Schwere Vorwürfe gegen einen Polizeibeamten aus Bayern: Über Jahre hinweg soll er Jungen sexuell missbraucht und dabei seine Vertrauensstellung als Jugendwart bei der Freiwilligen Feuerwehr und Leiter einer Musikgruppe ausgenutzt haben. Mit einigen Opfern fuhr er angeblich extra auf den Starnberger See, wo es für sie keine Fluchtmöglichkeit gab. Auf dem Computer des Mannes entdeckten die Ermittler Kinderpornos mit brutalsten Darstellungen.
Es ist wohl das Schlimmste, was man sich vorstellen kann, ein Albtraum für alle Eltern: Sie vertrauen ihre Kinder einem freundlichen, hilfsbereiten Mann an, der in der Region für seine engagierte Jugendarbeit bekannt ist – als Jugendwart bei der Freiwilligen Feuerwehr, als Leiter einer Musikgruppe, als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Kreisjugendrings.
Hinzu kommt, dass der stets zuvorkommende Herr seit vielen Jahren als Polizeibeamter arbeitet, in einem Beruf also, der wie kaum ein zweiter für moralische Integrität und Rechtschaffenheit steht.
Eltern vertrauten dem Mann ihre Kinder bedenkenlos an
Viele Familien rund um den Starnberger See glaubten, sie könnten ihre Kinder bedenkenlos in die Hände dieses Mannes geben. Eines Mannes, dessen Reputation tadellos zu sein schien und an dessen Vertrauenswürdigkeit es nicht die leisesten Zweifel gab.
All das war offenbar ein Trugschluss, eine Fehleinschätzung mit katastrophalen Folgen – in erster Linie für die Kinder und deren Familien.
Mutmaßlicher Täter seit 14 Monaten in Untersuchungshaft
Ab Montag muss sich der 60 Jahre alte Polizist Gerold S. vor dem Landgericht München verantworten. Die Vorwürfe gegen den verheirateten Beamten, der seit 14 Monaten in Untersuchungshaft sitzt und nach FOCUS-Online-Informationen vom Dienst suspendiert wurde, wiegen schwer. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem sexuellen Missbrauch von Kindern in 16 Fällen vor, dazu sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Freiheitsberaubung sowie den Besitz von Kinder- und Jugendpornos.
Bei den mutmaßlichen Missbrauchsfällen soll der Polizist seine Opfer zum Teil „eingesperrt“ haben, so die Staatsanwaltschaft. Er habe Kinder, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung anvertraut wurden, „durch Gewalt“ und unter Ausnutzung ihrer hilflosen Lage missbraucht. Die Minderjährigen seien ihrem Peiniger „schutzlos ausgeliefert“ gewesen.
Er war jahrelang Jugendwart bei der Freiwilligen Feuerwehr
Wie planvoll und zielgerichtet Gerold S. offenbar agierte, zeigte sich in den Jahren 2000/2001 beim mutmaßlichen Missbrauch eines damals 13-jährigen Jungen. Polizist S. war seinerzeit Jugendwart bei der Freiwilligen Feuerwehr in Tutzing und als Betreuer für den Jungen zuständig. Zwischen den beiden entwickelte sich laut Anklage ein „väterlich geprägtes Vertrauensverhältnis“.
Unter Ausnutzung dieses Umstands soll der Angeklagte das Kind in den Unterrichtsraum der Freiwilligen Feuerwehr bestellt und dort eingesperrt haben. Er verschloss angeblich die Tür, zog die Jalousien herunter und spielte auf dem Computer einen Pornofilm ab. Zu seinem Opfer soll der Polizist gesagt haben, dass dieses Treffen „ein Geheimnis“ bleiben müsse. Anschließend soll er den Jungen mit starkem Griff festgehalten und sexuelle Handlungen an ihm vorgenommen haben. Erst als der 13-Jährige drohte, um Hilfe zu rufen, ließ der Angeklagte von ihm ab.
Kinder im Segelboot auf den Starnberger See mitgenommen
In einem anderen Fall soll Gerold S. einen damals 11-Jährigen missbraucht haben. Der Junge war ebenfalls Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und spielte außerdem in der Musikgruppe des mutmaßlichen Täters Trompete. An einem Sommertag 2011 oder 2012 soll Gerold S. das Kind mit einem Segelboot auf den Starnberger See genommen und dort geankert haben. In der Kajüte hat er den Jungen laut Staatsanwaltschaft missbraucht.
Bei einem weiteren Bootsausflug soll es erneut zu sexuellen Handlungen gekommen sein – gegen den Willen des Kindes. Das Opfer habe sich dem körperlich überlegenen Polizisten „nicht entziehen“ können, so die Staatsanwaltschaft. Wäre der Junge in den See zu gesprungen, um zum Ufer zu schwimmen, hätte „die Gefahr bestanden, zu ertrinken“. Im Jahr 2018 soll es zu einem weiteren Missbrauch auf dem Starnberger See gekommen sein, diesmal war das Opfer 15 Jahre alt.
Polizist soll einem Jungen Pornovideos vorgeführt haben
Im Jahr 2014 soll sich der Polizist einem damals 12-Jährigen genähert haben. Laut Anklage gab Gerold S. dem Jungen regelmäßig privaten Trompetenunterricht und schickte ihm nahezu täglich Nachrichten über „WhatsApp“. In der Folge kam es den Ermittlern zufolge zu einer „Vielzahl von sexuellen Übergriffen“. Zunächst soll der Angeklagte dem Kind Pornovideos vorgeführt haben, die zum Teil extreme Praktiken zeigten. Später soll er sich etliche Male an dem Jungen vergriffen haben, etwa bei gemeinsamen Urlauben mit dem Opfer und dessen Familie in Ungarn.
Nach Praktikum bei Polizei Kontakte zu 14-jährigem aufgebaut
Offenbar nutzte der Angeklagte nicht nur seine Stellung als Respektsperson bei der Feuerwehr und in der Musikgruppe für seine Taten aus, sondern auch sein Dienstverhältnis in der Polizeiinspektion Starnberg. Dort absolvierte im September 2017 ein damals 14-jähriger Schüler ein Praktikum. Der Angeklagte Gerold S. war dem Jungen, der sich für eine Ausbildung zum Polizeibeamten interessierte, als Betreuer zugeteilt. Laut Staatsanwaltschaft nutzte er das Ausbildungsverhältnis, um mit dem Kind „ein privates und freundschaftlich anmutendes Verhältnis aufzubauen“.
So soll er nach dem Praktikum mit dem Schüler einen regen Chatkontakt über „WhatsApp“ und „lnstagram“ unterhalten haben. Dabei verschickte der Polizist angeblich knapp 50 Fotos und Videos sowie Textnachrichten mit sexuellem Inhalt.
Private Sex-Videos mit seiner Frau, Fotos vom Patenkind
Das Schockierende: Es soll sich zum Teil um Porno-Material handeln, das der Polizist beim Sex mit seiner eigenen Ehefrau angefertigt hat. Laut Anklage war die Frau mit den Aufnahmen für den privaten Gebrauch einverstanden, nicht jedoch mit der Weitergabe an Dritte. Einige pornografische Fotos und Filme aus dem heimischen Schlafzimmer soll der Polizist auch auf einschlägigen Internetseiten veröffentlicht haben – ohne Einwilligung seiner Frau.
Laut den Ermittlungen soll der Angeklagte nicht einmal sein 1994 geborenes Patenkind verschont haben. Demnach reisten die beiden im Jahr 2017 gemeinsam nach Hamburg und übernachteten in einem Luxushotel. Dort soll der Polizist den Jungen heimlich fotografiert haben, als dieser unbekleidet aus der Dusche kam.
Fahnder finden Dutzende Kinderpornobilder und -videos
Auf den Rechnern und dem Handy des Angeklagten fahnden die Ermittler insgesamt 81 Kinderpornobilder und -videos sowie 39 jugendpornografische Dateien. Das Material enthält grausamste Szenen, unter anderem sind der Missbrauch eines etwa vier Jahre alten Mädchens sowie eines etwa 10 Jahre alten Jungen zu sehen.
Verteidiger: "Unser Mandant ist umfassend geständig"
Alexander Stevens, der den angeklagten Polizeibeamten zusammen mit dem Münchner Rechtsanwalt Tom Heindl verteidigt, erklärte auf Anfrage von FOCUS Online: „Unser Mandant ist umfassend geständig und wird den Opfern eine Aussage vor Gericht ersparen. Auch wird er sich um eine großzügige Entschädigung bemühen. Unser Mandant weiß jetzt, welch unfassbares Leid er seinen Opfern bereitet hat und zeigt tiefe Reue. Er hofft, dass ihm die Opfer irgendwann einmal verzeihen können.“
Dem suspendierten Polizisten droht nicht nur eine mehrjährige Haftstrafe, sondern auch der Verlust seiner Pensionsansprüche.