Verhandlungstermin am 10. Oktober 2017, 10.30 Uhr, in Sachen 1 StR 496/16 (Verurteilung zweier Angeklagter wegen Körperverletzung mit Todesfolge, wobei nicht aufgeklärt werden konnte, welcher Angeklagte die Gewalteinwirkungen auf das kindliche Opfer verübte)
Das Landgericht Ulm hat die beiden Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen jeweils zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt und jeweils 9 Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt.
Nach den landgerichtlichen Feststellungen lebte die Angeklagte F., die Mutter des im Jahr 2006 geborenen R., seit Herbst 2009 mit ihrem Lebensgefährten, dem Mitangeklagten B., und ihrem Sohn in häuslicher Gemeinschaft. Der Angeklagte B. übernahm dabei die Vaterrolle für R. Spätestens ab Mitte Februar 2011 erfolgten mehrfache massive Misshandlungen des damals fünf Jahre alten Kindes durch jeweils einen der Angeklagten. Diese rohen Misshandlungen richteten sich gegen den gesamten Körper, insbesondere das Gesicht und den Schädel des R., und hatten den Verlust eines Zahnes, Kopfschwartenverletzungen mit Ablederungen sowie zahlreiche Hämatome im Gesicht und am ganzen Körper des Kindes zur Folge. Wer die einzelnen Gewalthandlungen ausführte, konnte das Landgericht nicht feststellen. Ausweislich der Feststellungen wusste der/die jeweils untätige Angeklagte allerdings um die Ursache der Verletzungen und billigte das Verhalten des anderen. Um die sichtbaren Verletzungen des Kindes zu vertuschen, versteckten die Angeklagten R. ab Mitte Februar 2011 in der gemeinsamen Wohnung.
Am 12. März 2011 befand sich R. infolge der vorangegangenen Misshandlungen bereits in einem sehr schlechten körperlichen Zustand. Sein Körper war von schmerzhaften Hämatomen übersät. An diesem Tag schlug zumindest einer der beiden Angeklagten das Kind in der gemeinsamen Wohnung massiv mit der Faust auf den Schädel oder ließ es an den Füßen haltend kopfüber aus nicht geringer Höhe auf den Schädel fallen. Dies hatte eine sofortige Bewusstlosigkeit des Kindes zur Folge und führte nach wenigen Minuten zum Herzstillstand und noch am selben Tag zum Eintritt des Hirntodes. Auch bezüglich dieser Tathandlung konnte das Landgericht nicht feststellen, welcher der beiden Angeklagten die Gewalthandlung ausführte.
Das Landgericht hat die Tat vom 12. März 2011 für beide Angeklagte als mittäterschaftlich begangene Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen gewertet. Hinsichtlich der mittäterschaftlichen Begehungsweise der Angeklagten hat es ausgeführt, dass der/die nicht die Gewalteinwirkung ausführende Angeklagte aufgrund der vorangegangenen Geschehnisse gewusst habe, dass es zu weiteren Misshandlungen des Kindes – insbesondere zu Gewalteinwirkungen gegen den Kopf – kommen würde. Er/Sie habe die Gewalthandlung gebilligt und insbesondere durch den gemeinsamen Erziehungsstil, das vorangegangene andauernde Nichteinschreiten gegen die mehrfachen, zuvor erfolgten Misshandlungen und seine/ihre aktive Mitwirkung bei der Vertuschung der bereits eingetretenen Verletzungen seine/ihre Zustimmung zum Handeln des jeweils anderen zum Ausdruck gebracht. Die beiden Angeklagten hätten den Eintritt weiterer körperlicher Misshandlungen des R. beabsichtigt. Für sie sei der Eintritt tödlicher Verletzungen des Kindes infolge der vorangegangenen massiven Misshandlungen vorhersehbar und durch eine Information Dritter über die vorangegangenen Gewalttätigkeiten vermeidbar gewesen.
Die zeitlich vor der Tat vom 12. März 2011 den Angeklagten zur Last gelegten Taten zum Nachteil des Kindes hat das Landgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.
Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts.
Vorinstanz:
LG Ulm – Urteil vom 20. Juni 2016 – 2 Ks 25 Js 5083/11
Karlsruhe, den 3. Mai 2017
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Bundesgerichtshof hebt Verurteilung zweier Angeklagter wegen Körperverletzung mit Todesfolge auf
Urteil vom 10. Oktober 2017 – 1 StR 496/16
Das Landgericht Ulm hat die beiden Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen jeweils zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.
Nach den landgerichtlichen Feststellungen lebte die Angeklagte, die Mutter des im Jahr 2006 geborenen R., seit Herbst 2009 mit ihrem Lebensgefährten, dem Mitangeklagten, und ihrem Sohn in häuslicher Gemeinschaft. Der Mitangeklagte übernahm dabei die Vaterrolle für R. Spätestens ab Mitte Februar 2011 erfolgten mehrfache massive Misshandlungen des Kindes durch jeweils einen der Angeklagten. Diese rohen Misshandlungen richteten sich gegen den gesamten Körper, auch gegen das Gesicht und den Schädel des R. Wer die einzelnen Gewalthandlungen ausführte, konnte das Landgericht nicht ermitteln. Ausweislich der Feststellungen wusste der/die jeweils untätige Angeklagte allerdings um die Ursache der Verletzungen und billigte das Verhalten des anderen.
Am Tattag, dem 12. März 2011, schlug zumindest einer der beiden Angeklagten das Kind in der gemeinsamen Wohnung massiv mit der Faust auf den Schädel oder ließ es an den Füßen haltend kopfüber aus nicht geringer Höhe auf den Schädel fallen. Dies hatte eine sofortige Bewusstlosigkeit des Kindes zur Folge und führte nach wenigen Minuten zum Herzstillstand und noch am selben Tag zum Eintritt des Hirntodes. Auch bezüglich dieser Tathandlung konnte das Landgericht nicht feststellen, welcher der beiden Angeklagten die Gewalthandlung ausführte.
Auf die Revision der beiden Angeklagten hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs dieses Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Nach Auffassung des Senats genügen die bislang getroffenen Feststellungen zu den tatsächlichen Geschehnissen nicht, um beide Angeklagten als Mittäter einer Körperverletzung zu Lasten des getöteten Kindes anzusehen. Diese Mittäterschaft ist aber notwendige Voraussetzung für die jeweils erfolgte Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB). Der Mangel im Urteil des Landgerichts führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt, weil wegen des einheitlichen Geschehens auch die für sich genommen rechtsfehlerfrei angenommene Verurteilung wegen Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 StGB) nicht bestehen bleiben kann.
Der Senat hat allerdings darauf hingewiesen, dass nach den bislang festgestellten Umständen eine Verurteilung der Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen strafbarer Beihilfe dazu keineswegs ausgeschlossen ist. Die jetzt neu zur Entscheidung berufene Strafkammer muss dann jedoch weitergehende Feststellungen treffen, als dies im aufgehobenen Urteil der Fall war.
Vorinstanz:
LG Ulm – Urteil vom 20. Juni 2016 – 2 Ks 25 Js 5083/11
§ 227 StGB – Körperverletzung mit Todesfolge
(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226a) den Tod der verletzten Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(2) …
Karlsruhe, den 10. Oktober 2017
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