß es, das Urteil gebe Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden.
Es helfe, den Opfern des Regimes ihre Würde zurückzugeben. Bei ihnen handelte es sich dem Gericht nach um inhaftierte Zivilisten, die der syrischen Opposition zugerechnet wurden. Weltrechtsprinzip machte Prozess möglich
Es ist ungewöhnlich, dass Verbrechen, die in Syrien begangen wurden, in Hessen bestraft werden. Möglich war dies im aktuellen Fall wegen des sogenannten Weltrechtsprinzips im Völkerstrafrecht. Es besagt, dass bei besonders gravierenden Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit jedes Land juristisch tätig werden darf.
Das soll verhindern, dass solche Taten straffrei bleiben. Mutmaßlichen Täterinnen und Tätern soll damit signalisiert werden, dass sie vor der Justiz nirgends Unterschlupf finden. Der Vorsitzende Richter sagte: "Kein Folterer darf sich der Straflosigkeit gewiss sein, egal, wo er sich aufhält." Ein Urteil wie dieses könne die Anerkennung des Leids der Opfer ausdrücken und für Rechtsfrieden sorgen.
Die Bundesanwaltschaft hatte für den Mann in ihrem Plädoyer lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert. Seine Anwälte forderten unter anderem für den Anklagevorwurf der Tötungen einen Freispruch. Ihr Mandant sei in dem fraglichen Zeitraum nicht in Homs tätig gewesen. Alaa M. selbst bezeichnete sich in dem Prozess als Opfer eines Komplotts. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Hessischer Rundfunk Quelle: HR