Missbrauchsprozess in Mönchengladbach Biker geben Kind Geleitschutz zum Gericht
Mönchengladbach. Rund 20 Mitglieder des Motorradclubs Baca haben in Mönchengladbach ein Mädchen zum Landgericht begleitet. Die Biker haben es sich zur Aufgabe gemacht, Missbrauchsopfer zu schützen. Von Laura Harlos?
In Lederjacke gehüllt gehen sie dicht gedrängt nebeneinander. Die rund 20 Männer und Frauen bilden eine Art Schutzmauer um das junge Mädchen. Sein Gesicht ist auf dem Weg vom Parkhaus Richtung Landgericht nicht zu erkennen. Das Kind soll als Zeuge aussagen. Angeklagt ist der Großvater, der verdächtigt wird, seine Enkelin missbraucht zu haben.
Die Biker des Vereins Baca (Bikers against child abuse, übersetzt: Motorradfahrer gegen Kindesmissbrauch) wollen das Mädchen bei seinem Gerichtstermin durch ihre Präsenz stärken. Es soll keine Angst vor seiner Aussage haben, sich von niemandem eingeschüchtert fühlen. "Wir wollen Kindern, die Opfer von Missbrauch geworden sind, die Kraft geben, ohne Angst leben zu können", sagt "Snapshot", Baca-Pressesprecher für den Bereich Rhein-Ruhr. Nach außen hin bleiben die Biker anonym - zum Selbstschutz. Deswegen erhält jedes Mitglied einen "Roadname" (Straßennamen), der vorne auf die Kutte gestickt wird.
In voller Biker-Montur begleitet Baca das Mädchen bis vor die Eingangstüren des Landgerichts. Dann verkleinert sich die Gruppe. Vier Mitglieder dürfen mit in den Gerichtssaal zur nicht öffentlichen Verhandlung - ohne Kutte und ausschließlich mit weißem Hemd als Oberteil. Das war die Bedingung des Richters. "Generell finden wir es gut, dass die Gruppe Kinder bei ihrer Aussage unterstützt und ihnen Halt gibt", sagt Fabian Novara, Sprecher am Landgericht. "Dennoch darf die äußere Erscheinung einzelner Personen nicht zu Einschüchterung des Angeklagten führen." Denn es gelte: Jeder ist unschuldig, solange nicht das Gegenteil bewiesen wurde.
"Mit den Tätern haben wir nichts zu tun, Recht spricht das Gericht", verdeutlicht Biker Snapshot. "Unser Aussehen soll auch niemanden abschrecken, vielmehr soll man Respekt vor uns haben." Das Symbol von Baca ist eine geballte Faust. Dennoch betont der Verein, dass er weder eine Schlägertruppe sei, noch würde er sich in Strafprozesse einmischen.
Eine geballte Faust, die aber kein Symbol für Gewalt sein soll: das Baca-Logo. FOTO: Bauch Jana
Eine Kutte, zwei Paten
In Deutschland bildeten sich seit dem Start von Baca im Jahr 1995 neun Zweigstellen mit insgesamt rund 500 Mitgliedern. So findet sich die Biker-Gruppe im nördlichen Quickborn in Schleswig-Holstein genauso wie in der bayerischen Landeshauptstadt München. Baca arbeitet mit lokalen und staatlichen Kinderschutzorganisationen zusammen. Dennoch wird der Verein erst tätig, wenn Kind und Eltern auf die Biker zukommen.
Für die Aufnahme in den Verein hat Baca eigene Kriterien entwickelt: So kann ein Kind nur geschützt werden, wenn das Sorgerecht nicht beim mutmaßlichen Täter liegt. Zudem muss eine Anzeige vorliegen. "Sonst könnte ja jeder anrufen und eine Schutztruppe für ein Kind organisieren", sagt Snapshot.
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Ist ein Kind in den Kreis der Biker aufgenommen worden, bekommt es eine eigene Kutte und zwei Paten zugeteilt. Begleitet werden die Kinder nicht nur am Tag des Gerichtstermins, auch ein Schutz rund um die Uhr ist möglich. Nicht selten würden Angeklagte versuchen, vor der Verhandlung Einfluss auf das Kind zu nehmen. "Wir stehen dann mit zwei Mann schichtweise vor dem Haus", berichtet Snapshot. Auch habe er schon erlebt, dass der Anwalt des Angeklagten in der Verhandlungspause mit dem Kind reden wollte. "Wir stellen uns um das Kind herum. Das ist Passiver Widerstand." Als das Mädchen das Gericht nach sechs Stunden verlässt, wird es von den Bikern wieder empfangen. Dann geht es im Schutz der Kutten Richtung Parkhaus.
07.09.2020 13:55 1.184 "Kinder getauscht wie Sexspielzeug": Welche Strafen erwarten die Angeklagten?
Mönchengladbach – Im Prozess wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs vor dem Landgericht Mönchengladbach sollen die beiden angeklagten Männer (beide 39) nach dem Willen der Staatsanwaltschaft jeweils weit über zehn Jahre ins Gefängnis.
In dem ersten landesweiten Prozess aus dem Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach beantragte die Anklage am Montag entsprechende Strafen von 13 Jahren und neun Monaten sowie von 14,5 Jahren für die beiden Angeklagten.
Die aus Viersen und Krefeld stammenden Männer sollen teilweise gemeinschaftlich schweren sexuellen Kindesmissbrauch in mehr als 100 Fällen begangen haben.
Zudem sind sie wegen Herstellung, Verbreitung und Besitzes kinderpornografischer Schriften angeklagt.
Dem Mann aus Krefeld hielt die Staatsanwältin zugute, dass er kurz nach seiner Festnahme Anfang November 2019 ein umfassendes Geständnis abgelegt und so den Opfern die Aussage vor Gericht erspart hatte. Außerdem habe er geholfen, andere Täter zu ermitteln und Taten aufzuklären.
Der 39-Jährige hatte zugegeben, seine heute elfjährige Tochter seit 2016 regelmäßig schwer sexuell missbraucht zu haben.
Ein weiteres Opfer – die jetzt zwölfjährige Nichte des Mitangeklagten – sollen die beiden Männer ab dem Frühjahr 2017 gemeinsam missbraucht haben.
Männer schufen für ihre Opfer eine "Atmosphäre der Angst und Einschüchterung"
Die beiden mutmaßlichen Missbrauchstäter (beide 39) müssen sich vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten.
Der zweite Angeklagte aus Viersen hatte im Prozess zwar zugegeben, sich seit 2015 zum Teil massiv an seiner Nichte vergangen zu haben. Er räumte ein Drittel der angeklagten Taten ein und schwieg zum Vorwurf des gemeinschaftlichen Missbrauchs.
Die Staatsanwältin sagte, die Angeklagten hätten "die Kinder getauscht wie Sexspielzeug". Und weiter: "Sie haben bei den Kindern eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung geschaffen". Dazu hätten sie ein System mit Geld- und Sachgeschenken etabliert, das gezielt auf Belohnung und Gewöhnung ausgerichtet war.
Der Verteidiger des Vaters aus Krefeld beantragte am Montag eine Strafe von höchstens neuneinhalb Jahren für seinen Mandanten. Für den zweiten Angeklagten beantragte dessen Verteidiger sieben Jahre. Nach 20 Prozesstagen sollen die Urteile am Freitagnachmittag verkündet werden.
Kennengelernt hatten sich die Männer über eine Internetplattform für Pädophile. Der Missbrauchsskandal war zuerst in Bergisch Gladbach aufgedeckt worden.
Insgesamt gibt es in dem Komplex deutschlandweit inzwischen mehr als 200 identifizierte Beschuldigte.
Es gab bereits erste Urteile. Vor dem Kölner Landgericht begann Mitte August auch der Prozess gegen einen 43-Jährigen aus Bergisch Gladbach, bei dem der gesamte Fall seinen Ausgang genommen hatte. Im Haus des Familienvaters hatten Ermittler im vergangenen Oktober Unmengen kinderpornografischer Daten gefunden.
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