15:17 01.03.2018 Brandenburg Informationsleck in Brandenburg
Datenverrat: Jetzt greift die Polizei Brandenburg durch
Tatortdetails zum Mord in Mögelin, Unfälle von Politikern, Übergriffe in Cottbus: Informationen aus einem polizeiinternen digitalen Logbuch der Brandenburger Polizei gelangen regelmäßig unautorisiert an die Öffentlichkeit. Jetzt greift das Präsidium durch und sperrt 5000 Beamten die Zugänge.
Brandenburgs Polizei geht gegen ein unkontrolliertes Informationsleck vor: Weil Polizeibeamte Interna zu Straftaten auf Facebook veröffentlicht und an Medien weitergegeben haben, hat das Polizeipräsidium 5000 Beamten den Zugang zu einem wichtigen Online-Logbuch gesperrt. Das bestätigte Präsidiumssprecher Torsten Herbst der MAZ. Damit sind rund zwei Drittel aller Polizeibeamten von der Sanktion betroffen. Das System („Web-View“), in dem die Tatortarbeit mit Uhrzeiten, Handgriffen und Persönlichkeitsdaten von Opfern, Zeugen und Verdächtigen gespeichert wird, sei zwei Tage lang nicht einsehbar gewesen, sagte Herbst. Jetzt müssen alle Beamten um einen Zugang bitten – die Freigabe wird im Einzelfall geprüft. Zudem wurde eine präsidiumsinterne Arbeitsgruppe zur Klärung der Vorfälle gebildet.
Sensible Informationen zu spektakulären Ermittlungen
Konkret betreffen die Durchstechereien vier spektakuläre Fälle: Als ein 15 Jahre alter Syrer im Januar einen 16 Jahre alten Cottbuser mit einem Messer im Gesicht verletzte, erschienen Passagen des digitalen Tagebuchs auf Facebook. „Es waren persönliche Daten von Geschädigten darunter – Angehörige und Zeugen regen sich zu Recht auf“, sagte Herbst. Derzeit ermittelt das Landeskriminalamt wegen Geheimnisverrats.
Als der Dienstwagen von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im Mai 2017 in Potsdam gegen einen Zaun prallte, weil der Fahrer einen Schwächeanfall hatte, landeten Polizeiinterna in den Medien. Eine undichte Stelle gab es auch, als Anfang Januar der Dienst-BMW der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bei Ferch (Potsdam-Mittelmark) in eine Leitplanke krachte. Wieder standen sensible Details in der Öffentlichkeit.
Das Fass zum Überlaufen brachte die Berichterstattung einer Boulevardzeitung über den gewaltsamen Tod einer Jägerin bei Mögelin (Havelland) am 10. Februar. Das Blatt hatte detailliert geschildert, in welcher Minute Beamte Patronenhülsen hinter dem Auto der Getöteten fanden und wie Kriminalisten bei einem Mann Hände auf Spuren untersuchten. Die Informationen konnten laut Polizei nur aus der internen Einsatzdokumentation stammen.
„Wir werfen Journalisten nicht vor, dass sie Quellen nutzen, aber Polizisten machen sich strafbar, wenn sie solche sensiblen Informationen verbreiten“, so Präsidiumssprecher Herbst. „Niemand muss wissen, wie wir Hände auf Spuren untersuchen“.
„Es darf nicht sein, dass komplette Akten rausrutschen“, sagt Andreas Schuster, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Brandenburg. Es sei unverständlich, warum so viele Beamte Zugang zu dem System gehabt hätten. „Es gab keine Kriterien, nach denen jemand Zugang bekommt“, so der Gewerkschaftler. „Web-View ist die Bild-Zeitung der Polizei – jeder schaut, wo es etwas Interessantes gibt“, sagt Schuster. Nun müssten alle Direktionen neue Zugänge beantragen. „Es muss eine Beschränkung auf das Notwendige geben“, fordert er.