Urteil des Landgerichts Limburg zum Tod von Josephin aufgehoben
Urteil vom 31. März 2021 - 2 StR 109/20
Das Landgericht Limburg an der Lahn hat zwei der Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren bei Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verurteilt und die weitere Angeklagte vom Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung freigesprochen. Die hiergegen zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg, bei zwei Angeklagten auch zu deren Gunsten.
Nach den Feststellungen des Landgerichts litt die Geschädigte, die Tochter bzw. Schwester der Angeklagten, an Trisomie 21 sowie an Diabetes mellitus vom Typ I. Sie verstarb am 31. Oktober 2016 im Alter von 21 Jahren im elterlichen Wohnzimmer infolge einer Stoffwechselentgleisung durch Insulinmangel. Im Verlaufe des Todestages war es zu einer dramatischen Verschlechterung ihres Zustands mit Erbrechen und einer zunehmenden Bewusstseinseintrübung gekommen. Obwohl alle drei Angeklagten diese Umstände erkannten und als typische Symptome einer lebensbedrohenden Ketoazidose hätten verstehen können, riefen sie keine ärztliche Hilfe herbei, mit der die Geschädigte hätte gerettet werden können. Sie fanden sich am Abend bei der Geschädigten im Wohnzimmer ein, entkleideten diese und hüllten sie in eine Decke. Eine letzte Blutzuckermessung durch die Mutter ergab einen alarmierend hohen Wert. Kurze Zeit später setzte der Atem der dann in den Armen ihrer Schwester liegenden Geschädigten aus. Auf einen vom Vater angewählten und von der Schwester der Verstorbenen erklärten Notruf trafen Rettungssanitäter und eine Notärztin ein, denen es aber nicht gelang, die Geschädigte wiederzubeleben.
Die Schwurgerichtskammer hat die Verurteilung der Eltern nur wegen fahrlässiger Tötung statt des angeklagten Totschlags durch Unterlassen im Urteil damit begründet, bei der Beratung und Abstimmung im Kollegium sei nicht die für die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts erforderliche Stimmenmehrheit erreicht worden. Die Schwester der Verstorbenen sei freizusprechen gewesen, weil keine Stimmenmehrheit für deren Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung erzielt worden sei.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. Die Begründung, mit der das Landgericht die Eltern der Geschädigten verurteilt und die Schwester freigesprochen hat, hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Nach Ansicht des Senats lässt die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils nicht die gebotene Gesamtwürdigung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände erkennen; der Hinweis auf das Abstimmungsergebnis genügt nicht. Soweit das Landgericht nicht eindeutig eine Abstimmung auch für die Annahme von Fahrlässigkeit beider Eltern mitgeteilt hat, ist die Urteilsaufhebung auch zu deren Gunsten erfolgt.
Die Sache bedarf demnach neuer Verhandlung und Entscheidung nunmehr durch das Landgericht Frankfurt am Main, das auch eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu erwägen haben wird.
Vorinstanz:
Landgericht Limburg - Urteil vom 16. Oktober 2019 - 2 Ks - 2 Js 59353/16
Karlsruhe, den 31. März 2021
Pressestelle des Bundesgerichtshofs 76125 Karlsruhe Telefon (0721) 159-5013 Telefax (0721) 159-5501
Admin und Foren Moderatorin Hinweise zu den hier aufgeführten Fällen bitte an die zuständige Polizeidienststelle
ich bin fassungslos über derartige Urteile. Manchmal muss man sich fragen, was in Richtern und Staaatsanwaltschaft vorgeht, solche Menschen wieder laufen zu lassen. Einfach nur verstörend und traurig
Zitat von lourin123 im Beitrag #2ich bin fassungslos über derartige Urteile. Manchmal muss man sich fragen, was in Richtern und Staaatsanwaltschaft vorgeht, solche Menschen wieder laufen zu lassen. Einfach nur verstörend und traurig
Das hast du falsch verstanden. Der Prozess wird neu aufgerollt.
Admin und Foren Moderatorin Hinweise zu den hier aufgeführten Fällen bitte an die zuständige Polizeidienststelle
Aus der Berichterstattung geht nicht hervor, ob die Angehörigen geschult waren, einen lebensbedrohlichen Zustand der Pat. zu erkennen : eine wesentlich häufigere Unterzuckerung wird nämlich genau anders behandelt als die beschriebene "Über" zuckerung. Warum wurde nicht sofort der Blutzuckerspiegel bestimmt ? Sollten alle Angehörigen an sich können, aber ist eine Schulung erfolgt ? Hier hätte man schnell wirksames Insulin verabreichen müssen, aber wieviel ? Zuviel davon ist auch tödlich...... Gab es einen Plan vom Arzt bei solchen Notfällen für die Familie ? Hatte die Pat. einen schlecht einstellbaren Diabetes I, bei dem locker 10x / Tag der BZ Wert ermittelt werden muß ? Alle Messungen werden im Gerät automatisch gespeichert. Wurde das Gerät ausgewertet ? Mehr Fragen als Antworten. Möchte als Schöffe hier nicht mitentscheiden müssen.
Trotz aller Kritik und Unverständnis : Ein Gericht kann nur anhand von Beweisen / Zeugensussagen ein Urteil sprechen. Nicht zuletzt deswegen gilt der Juristenspruch, daß Recht und Gerechtigkeit soviel gemeinsam haben wie die Landeskirchenverwaltung mit dem Lieben Gott....... Der andere Spruch von " auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand" ist auch nicht von der Hand zu weisen. Auch das Zitat von (nicht nur einem ) einem Strafverteidiger : "Ob etwas stimmt oder nicht ist vor Gericht uninteressant : es muß plausibel `rüberkommen. Wenn Du dem Richter verständlich klarmachen kannst, daß die Maiglöckchen kariert waren, verläßt Du als freier Mensch den Saal"...... Der Normalo in uns tickt halt anders und versteht die Welt nicht mehr. Der Jurist sucht einen Formfehler und wirft so Kaugummi ins Getriebe.....