news Mord an Ehefrau: Mann stellt sich! So. 7.07.2013, 20:12
Mühldorf am Inn (Bayern) – Eine Frau (39) ist wahrscheinlich von ihrem Ehemann (52) umgebracht worden. Er hatte sich bei der Polizei gemeldet und erklärt, seine tote Ehefrau liege in seinem Auto. Er ließ sich widerstandslos festnehmen. Das Paar lebte mit drei gemeinsamen Kindern zusammen. Die genauen Hintergründe der Tat sind unklar.
Zwölf Jahre Haft wegen Totschlags Das Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs schickte gestern einen 53-Jährigen aus Neumarkt-St. Veit, der am Abend des 6.
Juli 2013 seine 39-jährige zweite Ehefrau in der ehelichen Wohnung getötet hatte, wegen Totschlags für zwölf Jahre hinter Gitter. Staatsanwalt Dr. Martin Freudling hatte 14 Jahre gefordert, Verteidiger Erhard Frank aus Burghausen zehn Jahre.
Traunstein/Neumarkt-St. Veit - Entscheidend für den Schuldspruch "Totschlag" war das toxische Gutachten von Professor Dr. Matthias Graw, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität München, zu der Frage, ob das Opfer vor dem Tod betäubt worden war. Das Ergebnis: Die 39-Jährige hatte bei der Obduktion betäubende Substanzen im Körper. Wie und wann sie hinein gelangten, konnte nicht eindeutig festgestellt werden.
Der Tat ging nach Worten des geständigen 53-Jährigen in dem fünftägigen Prozess ein Streit über seinen Alkoholkonsum und über Geld voraus. Dabei habe es ihm "den Schalter raus gehauen", lautete sein Erklärungsversuch. Er würgte seine Ehefrau heftig und drückte der noch Röchelnden sein Knie auf den Hals.
Die Leiche trug er vom Wohnzimmer in das Schlafzimmer im ersten Stock. Später verging er sich sexuell an der Toten. Nachts schaffte er sie in ein vor dem Haus stehendes Auto. Auf seine Bitte hin fuhr ihn seine Tochter aus erster Ehe am Morgen zur Polizei in Mühldorf. Erst dort erfuhr die 26-Jährige von der toten Stiefmutter im Kofferraum.
Im Zentrum des Prozesses stand das Thema einer eventuellen Betäubung des Opfers vor dem Tod (wir berichteten). Dafür sprach - neben entsprechenden narkotisierenden Substanzen im Körper - das Fehlen jeglicher Kampfspuren. Der Angeklagte gab an, der Leiche Jahrzehnte alten Äther in den Mund geschüttet zu haben - warum, wisse er nicht.
Professor Dr. Matthias Graw unternahm alle Anstrengungen, Art, Herkunft und Wirkung der betäubend wirkenden Substanzen zu klären, die seit Jahrzehnten nicht mehr erhältlich sind und auch jetzt nicht mehr zu beschaffen waren. Letztlich wurde für eine der Substanzen aus Originalpräparaten aus der Obduktion eine "Aufreinigung" durchgeführt. Ein bestimmtes Barbiturat wurde in inneren Organen, in Muskelgewebe und im Blut nachgewiesen. Professor Dr. Graw erachtete eine Aufnahme über die Mundschleimhaut bei noch intaktem Kreislauf für wahrscheinlich. Ob das Opfer dabei noch bei Bewusstsein war, könne er nicht sagen. Die Menge des Mittels sei "nicht letal" gewesen, könne aber zum Tod beigetragen haben. Der psychiatrische Gutachter, Dr. Stefan Gerl vom Bezirksklinikum in Gabersee, verneinte eine Affekttat und stufte den Angeklagten, dem er narzistische und dissoziale Züge bescheinigte, als "voll schuldfähig" ein. Der 53-Jährige sei zwar von Alkohol abhängig, aber zur Tatzeit nicht relevant alkoholisiert gewesen.
Von "einem Sachverhalt, bei dem vieles im Dunkeln bleiben wird", sprach Staatsanwalt Dr. Martin Freudling im Plädoyer. Unter den negativen Aspekten nannte er das "extrem hohe Maß an Brutalität", mit dem der Angeklagte auf das Opfer losgegangen sei. Die "Störung ihrer Totenruhe" sei nicht angeklagt, müsse aber strafschärfend gewichtet werden.
Namens der Kinder der Getöteten meinte Anwalt Jörg Zürner aus Mühldorf, seine Mandanten wollten keine Ausführungen zur Tat an sich machen. Der Vater müsse mit "der moralischen Schuld leben". Für die Schwester des Opfers schloss sich Anwalt Axel Reiter aus Mühldorf der rechtlichen Würdigung des Staatsanwalts an, verzichtete aber auf einen Antrag zur Höhe der Strafe. Statt eines "letzten Worts" stampfte der Angeklagte unter Tränen auf den Boden und rief laut: "Kreizkruzifixnochmal, i wollt dös neda."
Im Urteil unterstrich Vorsitzender Richter Erich Fuchs, der Sachverhalt beruhe auf den Angaben des 53-Jährigen. Es gebe zahlreiche Auffälligkeiten, Ungereimtheiten, Merkwürdiges und Unerklärliches in seiner Aussage. Der Missbrauch seiner toten Ehefrau sei "nicht verständlich" und "abstoßend". Möglicherweise habe er sie vorher betäubt. Deshalb habe das Gericht weitere Untersuchungen veranlasst. Letztlich sei - zu Gunsten des Angeklagten - nicht zu beweisen, dass er sie zu Lebzeiten betäubt habe. Wichtig sei die Vorgeschichte - mit Alkoholproblemen, Eheproblemen, Streitigkeiten. Die 39-Jährige habe ernsthafte Absicht gehabt, sich von ihrem Mann zu trennen: "Möglicherweise bekam er massive Verlassensängste." Seiner nur 1,51 Meter großen Ehefrau sei er körperlich weit überlegen gewesen, habe bei der Tat "große Gewalt und Kraft" ausgeübt. Wer so vorgehe, handle "mit absolutem Tötungsvorsatz". Zunächst habe der Angeklagte versucht, die Tat zu vertuschen, sich aber dann doch entschlossen, sich zu stellen. Mordmerkmale habe das Gericht nicht gesehen. Deshalb sei er wegen Totschlags zu verurteilen.
Das Geständnis habe das Gericht in hohem Maße berücksichtigt. Fuchs wörtlich: "Der Angeklagte hat sich zur Tat bekannt." Er sei offensichtlich "ein guter Vater". Andererseits seien die Folgen für seine Kinder heute noch nicht absehbar. Der 53-Jährige nahm das Urteil gestern regungslos auf und erkundigte sich als erstes, in welches Gefängnis er verlegt werde. Ob das Urteil rechtskräftig wird, war gestern nicht zu erfahren. kd