Prozess um Gesichtsverstümmelung wird neu aufgerollt 29.05.18 13:56
Hanau - Ein Prozess um eine grausame Gesichtsverstümmelung muss am Landgericht Hanau neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe habe das Urteil aufgehoben.
Der Fall, der viel Aufsehen erregt hatte, müsse an einer anderen Kammer neu verhandelt werden, teilte die Staatsanwaltschaft Hanau auf Anfrage am Dienstag mit. Ein Flüchtling aus Eritrea war Ende Juni 2017 zu neuneinhalb Jahren Gefängnis wegen versuchten Totschlags und schwerer sowie gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Er hatte nach Überzeugung des Gerichts im Oktober 2016 einen Flüchtling (18) aus Somalia bei einem Besuch in dessen Wohnung in Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) schwer misshandelt. Bei einem Streit hatte er ihm mit zwei Messern in den Hals gestochen. Danach soll er ihm mit Stichen und Schnitten das Gesicht entstellt haben. Augen und Ohren wurden schwer verletzt. Das Opfer ist seither nahezu blind.
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Der BGH bemängelte, dass der Sachverhalt im Urteil unzureichend dargestellt worden sei. Das oberste deutsche Strafgericht vermisste auch eine inhaltliche Begründung der Handlungsziele des Verurteilten. Es ergebe sich aus dem Urteil nicht ausreichend, warum der Verurteilte nach anfänglichem Einstechen mit Tötungsvorsatz auf das Opfer seinen Tötungswillen aufgegeben haben soll, um den Geschädigten nur noch zu quälen, obwohl er diesen kontinuierlich weiter misshandelte, bis die Polizei ihn vom Opfer trennte, hieß es von Seiten des BGH. (dpa)
Prozess Opfer berichtet von Todesdrohungen: „Ich will dich fressen” 22.10.2018 Im Revisionsprozess um eine Gesichtsverstümmelung hat das Opfer erstmals von seinem Martyrium berichtet. Als Zeuge sagte der 20-Jährige am Montag vor dem Landgericht Hanau aus, wie der mutmaßliche Täter auf ihn eingestochen und dann in seine Ohren gebissen habe.
Hanau. Im Revisionsprozess um eine Gesichtsverstümmelung hat das Opfer erstmals von seinem Martyrium berichtet. Als Zeuge sagte der 20-Jährige am Montag vor dem Landgericht Hanau aus, wie der mutmaßliche Täter auf ihn eingestochen und dann in seine Ohren gebissen habe. Er habe Kaugeräusche des auf ihm sitzenden Angreifers wahrgenommen und könne sich an Todesdrohungen erinnern: „Ich werde dich umbringen”. Und: „Ich werde dich fressen”. Zudem habe der Täter ihm mit einem Messer nach Hieben in den Hals auch in die Augen gestochen.
Zu der brutalen Tat soll es im Oktober 2016 in Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) zwischen den beiden Flüchtlingen gekommen sein. Das Opfer aus Somalia besuchte den befreundeten Flüchtling aus Eritrea in dessen Wohnung. Dort soll der Täter laut Anklage mit zwei Messern in den Hals des damals 18-Jährigen gestochen haben. Danach soll er ihm mit Stichen und Schnitten das Gesicht entstellt haben. Augen und Ohren wurden schwer verletzt. Das Opfer ist seither nahezu blind. Der Angeklagte konnte sich an die vom Opfer geschilderten Details nicht erinnern, wie er am Montag über seinen Rechtsbeistand angab.
Der Angeklagte war Ende Juni 2017 zu neuneinhalb Jahren Haft wegen versuchten Totschlags und schwerer sowie gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Das Landgericht muss sich erneut mit dem Fall befassen, weil der Bundesgerichtshof das erste Urteil wegen Rechtsfehlern aufhob.
Revisionsprozess in Hanau "Beispielloser Sadismus": Lange Haft für Gesichtsverstümmelung Veröffentlicht am 06.12.18 um 15:41 Uhr
Für die Staatsanwaltschaft war es "eine der schrecklichsten Taten", die je in Hanau verhandelt wurden: Für die grausame Folter eines 18-Jährigen ist ein Mann in Hanau zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden.
Mit einer längeren Haftstrafe ist der Revisionsprozess um eine grausame Gesichtsverstümmelung unter Flüchtlingen zu Ende gegangen. Das Landgericht Hanau verurteilte den Angeklagten aus Eritrea am Donnerstag zu zwölf Jahren Gefängnis wegen gefährlicher und beabsichtigter schwerer Körperverletzung. Der Vorsitzende Richter Peter Graßmück sagte, es sei purer Zufall gewesen, dass das Opfer den Gewaltexzess überlebt habe.
Mit dem Richterspruch verlängerte sich die verhängte Freiheitsstrafe im Vergleich zum ersten Prozess deutlich: Der Mann war im Juni 2017 zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden, unter anderem wegen versuchten Totschlags. Das Landgericht musste sich erneut mit dem Fall befassen, weil der Bundesgerichtshof das erste Urteil wegen Rechtsfehlern aufgehoben hatte.
Die Staatsanwaltschaft hatte am Donnerstag bei den Plädoyers 15 Jahre Haft und damit die Höchststrafe in dem Fall gefordert. Der Anklagevertreter sprach von "beispiellosem Sadismus" des Angeklagten. Die Verteidigung befand in ihrem Schlussvortrag, die Strafe solle neuneinhalb Jahre nicht übersteigen.
"Physisch und psychisch vernichtet" Zur Tat kam es im Oktober 2016 in einer Wohnung in Schlüchtern (Main-Kinzig). Dort soll der Mann aus Eritrea dem damals 18-jährigen Somalier in den Hals gestochen haben. Danach soll er ihm mit Stichen und Schnitten von Messern und sogar Bissen das Gesicht entstellt haben. Augen und Ohren wurden schwer verletzt. Das Opfer ist seither nahezu blind.
Staatsanwalt Mathias Pleuser sagte in seinem Plädoyer, das Opfer sei "physisch und psychisch vernichtet" worden. Angesichts der "Akribie", mit der der Täter vorgegangen sei, habe das Opfer noch "Glück im Unglück gehabt", die "Folter" überhaupt überlebt zu haben. "Das ist eine der schrecklichsten Taten, die je in diesem Gerichtssaal verhandelt wurden", sagte er über den voll schuldfähigen Täter.
Verurteilt wurde der Eritreer nicht wegen versuchten Totschlags. Er sei während des Tatgeschehens von seinem Vorsatz abgerückt. Er habe nicht so agiert, als ob er seinen Entschluss vollenden wollte. Vielmehr sei es ein Quälen und Misshandeln gewesen, nachdem das Opfer kampfunfähig war, begründete das Gericht.
Täter und Opfer waren befreundet Der Angeklagte gab im Prozessverlauf an, sich an die vom Opfer geschilderten Vorgänge nicht erinnern zu können. Seine Version des Treffens in der Wohnung: Sie hätte auf einer Spielkonsole gezockt. Der Somalier, das spätere Opfer, habe gewonnen, ihn ausgelacht und verhöhnt und den Kreuz-Anhänger von seiner Kette abgerissen. Der mutmaßliche Täter ist Christ, das Opfer Muslim. Die beiden jungen Männer, die vor ein paar Jahren als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren und sich in einer Jugendhilfeeinrichtung kennenlernten, waren befreundet.
Im Prozessverlauf war zwar mal die Rede von Streit um Geld zwischen den beiden Flüchtlingen. Aber Staatsanwalt Pleuser befand letztlich: Eine nachvollziehbare Erklärung für die Tat habe der Prozess nicht erbracht. Alle Versuche, das Motiv zu finden, seien gescheitert.
Verteidigung kündigt Revision an Bei einer Vernehmung im Gerichtssaal berichtete das schwer gezeichnete Opfer im Oktober vom Martyrium, wie der mutmaßliche Täter auf ihn eingestochen und in seine Ohren gebissen habe. Er habe Kaugeräusche des auf ihm sitzenden Angreifers wahrgenommen und könne sich an Drohungen erinnern: "Ich werde dich umbringen". Und: "Ich werde dich fressen". Von Kannibalismus wurde im Prozess mal gesprochen. Der Verteidiger sagte am Donnerstag, im Angeklagten stecke offenbar eine schwer gestörte Persönlichkeit, die Hilfe benötige.
Die Verteidigung zeigte sich mit dem erhöhten Strafmaß unzufrieden. Der Rechtsanwalt kündigte an, in Revision gehen zu wollen. Der Staatsanwalt sagte, er wolle diese Option prüfen. Er sei aber geneigt - auch im Sinne des Rechtsfriedens - das Urteil zu akzeptieren.