Der Fall Josef Klatzka und seine Merkwürdigkeiten POSTED ON MAI 21, 2016 BY RAUTENBERG
Die auffälligste Besonderheit des Falls Josef Klatzka ist die Diskrepanz zwischen der Kaltschnäuzigkeit und Professionalität der Täter und der – soweit die Hintergründe bekannt sind – relativen Bedeutungslosigkeit des Mordopfers wie auch des geraubten Vermögens. Einige mögliche Denkanstöße und offene Fragen im Überblick:
1. Der Vertrauensfaktor. Rund zwei Stunden hielt sich nach den Informationen aus Aktenzeichen XY der mutmaßliche (Mit-)Täter mit dem Alias „Heinz Schastock“ (vielleicht auch „Szastok“?) am Abend des 4. April 1970 in der Herforder Wohnung Klatzkas auf, wobei die Männer die Details der geplanten Reise miteinander besprochen haben sollen (zwei Stunden lang – und was sonst noch?).
Eine sehr lange Zeit, die der ebenfalls anwesenden Frau Klatzka reichlich Gelegenheit gegeben haben muss, sich Aussehen, Gewohnheiten, Dialekt sowie weitere persönliche Merkmale des Verdächtigen einzuprägen – und diese später dann den polizeilichen Ermittlern berichten zu können. (Und auch am frühen Morgen des 6. April unmittelbar vor der Abreise saß die Dreierrunde so weit wir wissen erneut – diesmal frühstückend – am Tisch zusammen.)
Welche Schlüsse können aus der langen Anwesenheit des angeblichen Staubsaugervertreters in der Wohnung in Herford gezogen werden – hat sich ein die Mordtat planender Schastock hier fahrlässig verhalten und unnötig Spuren bzw. Zeugen hinterlassen?
Möglicherweise nicht. Möglicherweise war gerade das bewusste Schaffen von Vertrauen und Glaubwürdigkeit – auch um den Preis des Risikos der Identifizierbarkeit – eine zentrale Voraussetzung für eine spätere erfolgreiche Tatbegehung – und damit ist nicht allein der Mord gemeint, sondern die Handlungen, die dem Mord möglicherweise (nach der morgendlichen Abfahrt) vorausgegangen sein könnten und in Beziehung zum eigentlichen Tatmotiv stehen.
Das Opfer Josef Klatzka sollte offensichtlich als Beifahrer erst möglichst spät erkennen oder vermuten, dass nicht Bremen das Ziel der Reise ist, sondern ein anderer – uns unbekannter, aber wohl in der näheren Umgebung liegender – Ort; ebenso, dass die Absichten Schastocks entsprechend gänzlich andere als die geglaubten sind.
An irgendeinem Zeitpunkt aber muss das Verhalten Schastocks (bzw. das Verhalten ins Spiel gekommener weiterer Tatbeteiligter) oder auch schlicht die vom vereinbarten Ziel Bremen abweichende Fahrtroute Klatzka verdächtig oder unplausibel vorgekommen sein – und hier gilt: je mehr persönliches Vertrauen zwischen den Personen in einem solchen Fall besteht, desto später tritt nach aller Wahrscheinlichkeit dieser kritische Zeitpunkt der Bewusstwerdung ein.
Doch in diesem Moment musste es für das Opfer bereits zu spät sein, so das anzunehmende Kalkül der Täter. Dieses Kalkül galt vermutlich in etwas ähnlicher Weise auch Frau Klatzka, der die planenden Täter durch einen gemütlichen Wohnzimmerplausch und die Teilnahme am Frühstück zwei Tage später psychologisch wenig Anlass geben wollten, zu spekulieren dass es sich bei der Mitreise des ehemaligen Bergmanns im Volkswagen keineswegs um die mehr oder weniger spontan erwiesene Gefälligkeit einer Zufallsbekanntschaft aus Bielefeld handelt.
2. Der Briefeschreiber. Gegen Ende des XY-Beitrags erfahren wir von Eduard Zimmermann: „Bisher sind nur relativ wenig persönliche Kontakte des Rentners bekannt, da er lange Zeit völlig zurückgezogen gelebt hat.“ Ein Detail, das nicht recht in dieses Bild vom Eremiten passen will, ist die Tatsache, dass Frau Klatzka dem am 20. April plötzlich erneut auftauchenden Schastock mehrere zwischenzeitlich eingetroffene Briefe in die Hand drückt – mit der Bitte, diese an ihren in Cloppenburg gewähnten Mann zu übergeben.
Wenn wir mal davon ausgehen, dass es sich bei dieser Post nicht um Reklame oder Rechnungen der Wasserwerke o.ä. handelt (zumal die Wohnung möglicherweise auf den Namen Frau Klatzkas angemietet war, wie bestimmte Einzelheiten vermuten lassen – sie diese Post also vermutlich selber öffnen würde) – wieso erhält der „zurückgezogen“ lebende Schlesier innerhalb von nur zwei Wochen Abwesenheit gleich mehrere (vermutlich persönlich adressierte) Briefe?
Nicht absurd erscheint vor diesem Hintergrund, dass auch Schastock keineswegs eine zufällige und spontane, sondern vielmehr eine Brief-Bekanntschaft gewesen sein könnte und die Männer ein Treffen im Bahnhof von Bielefeld postalisch vereinbart hatten – aus welchen Beweggründen auch immer. Dann also hätte Klatzka den Anzugkauf als Anlass für den Ausflug nach Bielefeld gegenüber seiner Frau nur vorgeschoben.
3. Ortskundige Täter? Eine Leiche lässt sich nicht in einem Hotelzimmer zerstückeln oder zersägen und in Taschen verpacken – hier sind geeignete Räumlichkeiten erforderlich, über die frei und ungestört verfügt werden kann; ebenso gilt dies für die nötigen Gerätschaften. Kommen die Täter aus dem Raum Herford/Bielefeld und waren dort ansässig, vielleicht insbesondere in ländlicheren Teilen der Region? Dies lässt natürlich Theorien einer von langer Hand und aus der räumlichen Distanz geplanten Mordtat weniger plausibel erscheinen. Oder war eine hit squad in einem speziell hergerichteten Kleinlaster oder ähnlichen Gefährt im nördlichen Nordrhein-Westfalen unterwegs, sofern es sich wie in der ZDF-Sendung spekuliert wird wirklich um einen „bestellten“ Mord handeln sollte?
4. Neugierige Nachbarn. Was genau hat eigentlich die in XY erwähnte Nachbarin am frühen Morgen des 6. April auf der Straße bzw. dem Parkplatz vor dem Haus gesehen? Mehr als die gleichzeitig aus dem Fenster blickende Frau Klatzka? Die Beobachtungen der mit Josef Klatzka persönlich bekannten Frau sollen ja jedenfalls „für die Polizei später bedeutsam“ geworden sein, wie der Zuschauer aus der Sendung erfährt. Welche Szenen haben sich in Herford unmittelbar vor oder nach der Abfahrt auf der Straße abgespielt – und warum erfährt der Zuschauer keine Details?
Wer war diese männliche Person, die sich damals angeblich als Staubsaugervertreter bezeichnete und im weiteren Verlauf rasch das Vertrauen von Josef Klatzka gewinnen konnte?
Auf den ersten Blick hat es den Anschein, dass dieser "Agent", ein Raubmörder ist, der Josef Klatzka nur aufgrund seiner mitgeführten Barschaft tötete.
Anschließend versuchte er danach, folglich seine Ehefrau als unangenehme Augen- und Ohrenzeugin zu einem unbekannten Ort zu locken und zu eliminieren.
Diese außergewöhnliche Kaltblütigkeit und Gelassenheit dieses Täters, weist vielleicht daraufhin, dass er möglicherweise auch für weitere und ähnliche Taten in den 70er Jahren verantwortlich sein könnte.
Ein Phantombild ist offenbar in jener Zeit bedauerlicherweise nicht entstanden.
Ich habe per Google (Josef Klatzka XY ungelöst) einen älteren Artikelschnipsel (ohne Datum), der aus dem +Artikel Neue Westfälische stammt, gefunden: Demnach wurden zwischen Nordsee und Alpen innerhalb 16 Jahren 104 zerstückelte Leichen gefunden, von denen keine einzige identifiziert werden konnte.
Sollten noch Asservate vorhanden sein, so könnte man bestimmt zumindest nahe Angehörige identifizieren. Leider sind inzwischen etwa 50 (!) Jahre vergangen. Trotzdem : die Opfer sind es wert, eine Identität zu bekommen und die Todesumstände zu detektieren.
Zitat von Christine im Beitrag #7Ich denke, @MissMill wollte mit dem Zeitungsartikel auf etwas ganz anderes hinaus.
Es wäre ja gut möglich, das ein Serienmörder am Werk war und diesem auch Herr Klatzka zum Opfer fiel.
Teils ja, weil es so viele sind, was erschreckend ist. Der Unbekannte im Fall des Herrn Klatzka wird als ca. 30-jähriger Mann beschrieben. Für die damaligen länger zurückliegenden Fälle kommt der wohl nicht in Frage. Aber vielleicht für nachfolgende Morde oder Vermisstenfälle. Ich weiß nicht mehr, woher ich es hab: wenn nur Teile einer Leiche gefunden werden, spricht das für Kannibalismus. Vielleicht hat man aber die fehlenden Teile nur nicht gefunden, wer weiß.
In einer XY Folge wurden diese Funde mal in einem Filmfall zusammengefasst. Sendung vom 22.05.1970, der erste Filmfall:
Es wäre mit Sicherheit nicht verkehrt, Tötungsdelikte zentral zu erfassen und abzugleichen. Mit einem zu erstellenden Algorithmus wären Gemeinsamkeiten und krasse Unterschiede aus ganz DEU und anderen europäischen Ländern einzugrenzen. Unnötige Doppelermittlungen würden weniger , gebündelte Fahndungsaktionen aber eher möglich. Investitionen in diesen Bereich der elektronisch basierten Strafverfolgung wären sinnvoll investiertes Steuergeld. Irgendwie fehlt uns ein analoges deutsches FBI.