Vatermord: Die Gräueltat eines ganz normalen Buben
2017 erstach ein 14-jähriger Vorarlberger seinen Vater. Anscheinend ohne Grund - selbst Psychiater fanden für das Drama keine Erklärung. „Ich weiß doch auch nicht, warum ich meinen Papa umgebracht habe“, sagte der Bub jetzt bei seinem Prozess. Zurück bleibt eine verwirrte Mutter, die nicht an das Böse in ihrem Kind glauben will.
Es war in der Nacht auf den 24. September 2017, als in einem hübschen Haus in Götzis, Vorarlberg, ein unfassbares Verbrechen geschah.
Der 14-jährige Leon, ein bis dahin nach außen hin völlig unauffälliger Bub - freundlich, hilfsbereit, wohlerzogen - tötete seinen Vater, Thomas O. (52), und verletzte die Mutter schwer. Nachdem er mit den beiden einen gemütlichen Fernsehabend verbracht hatte.
„Bis zum Einschlafen“, erinnert sich Andrea W. (53), „haben wir mit unserem Sohn gelacht und gescherzt, es gab keinen Streit, alles war harmonisch ...“
Und dann hielt er ein Messer in der Hand
Aber dann stand Leon plötzlich mit einem Messer in der Hand im Zimmer und stach auf seinen Vater ein. Die Frau wollte ihrem Mann helfen, in der Folge attackierte der Bub auch sie: „,Leon‘, schrie ich, ,was ist passiert?!‘“
Die Motive der Tat - bis heute unverständlich. In der Familienanamnese sind keine negativen Faktoren festzumachen, im Gegenteil, der Bursch wuchs in behüteten Verhältnissen auf, „in einem Paradies“, wie Nachbarn erzählen, mit seinem um vier Jahre älteren Bruder.
Die Gräueltat eines ganz normalen Buben
Nie war Leon, „dieses Bilderbuch-Kind“, vor dem Drama wegen Gewaltaktionen aufgefallen, immer sei das Verhältnis zu seinen Eltern - Inhabern eines kleinen Erdbau-Unternehmens - gut gewesen.
„Ich verstehe nicht, wie ich dazu fähig sein konnte, meinen geliebten Papa umzubringen“, sagte Leon bei seiner Verhaftung, sagte er in sämtlichen Verhören, sagte er bei seinem Prozess, sagt er bis jetzt.
Am 30. Oktober wurde er im Landesgericht Feldkirch des Mordes schuldig gesprochen und zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Laut zwei erfahrenen Psychiatern - Reinhard Haller und Katrin Sevecke - gilt der Bursch als voll zurechnungsfähig, er leidet an keiner geistigen Störung. Womit sein fürchterliches Handeln noch absurder scheint.
Seit er zwölf war, hatte er Mordfantasien
Die Erklärungsversuche der Seelenärzte: Viele Jugendliche haben Mordgedanken, sie überlegen, wie es wäre, einen Menschen oder ein Tier zu vernichten, und entwerfen dazu Szenarien. Fantasien, die allerdings sehr selten in die Realität umgesetzt werden - und in der Regel mit dem Älterwerden verschwinden.
Auch Leon hatte „Ideen vom Killen“, seit seinem zwölften Lebensjahr, wie er zugibt, doch sie seien nicht auf bestimmte Personen bezogen gewesen, „schon gar nicht auf eines meiner Familienmitglieder“.
Die Auseinandersetzung mit dem Bösen sei für ihn „einfach ein Spiel“ gewesen, das er angeblich „niemals in echt durchführen wollte“.
Dennoch hat er es getan. Warum? Ist sein Ich doch irgendwie „anders“?
Die einzige diagnostizierbare Auffälligkeit an ihm: eine leichte Störung in der Persönlichkeitsentwicklung, die sich in dem Zwang, akribisch Dinge ordnen zu müssen, äußert. Ebenfalls ein bei Pubertierenden nicht selten auftretendes „Phänomen“.
Und so seltsam es klingen mag - die Gutachter halten Leon nicht für gefährlich. Weitere Straftaten mit schweren Folgen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von ihm zu befürchten.
Das Resümee der Experten: Es gibt eben Verhaltensweisen, die selbst für Wissenschaftler ein Rätsel sind.
Leons Situation jetzt: Er ist in einer Einzelzelle untergebracht, gilt als Musterhäftling. Hat keine Auseinandersetzungen mit anderen Insassen, zeigt sich umgänglich, höflich. Wird hinter Gittern unterrichtet, verrichtet Hausarbeiter-Dienste, malt in seiner Freizeit Bilder, für seine Mutter - und für Freunde.
Und er hat Albträume und weint viel. „Weil er nicht damit fertigwird, für den Tod seines geliebten Papas verantwortlich zu sein“, schluchzt seine Mutter. „Er ist ja derselbe liebe Bub, der er stets war“, sagt die Frau auch.
Sie hat Leon die Tat verziehen, genauso wie sein Bruder: „Wir wissen es einfach: Er ist nicht bei sich gewesen, als er sie begangen hat.“ Seinen leeren Blick, damals, danach, „werde ich nie aus meinem Kopf bekommen“.
Wird Leon nun noch ein Prozess gemacht?
Dieser „leere Blick“ - vielleicht doch ein Symptom für eine Anomalie?
Eine Anomalie, die - wie Astrid Nagel, die Verteidigerin des Burschen, und Andrea Concin, die Anwältin seiner Mutter, meinen - „nicht durch psychiatrische Analysen erfassbar ist, aber vielleicht mithilfe medizinischer Verfahren nachweisbar sein könnte“.
Die Juristinnen beziehen sich dabei auf den Tipp eines anerkannten Wiener Neurologen, der in der „Krone“ über Leons Fall gelesen hat - und sich daraufhin bei ihnen meldete.
Seine Vermutung: Möglicherweise habe eine seltene Form von Epilepsie bei dem Schüler eine kurz aufklingende Wesensveränderung hervorgerufen.
Nahe Verwandte Leons leiden an dieser Krankheit. Sollten nun ein Gehirn-MRT und ein Langzeit-EEG den Beweis für eine erbliche Vorbelastung ergeben, „hätte der Bub sein Verbrechen in einem Trance- Zustand begangen“.
Folglich würde er wahrscheinlich als unzurechnungsfähig gelten und bei einem Prozess in zweiter Instanz einen Freispruch bekommen. Andrea W. hofft innigst auf eine Urteilsrevidierung: „Weil mein Sohn und ich dann endlich eine Erklärung bekämen, für das Unverständliche.“
Und wenn die neuen Tests keine Hinweise auf ein „Blackout“ zum Tatzeitpunkt ergeben?
„Wird sich an meinen Gefühlen für Leon nichts ändern. Denn er ist mein Kind, und ich werde niemals aufhören, ihn zu lieben …“
Vorarlberg: 14-Jähriger tötete Vater - Attacke auf schlafenden 51-Jährigen
24.09.2017 10:08 (Akt. 24.09.2017 14:52)
Götzis - Ein 14-Jähriger hat in der Nacht auf Sonntag in Götzis seinen im Wohnzimmer schlafenden Vater mit einem Küchenmesser lebensgefährlich und seine Mutter, die ihrem Mann zu Hilfe eilte, schwer verletzt. Anschließend fügte er sich selbst Stichwunden zu. Der Vater verstarb laut Polizei noch in der Nacht im Krankenhaus. Das Motiv der Tat war am Sonntagvormittag noch unklar.
Götzis: 14-Jähriger attackiert Eltern
Nach dem Stand der ersten Ermittlungen ging der 14-Jährige gegen Mitternacht auf seinen im Wohnzimmer schlafenden 51 Jahre alten Vater los und versetzte ihm mit einem längeren Küchenmesser mehrere Stiche in den Bauch. Dadurch wurde die im Schlafzimmer schlafende 52-jährige Mutter wach. Als sie ihrem Mann zu Hilfe eilte und versuchte, den Jugendlichen wegzuziehen, attackierte er auch sie und verletzte sie mit mehreren Messerstichen in den Rücken schwer. Anschließend schnitt er sich mit dem Messer zweimal in den Hals, teilte das Landeskriminalamt mit. Seine Verletzungen können aber als leicht bezeichnet werden, sagte Chefermittler Nobert Schwendinger.
Nachbarn verständigten Einsatzkräfte
Nachbarn, die Lärm gehört hatten, verständigten die Einsatzkräfte. Die schwerverletzten Eltern und der 14-Jährige wurden nach der Erstversorgung von der Rettung in die umliegenden Krankenhäuser eingeliefert. Der Vater erlag noch in der Nacht im Landeskrankenhaus Feldkirch seinen schweren Stichverletzungen. Die Mutter sie zwar schwer, allerdings nicht lebensgefährlich verletzt, hieß es seitens der Polizei. Der 14-Jährige stehe im Spital unter Polizeiaufsicht.
Motiv unklar
Das Motiv für die Tat war Sonntagmittag noch unklar. Der Messerattacke war kein Streit vorausgegangen, der Abend sei völlig ruhig verlaufen, sagte der Kriminalpolizist der APA. Auch seien nach den Erstbefragungen keine Probleme innerhalb der Familie bekannt. Der 14-Jährige war laut Polizei bisher unbescholten. Ermittelt wird gegen den Schüler wegen Mordes und versuchten Mordes. Die Polizei zog auch eine psychische Erkrankung des Jugendlichen in Betracht. “Das ist vorerst eine reine Mutmaßung aufgrund der Vorgangsweise”, präzisierte Schwendinger.
Derzeit kläre man ab, wann der 14-Jährige und seine Mutter aus ärztlicher Sicht einvernommen werden können, so Schwendinger. Nach Abschluss der Ermittlungen wird der Jugendliche voraussichtlich in die Justizanstalt Feldkirch eingeliefert. Der Leichnam des Vaters wurde noch am Sonntag zur Obduktion in die Gerichtsmedizin in Innsbruck gebracht.
Zum Tatzeitpunkt waren nur der Vater, die Mutter und der 14-Jährige zuhause. Ein weiterer Sohn hielt sich außer Haus auf.
Zweite Familientragödie innerhalb einer Woche
In Vorarlberg ist dies die zweite Familientragödie innerhalb einer Woche. Erst am vergangenen Wochenende hatte ein Familienvater in Hohenems seine Frau und seine beiden Töchter mit einem Messer getötet und sich anschließend selbst umgebracht.