Verdächtiger gefasst Mord? 33-Jährige liegt tot in ihrem Zimmer in Ingolstadt sx , 07.09.2017 - 12:30 Uhr
Die Polizei hat in Ingolstadt eine 33 Jahre alte Frau tot in ihrem Zimmer in einer Sozialunterkunft aufgefunden. Die Kripo hat nun einen Tatverdächtigen festgenommen. Der 48-Jährige war zunächst nicht auffindbar.
Ingolstadt - Es war am Dienstagvormittag, als Polizei und Rettungsdienst zu einer Sozialunterkunft im Ingolstädter Süden gerufen wurden. Eine 33 Jahre alte Frau lag dort tot in ihrem Zimmer. Eine Obduktion am Mittwoch ergab, dass die Frau durch erhebliche Kopfverletzungen starb, vermutlich durch Faustschläge.
Es soll oft Streit gegeben haben Die Polizei ermittelt gegen einen 48 Jahre alten Tatverdächtigen ohne Wohnsitz. Er hatte selbst den Tod der Frau mitgeteilt und laut den Beamten regelmäßig Kontakt zu der Toten. Er hatte bis vor kurzem ebenfalls in der Unterkunft gewohnt.
Im Alkoholrausch soll es wiederholt handfesten Streit zwischen den beiden gegeben haben. Am Mittwoch wurde der zunächst untergetauchte Mann in Ingolstadt festgenommen. Er konnte vorerst nicht vernommen werden. Noch am Donnerstag sollte entschieden werden, ob der 48-Jährige in Untersuchungshaft kommt, wie die Polizei mitteilte.
"Nur mit Saufen beschäftigt" INGOLSTADT erstellt am 25.10.2018 um 10:00 Uhr aktualisiert am 29.10.2018 um 03:33 Uhr
Ingolstadt (DK) Der Tod einer 34-Jährigen in der städtischen Obdachlosenunterkunft am Franziskanerwasser hat im September vor einem Jahr das Milieu erschüttert. Ihrem 49-jährigen Lebensgefährten wirft die Staatsanwaltschaft Totschlag vor. Beim Prozessauftakt gestern am Ingolstädter Landgericht sprach der Angeklagte sehr offen und gab in einem Teilgeständnis die mehrfache Misshandlung der Frau über Monate zu. Aus der verhängnisvollen Nacht seien ihm aber keine Schläge in Erinnerung.
Vom äußerlichen Erscheinungsbild und dem Inhalt seiner Schilderungen her sehen sich die Zuhörer im für einen Totschlagsprozess eher spärlich gefüllten Sitzungssaal des Landgerichts gleich in das Obdachlosenmilieu gerückt. Graue Locken, ein wilder Vollbart. Dazu Sätze wie: „Wir waren ja nur mit Saufen beschäftigt“. Doch wie der 49-Jährige spricht, das passt so gar nicht zu den Stereotypen vom alkoholabhängigen Saufbruder. Der Auftritt des Angeklagten ist mit viel und eben unerwarteter Selbstreflexion sowie ausgewählten Worten verbunden, die das Geschehene nur noch umso erschütternder wirken lassen. Denn dem gelernten Betriebsschlosser, der auch eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger absolviert hat, wird nichts weniger vorgeworfen, als dass er seine 34-jährige Lebens- und Saufgefährtin totgeschlagen hat.
Tod im Obdachlosenheim Prozessauftakt: Vor rund einem Jahr starb eine 34-jährige Frau in der Obdachlosenunterkunft am Franziskanerwasser. Seit diesem Donnerstag muss sich ein 49-Jähriger wegen Totschlags vor dem Landgericht verantworten Der Angeklagte legte ein Teilgeständnis ab. Johannes Hauser Über Monate schon soll er sie davor grün und blau geprügelt haben, ihr dabei auch einmal die Nase gebrochen haben, sodass die Frau zwei Tage im Dachauer Krankenhaus stationär versorgt werden musste. Vier Fälle von gefährlicher Körperverletzung sind (zusätzlich zum Vorwurf des Totschlags) in der Anklage aufgeführt. „Das stimmt alles“, sagt der Angeklagte gestern schonungslos offen. „Ich habe sie mehrfach geschlagen, auch weit häufiger als da drinsteht.“ Die Bilder aus den Akten, die sich das Gericht natürlich anschaute, würden nicht die ganze Wahrheit zu den Verletzungen, zu den blauen Augen und den blauen Flecken, erzählen. „Die hat viel schlimmer ausgeschaut“, sagt der Angeklagte wieder offen.
Natürlich habe er gewusst, was er tut, was er anrichtet, dass er es nicht darf, nicht soll. Doch er schlug immer wieder zu. „Phasenweise, wenn ich meine Ausraster hatte.“ Freilich kann man sich angesichts des Milieus, in das der Ingolstädter nach einem Arbeitsunfall rutschte, hinzudenken, was ihn soweit trieb. „Ich war immer betrunken. Wir waren ja nur mit Saufen beschäftigt“, sagt er. Dann kam die Eifersucht auf, die aufgestaute Wut, wegen Kleinigkeiten oder „Schmarrn“, wie er selbst sagt. „Richtige Gründe habe ich keine. Wenn mir einer einfallen würde, rechtfertigt das aber nicht, was ich getan habe.“
Das klingt dabei nicht nach vorbereiteter Erklärung, nach abgesprochener Verteidigungsstrategie, sondern nach schonungsloser Offenheit. Und er beschreibt dabei alles detailliert und erzählt flüssig. Nur beim Kern des Beziehungsdramas, der Nacht auf den 5. September 2017, sieht das etwas anders aus. Wie der Angeklagte berichtet, lag seine Freundin in der Früh tot ihn ihrem Bett im Zimmer der Obdachlosenunterkunft, während er die Nacht letztlich im Schlafsack verbracht hatte. „Sie war ganz kalt“, sagt er über seine Freundin. Er setzte selbst einen Notruf ab. Aber jede Hilfe kam zu spät. Die Gerichtsmediziner stellten eine massive Gehirnblutung bei der 34-Jährigen fest. Als Verursacher kam für die Staatsanwaltschaft nur einer infrage. Der Angeklagte soll laut Anklage „mit mehrfachen, stumpfen Gewalteinwirkungen, am ehesten im Sinne von Faustschlägen gegen das Gesicht bzw. den Kopf“ der Frau diese tödlich verletzt haben. Er könne sich aber an keinerlei Übergriffe seinerseits an jenem Abend erinnern, beteuert der 49-Jährige. „Ich gehe davon aus, sie nicht geschlagen zu haben.“
Den Abend beschreibt er als relativ harmonisch, mit Geschlechtsverkehr. Man habe natürlich getrunken. Jeden Tag pro Person mindestens eine Flasche Schnaps. Dieses Mal packten sie die zwei Flaschen Obstler nicht ganz. Denn es gab noch sechs Flaschen Bier und „fünf bis sieben Joints“. Ungewöhnlich sei gewesen, dass die Freundin irgendwann weder trinken noch rauchen wollte. Als sie vor dem Schlafengehen aus dem Bad gekommen sei, habe er seltsame Verkrampfungen an ihrer rechten Körperseite bemerkt, die das allererste Mal auftaucht seien. In der Nacht habe er sich um sie gesorgt, aber irgendwann das gemeinsame Bett verlassen.
Man habe doch Zukunftspläne gehabt, sagt der Angeklagte und legt dabei den Kopf in den Nacken. Eine Therapie, für die er die Zusage hatte, Wegziehen, neu anfangen, ohne Alkohol, ohne Drogen, mit Arbeit, weg von den Leuten hier. „Wie irre ich sie geliebt habe“, sagt er noch. Am 5. September 2017 starb dieser Traum für immer.
Ein Urteil in dem Prozess, der auf sieben Verhandlungstage angesetzt ist, wird für Mitte November erwartet.
"Sie hat ein Martyrium durchlitten" INGOLSTADT erstellt am 16.11.2018 um 21:10 Uhr aktualisiert am 21.11.2018 um 03:33 Uhr Ingolstadt (DK) Begleitet von Unmutsbekundungen aus dem Bekanntenkreis der Getöteten, hat das Landgericht am Freitag das Urteil im Ingolstädter Obdachlosenprozess verkündet. Weil er seiner 34-jährigen Freundin mit mindestens einem heftigen Schlag ins Gesicht tödliche Verletzungen zugefügt hat, wurde der 49-jährige Angeklagte zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach einer Alkoholtherapie in einer geschlossen Einrichtung könnte er nach der Hälfte der Zeit auf Bewährung freikommen.
Sie war nach außen hin ein Sonnenschein, in der Regel immer fröhlich, aufgeschlossen und freundlich. So beschrieben Freunde und Bekannte die Frau, die schon vor dem 5. September 2017 in ihrer Beziehung "ein Martyrium durchlitten" hat, wie der Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl am Freitag zusammenfasste. "Fürchterliche Gewalt" musste die 34-Jährige durchstehen, weil sie von ihrem Lebensgefährten über Monate grün und blau geschlagen wurde; er ihr sogar die Nase brach. Und meist "wegen Nichtigkeiten", wie Bösl sagte. "Man kann sich nicht vorstellen, dass sie diese Beziehung aufrechterhalten hat." Doch so sehr die Frau litt, gehört zur Wahrheit der "ambivalenten Beziehung" (Bösl), dass die 34-Jährige sich nicht von ihrem Peiniger trennen wollte, ihn immer wieder zur Rückkehr aufforderte und ihn - obwohl ihr Umfeld sie dazu drängte - nicht für seine Gräueltaten anzeigen wollte. Letztlich bezahlte sie in der Septembernacht dafür mit ihrem Leben.
Wie Bösl als deren Vorsitzender und der Rest der Schwurkammer des hiesigen Landgerichts überzeugt sind, hat der 15 Jahre ältere Lebensgefährte die 34-Jährige in deren Wohnung in der städtischen Obdachlosenunterkunft am Franziskanerwasser totgeschlagen. Mindestens einen nachweisbaren und äußerst wuchtigen Schlag muss der schwere Alkoholiker seiner geliebten Saufkumpanin nach einem gemeinsam durchzechten Abend (fast zwei Flaschen Obstler, sechs Bier und fünf bis sieben Joints) gegen den Kopf versetzt haben. Daraus entstand eine schwere Gehirnblutung. Die Frau lag am nächsten Morgen leblos im Bett. Der 49-Jährige setzte selbst einen Notruf ab. Jede Hilfe kam aber zu spät.
Während er Übergriffe in den Monaten davor komplett gestand, wollte oder konnte sich der Angeklagte an keinen Schlag in der fatalen Nacht erinnern. Doch die Obduktion der Frau hatte zweifelsfrei ergeben, dass sie frische Verletzungen im Gesicht aufwies. Die Schwurkammer war folglich von seinem Angriff überzeugt. Rechtlich ging es deshalb zentral um die Frage, ob der Angeklagte die Frau dabei töten wollte oder ihren Tod zumindest "billigend in Kauf nahm" als er zuschlug, was als Totschlag geahndet wird. Oder ob es eine Körperverletzung mit Todesfolge war - ihm "klar war, dass die massive Gewalt tödliche Folgen haben kann, er aber darauf vertraute, dass sie nicht eintreten", so Bösl. Von dieser Variante ging die Kammer tatsächlich aus. "Ein Fall hart an der Grenze", so der Richter. "Aber im Zweifel sehen wir uns nicht in der Lage, die sichere Aussage zu treffen, dass er sich bei dem Schlag mit dem Tod seiner Lebensgefährtin abgefunden hat."
Letztlich, so fügte Bösl an, spiele diese rechtliche Einordnung für die Strafhöhe aber nicht "die ganz große Rolle". Die Kammer blieb mit dem Urteil von siebeneinhalb Jahren Haft zwischen den Anträgen der Staatsanwaltschaft (zehn Jahre wegen Totschlags) und der Verteidigung (sechs Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge).
Weit prägender für den Ausgang des Verfahrens war die Suchterkrankung des Alkoholikers, der zur angenommenen Tatzeit im Bereich von um die drei Promille intus gehabt haben müsste - allerdings dadurch keinerlei Einschränkungen bei der Steuerungsfähigkeit hatte. Da die vom Gericht bestellte psychiatrische Sachverständige die rechtlichen Voraussetzungen für einen stationären Alkoholentzug als erfüllt ansah, verhängte die Schwurkammer den sogenannten Maßregelvollzug in einer geschlossenen Einrichtung. Die Therapie dauert maximal zwei Jahre, nach denen der Verurteilte - wie vom Gesetzgeber vorgesehen - nach der Hälfte der Gesamtstrafe auf Bewährung freikommen kann. Für den 49-Jährigen, der seit 14 Monaten in Untersuchungshaft sitzt, heißt das: In etwa einem halben Jahr kann er - weil die U-Haft angerechnet wird - schon aus der Strafhaft in die geschlossene Entziehungsanstalt zur Therapie wechseln. Und er wäre bei erfolgreicher Behandlung (Bösl: "Reißen Sie sich zusammen") womöglich nach insgesamt drei Jahren und neun Monaten in Haft oder Behandlung (unter Auflagen) frei.
Das ist eine Zeitspanne für jemanden, der ein Menschenleben gewaltsam ausgelöscht hat, die am Freitag nicht nur im Zuhörerraum mit Erstaunen aufgenommen wurde, sondern auch vom Verurteilten selbst. Der 49-Jährige hatte "in einem beeindruckenden letzten Wort", wie Richter Bösl selbst sagte, voller Reue für sich tatsächlich die Höchststrafe gefordert. "Die kommt aber nicht heraus, sondern es kann nur den Vergleich mit anderen Taten dieser Art geben", ordnete Bösl das Urteil ein. Mit der moralischen Schuld, das machte der Richter gegenüber dem "hochintelligenten Angeklagten" (IQ 130) aber auch klar, müsse dieser leben. Und da es sich, obwohl das kaum zu glauben ist, trotz aller Gewalt um eine Liebesbeziehung zu der Getöteten handelte, dürfte diese nicht ganz gering wiegen. Christian Rehberger