Schüler nach Messerangriff außer Lebensgefahr (Update)
Der Angriff eines Siebtklässlers auf seinen gleichaltrigen Mitschüler an der Östringer Thomas-Morus-Realschule traumatisiert die Schulgemeinde.
24.11.2020, 13:40 Uhr
Östringen. (dpa) Nach dem Messerangriff eines Mitschülers geht es einem 13-Jährigen aus Baden besser. Der Jugendliche sei außer Lebensgefahr, sagte eine Polizeisprecherin am Dienstag.
Bei dem Vorfall am Montag in einer Realschule in Östringen hatte der Jugendliche nach einer Pause mit dem Messer mehrfach auf den Oberkörper des gleichaltrigen Mitschülers aus einer anderen siebten Klasse eingestochen. Die beiden seien seit längerem zerstritten gewesen, sagte eine Polizeisprecherin.
Hinweise auf ein konkretes Motiv des Angreifers gab es am Dienstag noch nicht. Unklar sei auch, inwiefern er die Tat geplant und das Messer extra zur Schule mitgebracht habe, sagte die Sprecherin. Die Teenager und ihre Familien würden eng durch das Jugendamt betreut.
Aus Expertensicht sei dies ein Einzelfall. "Solche Fälle sind extrem selten", sagte Matthias Schneider, Geschäftsführer der Lehrergewerkschaft GEW in Baden-Württemberg am Dienstag. Zahlen dazu seien schwer zu vergleichen, weil früher nicht jeder Fall in die Statistik eingegangen sei. Die tatsächliche Belastung der Schulen durch Gewaltexzesse sei deutlich geringer, als es oft den Eindruck mache, heißt es auch in einer Broschüre des Kultusministeriums in Stuttgart. Das Deutsche Jugendinstitut berichtet ebenfalls, dass von "Brutalisierung von Jugendgewalt" keine Rede sein könne.
Der Chef der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Rainer Wendt, hingegen sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur: "Schule ist kein geschützter Raum mehr. Da sitzen Jungs, die finden es toll, dass sie ein Messer dabei haben." Lehrer sollten auch ohne gerichtlichen Beschluss die Taschen der Schüler durchsuchen dürfen, forderte er. Und sie müssten etwa wissen, wenn ein Schüler in der Freizeit wegen Gewaltbereitschaft auffalle. Dass die Lehrkräfte darüber informiert würden, verhindere im Moment aber der Datenschutz, so Wendt.
Jugendgewalt ereigne sich meist unter männlichen Jugendlichen, so das Deutsche Jugendinstitut. Zwar gebe es nach einem längeren Rückgang von körperlicher Gewalt einen Anstieg in einzelnen Schulformen - vor allem an Hauptschulen, schreiben die Fachleute in einer Analyse von Daten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Die Zahl der erfassten Knochenbrüche bei "Raufunfällen" an Schulen sei aber "seit Jahren auf einem nahezu gleichbleibenden, sehr niedrigen Niveau".
Auch wenn derartige Gewaltausbrüche selten vorkommen, erregen sie immer wieder Aufsehen. 2018 beispielsweise hatte ein Schüler im nordrhein-westfälischen Lünen einen Mitschüler auf dem Flur einer Gesamtschule erstochen. Ein Gericht verurteilte den 16-Jährigen zu sechs Jahren Jugendstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Als mögliche Ursachen für Jugendgewalt zählt die Polizei unter anderem auf, dass man zu Hause in der Familie Gewalt als Mittel der Konfliktlösung erlebt habe. Konsum entsprechender Medien, Perspektiv- und Orientierungslosigkeit könnten weitere Faktoren sein.
Was deutlich zunehme, sei verbale Gewalt etwa in Form von Cybermobbing, sagte Gewerkschafter Schneider. Aus seiner Sicht muss die Sozialarbeit an den Schulen ausgebaut werden. "Sozialarbeiter gibt es an vielen Schulen, aber nicht an allen. Das sollte Standard sein." Die Fachleute hätten eine andere Rolle als Lehrer, müssten Schüler zum Beispiel nicht benoten. Das schaffe ein anderes Verhältnis. Zudem brächten sie eine andere Expertise mit.
Das Thema Gewalt an der Schule und Prävention beschäftigt seit Jahren Politik, Polizei und Vereine. Im Internet finden sich zahlreiche Informationen mit Ansprechpartnern samt Rufnummern. Es gibt Handreichungen mit Tipps für Eltern und Lehrkräfte.
Update: Dienstag, 24. November 2020, 13.40 Uhr _______________________________________________________________________________________________________
13-Jähriger stach mehrmals zu
Von Tim Kegel
Östringen. Messerstecherei unter 13-Jährigen: Ein schwer verletztes Schulkind musste am Montagvormittag an der Östringer Thomas-Morus-Realschule laut Polizei mit dem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen werden. Lebensgefahr bestand nicht, wie die Beamten auf Nachfrage erklärten. Der gleichaltrige Angreifer wurde von der Polizei festgenommen. Es habe im Vorfeld der Tat "zwischen den Schülern seit Monaten Streitigkeiten" gegeben, hieß es in einer Meldung aus dem Karlsruher Polizeipräsidium.
Traumatische Minuten, kurz nach 10 Uhr, die die Siebtklässler wohl nicht so schnell vergessen werden: Die beiden Jungen besuchen verschiedene Klassen; kurz nach der Pause soll der mutmaßliche Angreifer nach Polizei-Schilderungen in das Klassenzimmer seines Opfers gekommen sein und mehrfach auf den Oberkörper des Jungen eingestochen haben. Die Klassenkameraden mussten die Tat mit ansehen. Viele Details blieben jedoch bis zuletzt unklar, etwa, wer den Angreifer gestoppt hat. Die Realschule war am Nachmittag nur über Anrufbeantworter erreichbar. Beim zuständigen Karlsruher Regierungspräsidium verwies man auf die "laufenden Ermittlungen" und auf die Polizei.
Dort heißt es, dass – kurz nach dem Eingang eines Notrufs gegen 10.35 Uhr – mehrere Streifen zu dem Schulzentrum gefahren seien. Lehrer hatten da wohl schon mehrere Klassen aus dem Umfeld auf die Klassenzimmer verteilt. Einem Lehrer sei es schließlich gelungen, den mutmaßlichen Angreifer in einem Zimmer zu "separieren". Kurze Zeit später hätten Beamte den Jungen vorläufig festnehmen können. Die Tatwaffe – ein nicht näher beschriebenes Messer – sei sichergestellt worden.
Die Schulgemeinschaft stand unter Schock, wie aus Chatprotokollen von Eltern hervorgeht, die der Redaktion vorliegen. Dort wird geschildert, wie sich eine Schulklasse mithilfe von Tischen und Stühlen im Zimmer verbarrikadierte, aus Sorge, dass ein Verriegelungsmechanismus, der eigentlich für Amok-Taten konzipiert ist, nicht funktionieren könnte. Zwei Schüler, die zu dem Zeitpunkt "am stabilsten/gefasst waren" hätten der Lehrerin beim Bau der Barrikade geholfen. Eine Schülerin aus einer Nachbarklasse spricht davon, "das Messer und viel Blut gesehen" zu haben. Der Mitschüler sei "operiert worden", der Beschuldigte sei von Verwandten abgeholt worden. Ein anderer Junge sagt: "Fast alle haben geweint." Eine Mutter ist fassungslos: "Kaum aus den Windeln heraus – wie verroht muss man sein, so etwas zu machen?", fragt sie.
Auch per Durchsage sei vor der Gefahr gewarnt worden. Seelsorger und Betreuer kümmerten sich um die verängstigten Schüler und die inzwischen an den Ort des Geschehens geeilten Eltern. Erst kurz vor 13 Uhr wurden die Kinder und Jugendlichen klassenweise von Lehrern aus der Schule begleitet, mit Bussen wurden sie abgeholt. Bis zum Nachmittag blieben mehrere Polizeistreifen vor Ort.
Um Beruhigung war man an der Schule am späten Nachmittag bemüht: Eine Stellungnahme hatte man da bereits den Eltern zugesandt. Den knappen Zeilen zufolge gehe es dem verletzten Schüler "den Umständen entsprechend gut". Entgegen der Polizeischilderung, die vom Einsatz eines Rettungshubschraubers berichtet, sagt die Schule, dass der schwer verletzte Junge "mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht" worden sei.
Die Tat, die so viele entsetzt hat, wird beschrieben als "eine rein private Angelegenheit zweier Schüler, die zufällig in der Schule ausgeführt wurde". Über die seit Monaten andauernde Fehde, von der die Polizei weiß, ist in dem Schul-Schreiben nichts zu erfahren. Darüber hinaus bestehe, wie es darin weiter heißt, "kein politischer, rassistischer, religiöser Hintergrund". Auch habe es sich nicht um einen Amoklauf gehandelt. Ein Amokalarm sei ausgelöst worden, weil "die Türen der Klassenzimmer bis zur Klärung der Situation zur Sicherheit verriegelt wurden".
Update: Montag, 23. November 2020, 19.01 Uhr ____________________________________________________________________________________
13-jähriger Schüler verletzt Mitschüler mit Messer schwer
Polizei mit mehreren Streifen vor Ort - Schüler stritten schon seit Monaten
Östringen. (RNZ/dpa/mare) Aufregung in Östringen: An der Realschule ist es am Montagmittag zu einem Polizeieinsatz gekommen.
Ein 13-jähriger Schüler soll am Montagvormittag an einer Schule in Östringen einen gleichaltrigen Mitschüler mit dem Messer angegriffen und verletzt haben. Zunächst wurde gegen 10.35 Uhr der Polizei mitgeteilt, dass ein Schüler an der Schule mit einem Messer angegriffen und verletzt worden sei.
Daraufhin wurden mehrere Streifen an die Schule beordert. Die Schüler wurden von den Lehrern in die Klassenzimmer gebracht. Kurze Zeit später konnte die Polizei den 13-Jährige, der von einem Lehrer in einem Zimmer separiert worden war, vorläufig festnehmen. Das Messer wurde sichergestellt. Der schwerverletzte Schüler wurde nach einer Erstversorgung vor Ort mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen. Zur Betreuung der Schüler und der an der Schule eingetroffenen Eltern wurden Seelsorger und Betreuer eingesetzt.
Bis 13 Uhr hatten alle Klassen das Schulgebäude verlassen. Mehrere Beamte überwachten in der Schule, dem Schulhof und den Abfahrtsstellen der Schulbusse die Situation. Insgesamt waren fast 60 Polizeibeamtinnen und Beamte eingesetzt.
Der Polizeieinsatz war gegen 14.30 Uhr beendet.
Nach bisherigen Erkenntnissen bestehen zwischen den Schülern seit Monaten Streitigkeiten. Beide gehen in verschiedene 7. Klassen an der Schule. Nach der Pause soll der Angreifer in das Klassenzimmer des Mitschülers gekommen sein und dem 13-Jährigen mehrere Stichverletzungen am Oberkörper zugefügt haben.