"Barbie und Ken" - dieses Serienkillerpaar ist Kanadas großes Trauma
Sie sahen aus wie Highschool-Sweethearts, aber tiefer konnten die Abgründe hinter der Fassade nicht sein: Paul Bernardo und Karla Homolka folterten, vergewaltigten und töteten junge Mädchen. Bis heute hat ein ganzes Land mit der Erinnerung an die Horrortaten zu kämpfen.
Als Karla Homolka im Jahr 1993 zur Polizei geht, ist die Gelegenheit günstig: Ihr Ehemann Paul Bernardo hat sie mal wieder geschlagen und ziemlich übel zugerichtet. Es ist der perfekte Moment, ihn zur treibenden Kraft zu machen, zum Kopf des Serienkillerpaares, das auf die Kanadier Anfang der Neunziger Jahre so eine morbide Faszination ausübt. Der perfekte Moment, um aus Täterin Homolka das Opfer eines gewalttätigen Partners zu machen.
Diesen Moment erkennen auch die Anwälte der damals 22-Jährigen. Sie handeln mit den Ermittlern eine Abmachung aus, die von der Presse später als "Pakt mit dem Teufel" und "schlechtester Deal der kanadischen Geschichte" bezeichnet wird: Homolka bekennt sich zu Totschlag und sagt im Prozess als Kronzeugin gegen ihren Partner Paul aus. Zusammen mit ihm hatte die blonde Tierarzthelferin 1991 zunächst ein 15-jähriges Schulmädchen und ein Jahr später eine 14-Jährige in ihr Haus verschleppt und tagelang gefoltert. Bernardo vergewaltigte die Teenager und strangulierte sie schließlich. Außerdem filmte das sadistische Paar seine Horrortaten.
Die eigene Schwester als "Weihnachtsgeschenk"
Bernardo, der schon vor den Morden zahlreiche Frauen im Großraum Toronto vergewaltigt hatte, wird zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, Homolka kommt mit zwölf Jahren im Gefängnis davon. Doch kurz nach dem Prozess tauchen die Videobänder der Verbrechen auf und zeigen Homolka als aktive und lustvolle Sadistin. Es stellt sich heraus, dass die Entführung der Mädchen und deren Haltung als "Sexsklavinnen" sogar ihre Idee war - und dass die Geschichte der "Ken-und-Barbie-Killer", wie die Presse das Paar tauft, noch eine besonders bizarre Episode beinhaltet.
Denn es gibt noch ein drittes Opfer.
Die grausame Geschichte eines Serienmörders, der viel zu lange davonkam Von Tim Sohr
Bereits zum Weihnachtsfest 1990 "schenkte" Homolka ihrem damaligen Verlobten ein 15-jähriges Mädchen: ihre eigene Schwester Tammy, die unter Drogen gesetzt und von Bernardo vergewaltigt wurde, bevor sie entweder an ihrem Erbrochenen erstickte oder an dem Betäubungsmittel, das Homolka aus der Tierarztpraxis entwendet hatte, starb. Ersteres ist die offizielle Version, letzteres der Verdacht der Ermittler. Strafrechtlich spielt es keine Rolle mehr, da zum Zeitpunkt der Enthüllungen der Deal der Anwälte nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Tammy war insofern ein "besonderes" Geschenk für Bernardo, als dass sie zu diesem Zeitpunkt noch Jungfrau war. Damit sollte sie als "Ersatz" für Karla fungieren, die bereits Geschlechtsverkehr gehabt hatte, als sie Bernardo mit 17 Jahren kennen lernte - ein Umstand, der bei ihm immer wieder für Unmut sorgte.
Während ihrer Zeit im Gefängnis wird Homolka immer wieder zum Thema in den kanadischen Medien: Bilder von Sonnenbädern auf dem Gefängnishof und von Partys mit anderen Häftlingen machen ebenso die Runde wie Gerüchte über lesbische Liebesbeziehungen mit Insassinnen. Die Empörung in der Öffentlichkeit wird mit jeder weiteren Meldung nur größer - zu traumatisch sind die Erinnerungen an jene Enthüllungen, die über ein Jahrzehnt zuvor ein ganzes Land schockiert hatten. Homolka in Freiheit: "Zustand des Schreckens"
Als Homolka im Juli 2005 unter zahlreichen Auflagen aus der Haft entlassen wird, herrscht in Kanada endgültig blankes Entsetzen - auch wenn ihr Anwalt betont, dass seine Mandantin große Angst vor dem Leben in Freiheit habe und sich darüber in einem "Zustand des Schreckens" befinde. Heute lebt Homolka in Montreal. Sie ist verheiratet mit dem Bruder ihres Anwalts. Das Paar hat einen Sohn, an dessen Grundschule die 47-Jährige gelegentlich als freiwillige Helferin arbeitet. Bernardo verbüßt seine lebenslange Haftstrafe weiterhin in einem Hochsicherheitsgefängnis in Ontario.