GROSSBRAND UNTER KONTROLLE Ermittler in Nantes gehen von Brandstiftung aus
Französische Ermittler gehen nach einem verheerenden Feuer in der Kathedrale von Nantes von einer Brandstiftung aus. An drei Stellen sei das Feuer ausgebrochen, sagte der Staatsanwalt von Nantes, Pierre Sennès, am Samstag. Das könne kein Zufall sein. Ermittler würden die Kirche im Laufe des Tages besuchen. Ein Brandherd sei bei der großen Orgel und zwei weitere im Kirchenschiff festgestellt worden, erklärte Sennès. Auch ein Experte aus Paris werde kommen. Der Brand war laut Feuerwehrangaben am Samstagnachmittag unter Kontrolle, aber noch nicht vollständig gelöscht.
Mit einem Kran sollten Medienberichten zufolge Überreste der verbrannten Orgel abgetragen werden, um an die letzten Glutherde zu gelangen. Die Diözese veröffentlichte Bilder der Schäden. Große Teile der Orgel waren in den Innenraum der Kirche gefallen. Die Orgel und auch ein großes Buntglasfenster aus dem 15. Jahrhundert seien komplett zerstört, teilte die Diözese mit. Auf den Bildern waren zudem ein schwarz ausgebrannter Schrank und großflächige Rußspuren an der Wand dahinter zu sehen. Die Feuerwehr sei am Morgen gegen 7.30 Uhr alarmiert worden, teilte die Diözese von Nantes mit.
Die Hauptorgel sei vollständig verschwunden, sagte Diözesanverwalter François Renaud nach einem Besuch in der Kirche der Nachrichtenagentur AFP. Der Verlust sei unbezahlbar. Die Orgel stammte demnach ursprünglich aus dem Jahr 1619 und wurde mehrfach erneuert und erweitert. Orgeln seien sehr brandanfällig, weil dort viel Holz und Blei sei, das gut brenne, erklärte die frühere Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner dem Kölner Domradio. „Orgeln sind einfach das brennbarste Material, das es in Kirchen gibt.“ Schock-Werner ist die Koordinatorin der deutschen Hilfe für den Wiederaufbau der Pariser Kathedrale Notre-Dame.
Der Brand in Nantes weckte in Frankreich Erinnerungen an das verheerende Feuer in der weltberühmten Pariser Kirche vor mehr als einem Jahr. „Nach Notre-Dame steht die Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul im Herzen von Nantes in Flammen“, schrieb Staatschef Emmanuel Macron auf Twitter. Die Kirche sei ein „gotisches Juwel“. Bei den Bränden sei nicht nur ein Teil des religiösen Erbes zerstört worden, sondern auch ein Symbol des katholischen Glaubens, teilte die französische Bischofskonferenz mit.
Eine schwarze Rauchwolke war am Samstagmorgen aus dem Fenster der Hauptfassade der Kathedrale in Nantes aufgestiegen. Hinter den Fenstern waren Flammen zu erkennen. Die Feuerwehr des Département Loire-Atlantique hatte dazu aufgerufen, den Bereich zu meiden.
Die Kathedrale von Nantes aus dem 15. Jahrhundert ist den Aposteln Peter und Paul geweiht und gehört zur französischen Spätgotik. Bei einem Feuer 1972 wurde nach Angaben der Diözese von Nantes der Dachstuhl der Kirche komplett zerstört. Nach Restaurierungsarbeiten öffnete die Kirche 1985 wieder ihre Türen. 2015 hatte in Nantes zudem ein spektakuläres Feuer das Dach der Basilika Saint-Donatien zerstört.
Frankreichs Premierminister Jean Castex bedankte sich bei den Feuerwehrleuten vor Ort für ihren Einsatz. Er war gemeinsam mit Kulturministerin Roselyne Bachelot und Innenminister Gérald Darmanin nach Nantes gereist, um sich die Schäden in der Kirche anzusehen. Der Wiederaufbau müsse so schnell wie möglich geschehen, sagte Castex. Der Staat werde dazu seinen Teil beitragen, so der Premierminister.
In die Erschütterung über den Brand in der Kathedrale von Nantes hat sich am Sonntag Wut gemischt. Der französische Kulturerbe-Beauftragte Stéphane Bern beklagte die am Samstagmorgen mutmaßlich durch Brandstiftung ausgelösten Schäden als Zeichen eines „schrecklichen Nihilismus“. „Man fragt sich, was aus unserer Gesellschaft geworden ist, wenn nichts mehr Sinn macht und Wert hat“, sagte er der Zeitung „Le Parisien“. „Wir stehen vor dem Problem des Zusammenlebens, wenn man Kultstätten angreift.“
Die Polizei nahm noch am Samstagnachmittag einen 39 Jahre alten Mann aus Ruanda fest, der als freiwilliger Helfer damit beauftragt gewesen war, die Eingänge zur Kathedrale am Freitagabend zuzusperren. Am Sonntagabend kam der Mann wieder frei. Es gebe keine Verbindung zu dem Feuer und keine weitere Strafverfolgung, so Staatsanwalt Pierre Sennès.
Das Feuer war am Samstagmorgen an drei Brandherden ausgebrochen, unter der Orgel im Hauptschiff sowie in den beiden Nebenschiffen. Die Orgel aus dem Jahr 1620, die den letzten Großbrand 1972 unversehrt überstanden hatte, wurde fast vollkommen zerstört. Orgelmeisterin Marie-Thérèse Jehan, die sich die Schäden am Samstagnachmittag ansah, sagte unter Tränen: „Das trifft mich ins Mark. Eine der größten und ältesten Orgeln Frankreichs ist unwiederbringlich verloren.“ Drei Stunden brauchten die Feuerwehrleute, um den Brand unter Kontrolle zu bringen. Auch die bemalten Glasfenster aus dem 15. Jahrhundert, die auf Anne de Bretagne zurückgehen, erlitten schwere Schäden, eines wurde vollständig zerstört. Auf ersten Fotos, die von der Diözese veröffentlicht wurden, sind verkohlte Trümmerhaufen im Innenraum zu sehen, Reste der Hauptorgel, die auf den Boden stürzten.
Präsident Emmanuel Macron dankte den Feuerwehrleuten, weil sie „große Risiken auf sich genommen haben, um dieses gotische Juwel zu retten“. Auch bei ihm weckten die Flammen die Erinnerung an den Brand in Notre-Dame in Paris am 15. April 2019, dessen Ursache weiterhin unklar ist. „Nach Notre-Dame steht die Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul im Herzen von Nantes in Flammen“, twitterte Macron von Brüssel aus. Premierminister Jean Castex inspizierte in Begleitung von Kulturministerin Roselyne Bachelot und Innenminister Gérald Darmanin schon am Samstag die Brandschäden und versprach staatliche Hilfe beim Wiederaufbau.
Der rechtsnationale Politiker Philippe de Villiers verlangte, sich nach dem neuerlichen Kirchenbrand zivilisatorische Fragen zu stellen. „Während des Lockdowns waren die Kirchen geschlossen. Jetzt brennen sie“, sagte er. Die Eliten sollten über den Niedergang des Abendlandes nachdenken. Tatsächlich sind in den vergangenen Monaten unzählige Kirchen in Frankreich beraubt, geschändet oder durch Brände beschädigt worden. Anfang Juli brannte das Dach der Pauluskirche in Corbeil-Essonnes, einem Vorort von Paris. Im März 2019 brach ein Feuer vor einer Holztür der Pfarrkirche Saint-Sulpice in Paris aus. Im Februar 2019 legten Unbekannte einen Brand in der Kathedrale Saint-Alain-de-Lavaur im Südwesten. Schon im Januar 2019 brannte die Sankt-Jakobs-Kirche in Grenoble aus. In fünf anderen Kirchen kam es 2018 zu ungeklärten Bränden. In der Sankt-Peters-Kirche in Orleans zündeten die Täter nicht nur Notenblätter an, sie schmierten auch Graffiti an die Kirchenwände. Die Ermittler notierten, jemand habe Beleidigungen und „Allahu akbar“ an die Wand geschrieben. Meist berichtet nur die Lokalpresse darüber, wenn wie in Wihr-au-Val im Elsass oder in Sumène in der Nähe von Montpellier Marienstatuen geköpft werden.
Mehr Aufmerksamkeit erfuhr die mutwillige Beschädigung der Orgel der Basilika in Saint-Denis, in der die sterblichen Überreste der französischen Könige bestattet sind. Bei dem noch immer nicht aufgeklärten Übergriff vor einem Jahr wurden auch Fenster mit Glasmalereien beschädigt. Die Zahl der christlichen Kultstätten, die 2018 Opfer von Vandalismus wurden, beläuft sich nach Angaben des Innenministeriums auf 877, Tendenz steigend. Nach dem Brand in Nantes wird mit größerem Nachdruck die Frage gestellt, wie die mehr als 42.000 katholischen Kirchen in Frankreich besser geschützt werden können.
Brand in Kathedrale von Nantes: Historische Orgel „völlig zerstört“
Der Brandstifter war als Gemeindediener tätig.
ZitatDer 39-Jährige hat als Freiwilliger für die Diözese gearbeitet. Er gestand, dass er an drei Stellen in der Kathedrale ein Feuer gelegt hat – und zwar an der großen Orgel der Kathedrale, an einer kleinen Orgel und einer elektrischen Schalttafel.
ZitatIm Falle einer Verurteilung drohen dem Brandstifter laut Staatsanwaltschaft zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 150.000 Euro.
Zitat von MissMill im Beitrag #3Zitat Im Falle einer Verurteilung drohen dem Brandstifter laut Staatsanwaltschaft zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 150.000 Euro.
Und genau das entzürnt die Franzosen, dass der Brandstifter quasi auf freien Fuß kam. Von einer Geldstrafe ist nirgendwo etwas zu lesen. Er könnte sowieso nichts bezahlen.
Ich muss mich mal schlau machen, wer den Wiederaufbau der Kathedrale bezahlt. Der Staat oder die Kirche. In Frankreich gibt es ja keine Kirchensteuer. Die Zerstörung der Orgel ist sowieso nicht wieder gutzumachen.
ZitatDer französische Staat beteiligt sich am Wiederaufbau der durch einen Brand zerstörten Kathedrale von Nantes. Finanzminister Bruno Le Maire nannte dies am Montag eine „Pflicht“. Das gotische Gotteshaus gehöre zum Eigentum des Staats und sei Teil der französischen Kultur.