************************************************************************* *Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht* Mark Aurel *What goes arount - comes arount * Critical questioning never harms* *********************************************************************************** *Hervorhebung in Kommentaren durch den Verfasser *Äusserungen zu Fällen sind rein spekulativ*
So starb der größte Serienmörder der Kriminalgeschichte
Bis zu 84 Morde gestand der Hilfsarbeiter Bruno Lüdke 1943 im Polizeiverhör. Erst Jahrzehnte später kommt heraus, dass die Aussage falsch war und dass er bei einem diabolischen Experiment zu Tode kam. Veröffentlicht am 13.08.2018 |
Am 29. Januar 1943 machten Kinder beim Spielen im Köpenicker Stadtwald im Südosten Berlins einen grauenhaften Fund. Unweit des Krankenhauses lag, von Kratzern und Hämatomen übersät, die nackte Leiche einer Frau. Die Tote wurde als die 51-jährige Rentnerin Frieda Rösner identifiziert. Sie war brutal vergewaltigt und anschließend mit einem Halstuch erdrosselt worden.
Mit den Ermittlungen wurde der junge Kriminalkommissar Heinrich Franz betraut, der nach einigen Wochen einen Verdächtigen präsentierte: Bruno Lüdke, Hilfsarbeiter und kiezbekannter Dorftrottel aus Köpenick. Im Zuge der Verhöre gab er schließlich zu, seit 1924 insgesamt 84 Morde begangen zu haben. Das machte ihn zum schlimmsten Serienmörder der deutschen Kriminalgeschichte. Erst in den 1990er-Jahren wurden begründete Zweifel an Beweisführung und Verfahren laut. Eine interdisziplinäre Studie an den Universitäten Jena und Siegen hat den Fall jetzt einer umfassenden Revision unterzogen: „Zweifellos war Bruno Lüdke ein NS-Opfer und kein Massenmörder“, resümiert Co-Autor Axel Doßmann vom Historischen Institut in Jena.
Ein Opfer war Lüdke schon Jahre zuvor geworden. Der Sohn eines Wäschereibesitzers war als Kind nach einem Sturz geistig eingeschränkt. 1938 wurde er wegen kleinerer Diebstähle erstmals straffällig. Man erkannte auf geistige Unzurechnungsfähigkeit nach dem damals noch gültigen Paragraf 51 des Strafgesetzbuches und ließ ihm seine Freiheit. Damit aber geriet Lüdke auch in den Fokus des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Eine Zwangssterilisation wurde angeordnet und 1940 auch durchgeführt. Damit teilte er das Schicksal von rund 400.000 geistig und körperlich behinderten Menschen im Dritten Reich.
Bei seinen Ermittlungen stieß Kommissar Franz auf den „doofen Bruno“, der sich als Kutscher verdingte und von dem es hieß, dass er in seiner Freizeit als „Spanner“ durch die Gegend ziehe. Obwohl sich weder die Familie noch die Nachbarn und nicht einmal die örtliche Polizei Bruno als Gewalttäter vorstellen konnten, avancierte Lüdke zum Hauptverdächtigen. Selbst als sich herausstellte, dass das Blut auf einer besudelten Hose offenbar von Hühnern stammte, lud ihn Franz im März 1943 zum Verhör. Die Gewalt, mit der sich Lüdke dabei widersetzte, bestärkte die Polizei nur in ihrem Verdacht.
Lüdke fasste zu dem Beamten, der ihn überwältigt hatte, offenbar Vertrauen und soll bei dessen Anwesenheit in dem Verhörzimmer geradezu redselig geworden sein, wie es 1950 in einer Serie über die Kriminalpolizei im Dritten Reich im „Spiegel“ hieß. So berichtete Lüdke von wochenlangen Ausflügen nach Hamburg, Thüringen oder München. SS-Oberstumrführer Franz sah die Chance, mit einem großen Fall seine Position im Haus zu festigen und begann, Orte und Daten mit ungelösten Fällen zu vergleichen.
Zur Verblüffung seiner Kollegen, die von den Verhören ausgeschlossen waren, um das Verhältnis zwischen Franz und Lüdke nicht zu stören, bekannte sich dieser manchmal binnen weniger Stunden zu neuen Bluttaten, sodass er am Ende für 84 Morde die Verantwortung übernahm. In mehreren Dutzend Fällen zeigten selbst einfachste Recherchen, dass Lüdke die Tat nicht begangen haben konnte. 53 Morde und drei Mordversuche standen am Ende im Protokoll. Einwände aus dem Kollegenkreis bügelte Reichskriminaldirektor Arthur Nebe weg. Gleichwohl kam es nie zu einem gerichtlichen Verfahren. Anzeige
Joseph Goebbels forderte als „Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar der Reichshauptstadt Berlin“ in einem Schreiben an den SS-Führer und obersten Polizeichef Heinrich Himmler angeblich, „dass der bestialische Massenmörder und Frauenschlächter Bruno Lüdke ... seine scheußlichen Verbrechen wenigstens mit einem martervollen Tode sühnen“ sollte und daher bei „lebendigem Leibe“ zu „verbrennen oder vier(zu)teilen“ sei. Doch Himmler machte den Vorgang zur Geheimsache und ließ Lüdke ins Kriminalmedizinische Zentralinstitut der Sicherheitspolizei in Wien überstellen. Dort erkannte man den 35-Järhigen als ideales Versuchskaninchen für teuflische Experimente. Geheime Tests mit vergifteter Munition
Der Fall sollte wohl als Argument für ein neues sozialrassistisches Gesetz gegen sogenannte „Gemeinschaftsfremde“ dienen. „Damit wäre es legal geworden, alle unangepassten Deutschen zu verfolgen und zu ermorden“, sagt der Historiker Axel Doßmann. Bei einem Versuch kam Lüdke dann am 8. April 1944, kurz nach seinem 36. Geburtstag, ums Leben.
In ihrer Studie kommen Doßmann und die Siegener Medienhistorikerin Susanne Regener zu dem Schluss, dass er bei geheimen Tests von vergifteter Munition starb, die für Attentate entwickelt wurde. Doch damit war die Karriere des „Serienmörders Lüdke“ noch nicht zu Ende.
Neben der erwähnten „Spiegel“-Serie von 1950 widmete sich der Publizist Will Berthold 1956 in der „Münchner Illustrierten“ dem „größten Massenmord“. Nach der Serie, die auch als Buch erschien und Berthold zum Bestsellerautor machte, drehte Robert Siodmak den Spielfilm „Nachts, wenn der Teufel kam“, der 1958 immerhin für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film nominiert wurde. Dem Bundesfilmpreis war das Werk acht Filmbänder in Gold wert; das für den besten Nachwuchsdarsteller ging an Mario Adorf in der Rolle des Bruno Lüdke. Kritiker lobten den „Menschenbullen, dem die Leiden der gehetzten Kreatur“ widerfuhren.
Erst in den 1990ern erschütterte der niederländische Kriminalist Jan Blaauw nach Analyse der erhaltenen Akten das traditionelle Bild. Lüdke sei Opfer der Suggestivfragen geworden, die Franz ihm gestellt habe und deren Zusammenhänge ihm gar nicht bewusst gewesen seien. Wie, fragte Blaauw, sollte es einem geistig Behinderten möglich gewesen sein, sich im Verhör präzise an Orte, Daten und Details von Morden zu erinnern, die oft Jahre zurücklagen, und sich anschließend den Nachstellungen der Polizei durch geschickte Flucht zu entziehen?
Seitdem mehren sich die Stimmen, die Lüdke von den meisten der von ihm zugegebenen Verbrechen freisprechen. Wahrscheinlich habe er überhaupt keinen Mord begangen. Seine postume Karriere erklären Doßmann und Regener mit der Faszination des Bösen über politische und soziale Brüche hinweg. Als teuflischer Triebtäter, brutal, verschlagen und skrupellos, hätte Lüdke die Erwartungshaltungen des Publikums an das personifizierte Böse befriedigt. Noch heute, so ein Fazit, gerieten geistig Behinderte leicht zum Opfer.
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