Entführung : Mit Paketklebeband an Pfeiler gebunden
Von Jan Schiefenhövel -Aktualisiert am 18.05.2021-18:04
Landgericht Hanau: Das Opfer sagt im Prozess um die Entführung in Bad Soden-Salmünster aus.
Das Opfer sagt im Prozess um die Entführung in Bad Soden-Salmünster aus. Offenbar hat es Streit um Geld gegeben. Doch das Gericht muss noch eine andere Tat aufklären.
Der Mann ist eingeschnürt. Jedenfalls sieht es auf dem Foto so aus, als könnte das gefesselte Opfer sich kaum rühren. Die Beine sind mit Paketklebeband zusammengebunden. Von der Mitte der Oberschenkel bis unter die Knie sind sie mit dem grauen Band umwickelt. Knapp über den Fußgelenken hält zusätzlich eine Schnur die Unterschenkel zusammen. Die Hände sind hinter dem Rücken gefesselt, der Oberkörper ist mit Klebeband an einen Pfeiler gebunden. Die Beine sind ausgestreckt, die Füße an einem anderen Pfeiler fixiert. So wurde der 25 Jahre alte Moritz W. allein in einer abgelegenen Schutzhütte bei Bad Soden-Salmünster zurückgelassen. Deshalb müssen sich drei junge Männer vor dem Landgericht Hanau verantworten. Das Foto von dem gefesselten Opfer, das im Gerichtssaal gezeigt wird, stammt vom Smartphone eines Angeklagten.
Wissen war nie wertvoller
Am Dienstag macht das Opfer seine Aussage. Die drei Männer hätten ihn an einem Samstag im Juni 2020 zuhause abgeholt, um „etwas zu besprechen“. Dann seien sie mit ihm zu der Schutzhütte auf einer Bergkuppe gefahren, wo man zuerst friedlich miteinander geredet habe. Nach einem Handgemenge, wie Moritz W. sagt, wurde er gefesselt und zurückgelassen. Einer der drei Männer habe noch zu ihm gesagt, er solle über sein Verhalten nachdenken. Doch lange blieb das Opfer nicht gefangen. Schon nach fünf Minuten gelang es dem Mann nach eigenen Worten, sich selbst zu befreien, zuerst konnte er die Hände aus den Fesseln ziehen. Mit seinem Hausschlüssel habe er dann das Klebeband an den Beinen durchtrennt.
Den Richtern gibt das Opfer Auskunft zu den Details. Auf die Frage der Vorsitzenden Richterin Susanne Wetzel nach seiner Gefühlslage nach der Tat sagt Moritz W., er habe sich gekränkt gefühlt und sei „sauer gewesen“. Als besonders demütigend habe er es empfunden, in der hilflosen Lage fotografiert worden zu sein. Einsilbig wird Moritz W. allerdings, als es darum geht, was Anlass für die Entführung gewesen ist, worum es bei dem Streit mit seinen drei Bekannten eigentlich ging. Dazu schweigt Moritz W. auf Anraten seines Anwalts, der als Zeugenbeistand mit in den Gerichtssaal gekommen ist. Der Jurist Andreas Groß begründet das damit, das Opfer müsse sich nicht selbst belasten. Moritz W. ist in der Zwischenzeit, also nach der Entführung, vom Amtsgericht Gelnhausen wegen Drogendelikten verurteilt worden.
Das Opfer bleibt stumm
Im laufenden Prozess geht die Anklage davon aus, mit der Fesselung sollten Schulden von 4700 Euro eingetrieben werden. Wetzel zitiert aus einer Handynachricht an das Opfer, in der es um die Rückgabe von Geld geht. Die Vorsitzende und der beisitzende Richter Niels Höra bohren immer wieder nach und fragen nach dem Grund für den Streit, doch das Opfer bleibt stur. Moritz W. räumt zwar eine „Forderung“ der drei Männer an ihn ein, die auch berechtigt gewesen sei. Was von ihm gefordert wurde und wofür, sagt der Mann am Zeugentisch aber nicht. Die zähe Vernehmung zieht sich über den ganzen Vormittag hin. Wetzel sagt schließlich entnervt: „Sie machen ein bisschen den Eindruck, dass sie das alles hier als Belästigung empfinden.“ Die Richterin fragt den Mann, ob er als Opfer einer Straftat nicht ein Interesse daran habe, mit seiner Aussage bei der Aufklärung zu helfen.
Dabei ist die Fesselung in der Schutzhütte nicht die einzige Tat, die das Gericht aufzuklären hat.
Nach der Mittagspause dreht sich die Befragung von Moritz W. um den Tag nach der Entführung, an dem er, nun in Begleitung mehrerer Freunde, den drei Angeklagten wieder begegnete. Nach einer Verfolgungsjagd mit mehreren Autos fiel ein Schuss aus einer Pistole, der einen Mann aus seiner Gruppe am Finger verletzte, wie Moritz W. erzählt. Der Anklage zufolge soll der 27 Jahre alte Arber G. der Schütze gewesen sein. Ihm wird versuchter Totschlag vorgeworfen.
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