Samstag, 08. Juni 2019 IS-Rückkehrer nach Deutschland - Anwälte verklagen die Bundesregierung
Einem möglichen IS-Kämpfer aus Offenbach droht im Nordirak die Todesstrafe. Seine Anwälte haben nun die Bundesregierung auf Rückholung verklagt - der Staat sei dazu verpflichtet, ihn zu schützen.
Ein mutmaßlicher Dschihadist der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) will aus der Haft im Nordirak zurückkehren. Der deutsche Staatsbürger Deniz B., der seit 2017 in einem kurdischen Gefängnis sitzt, hat über seine Frankfurter Anwälte vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf eine Rückholung geklagt. Ihrem Mandanten wird vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Bislang sei es zu keiner Anklage gekommen, bei einer Verurteilung droht ihm jedoch die Todesstrafe. Dieser Umstand sei auch der Bundesregierung bekannt, dennoch gebe es keine Bemühungen, ihn zurückzuholen. "Es besteht eine Rechtspflicht zum Handeln, da das Leben des Klägers in Gefahr ist", argumentieren die Anwälte Seda Basay-Yildiz und Ali Aydin.
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Sie haben diese Woche vor dem Verwaltungsgericht in Berlin die Ministerien des Äußeren, des Inneren und der Justiz verklagt. Aus Sicht der Juristen sei die Bundesrepublik verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, den Kläger nach Deutschland zu holen. Dieser Verpflichtung sei diese bisher aus politischen Motiven heraus nicht nachgekommen.
"Taktisches Nichtstun"
Die Anwälte beziehen sich auf Bundesinnenminister Horst Seehofer, der im April den Vorschlag unterstützte, im Ausland inhaftierten deutschen IS-Kämpfern international den Prozess zu machen, statt sie nach Deutschland zu holen. Der CSU-Politiker reihte sich damit in die Forderung anderer internationaler Politiker ein. Auch Außenminister Heiko Maas und Bundesjustizministerin Katarina Barley, beide SPD, hätten kein Interesse an einer Rückführung deutscher Staatsbürger aus IS-Gebieten nach Deutschland. Das Verhalten verstoße gegen das Grundgesetz. "Die Bundesregierung versucht sich durch "taktisches Nichtstun" und durch scheinheilige Argumente ihrer Pflicht zu entziehen", kritisieren die Anwälte. "Die Bundesregierung schiebt Gefährder, die noch keine einzige Straftat begangen haben, aus Deutschland ab mit dem Argument, dass von diesen Personen vielleicht einmal eine Gefahr ausgehen könnte", sagt seine Anwältin Seda Basay-Yildiz gegenüber n-tv.de. "Gleichzeitig weigert sie sich, eigene Staatsbürger, denen die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, wieder aufzunehmen. Das ist verlogen." "Besänftigung des Volkszorns"
Über den Umgang mit gefangenen IS-Kämpfern wird international seit Längerem diskutiert. Im April wurde beschlossen, dass Deutsche künftig ihre Staatsbürgerschaft verlieren, wenn sie für eine Terrormiliz kämpfen. Voraussetzung für die Ausbürgerung ist aber, dass der Betroffene noch mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Das neue Gesetz gilt nicht rückwirkend. Für mutmaßliche IS-Angehörige, die jetzt schon in Syrien oder im Irak in Gefangenschaft sind, ändert sich dadurch nichts.
Matthias Hartwig vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg hält dieses Gesetz für verfassungswidrig. Denn der Verlust der Staatsangehörigkeit setzte den Nachweis der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung voraus, und dies müsste in Verfahren vor deutschen Gerichten nachgewiesen werden, was eine erhebliche Zeit in Anspruch nehmen dürfte. "Zudem wird auch nicht bedacht, was geschieht, wenn der andere Staat, dessen Staatsangehörigkeit die Person ebenfalls besitzt, auch die Staatsangehörigkeit entzieht", kritisiert er gegenüber n-tv.de. "Es handelt sich bei dem Gesetzesvorhaben um einen legislativen Pfusch, der allein der Besänftigung des Volkzorns dient, der aber immer der schlechteste aller Berater bei der Änderung der Rechtsordnung ist."
Erst am Montag wurden im Irak zwei französische IS-Anhänger zum Tode verurteilt. Damit sind in den vergangenen Wochen im Irak insgesamt elf Franzosen zum Tode verurteilt worden, weil sie sich der Terrormiliz angeschlossen hatten. Die syrischen Kurden halten Tausende ausländische Angehörige von IS-Kämpfern gefangen, etwa im Internierungslager Al-Hol. Die Kurden beschweren sich über mangelnde Kooperation bei der Rücknahme gefangener IS-Kämpfer, auch aus Deutschland. Die deutschen Sicherheitsbehörden gingen Anfang April nach Angaben des Bundesinnenministeriums von 66 mutmaßlichen IS-Angehörigen aus Deutschland aus, die sich in Gefangenschaft im syrischen Kurdengebiet befinden. Gegen 21 von ihnen lagen demnach Haftbefehle vor. Hinzu kämen noch Dutzende Frauen und Kinder, heißt es aus Sicherheitskreisen.
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