Der Vater (80) des Sexclub-Toten von Neuenhof AG klagt an «Der Killer nahm mir auch meine Frau»
NEUENHOF AG - Seit über neun Jahren wartet Paul K.* (80) auf den Moment, dass der Mörder seines Sohnes Marco (†39) endlich eine gerechte Strafe erhält.
Nur: Obwohl die Aargauer Ermittler sicher sind, dass Nicolas Vaiarelli (52) der Killer ist, lassen ihn die Franzosen in Freiheit. Jetzt erzählt Marco K.'s Vater im BLICK von seinem Schmerz.
Und davon, wie auch seine Frau (†73) wegen dem Killer sterben musste.
Ralph Donghi (Text und Fotos)
Paul K.* (80) sitzt am Stubentisch und liest den BLICK. «Ich kann es selber noch nicht richtig glauben», sagt der pensionierte Schlosser gestern leise. Und klagt dann laut: «Warum nur lassen die den Mörder meines Sohnes frei?»
Der Aargauer meint die französischen Behörden, die Nicolas Vaiarelli (52) in seinem Heimatland in Freiheit lassen. Dies, obwohl die Ermittler der Kantonspolizei Aargau sicher sind, dass der rumänisch-französische Doppelbürger im Januar 2007 den Sexclub-Mitbesitzer Marco K. (39) erschossen, verbrannt und in einem Wald bei Neuenhof AG verscharrt hat.
Die Fakten sind klar «Was muss denn noch geschehen?», fragt Paul K. weiter. «Dieser Vaiarelli wurde ja schon 1987 wegen Mordes verurteilt. Zudem sind die Fakten klar. Und es gibt zudem zwei Zeuginnen.» Doch dem nicht genug. «Der Killer nahm mir damals nicht nur meinen Sohn, sondern auch meine Frau», sagt Paul K. Denn: Nachdem er und Irene (73) gehört hätten, wie ihr Marco «entsorgt» worden sei, seien sie fast am Ende gewesen. «Meiner Frau ging es noch schlechter als mir. Es war zu viel für sie», so Paul K. «Sie starb nur sechs Monate nach dem Mord an Marco. Im Bett. An einem Herzstillstand. Wegen ihrem Seelenschmerz.»
Die Zeit danach sei schlimm gewesen. «Sein eigenes Kind und kurz danach auch noch seine Frau zu verlieren, das wünsche ich niemandem», so Paul K. Kraft hätten ihm seine drei anderen Kinder, Marcos Frau und deren gemeinsamer Sohn, der heute ein Teenager ist, gegeben. «Aber auch die Kantonspolizei.»
24 Bundesordner voll! Paul K. sagt, er habe wie die Ermittler in den letzten Jahren auch keine näheren Informationen mehr aus Frankreich erhalten. «Dabei haben die Franzosen von den Aargauern bei der Fall-Übergabe gar noch die ganzen Akten auf Französisch übersetzt erhalten. 24 Bundesordner voll! Gopf, ist das jetzt der Dank dieser Bananenrepublik?»
Weiss Paul K., warum Marco getötet wurde? «Er hatte in der Schreiner-Stifti einen Töffli-Unfall und konnte wegen den schweren Kopfverletzungen die Lehre nicht fertig machen», sagt er. Marco habe danach meist nur als Temporär-Monteur arbeiten können - und im Sexclub. «Als Marco dann erst nach zehn Jahren mehrere Tausend Franken Versicherungsgeld wegen seinem Unfall erhalten hat, hat wohl dieser Vaiarelli davon erfahren und Geld von ihm gewollt. Marco gab es wohl nicht.»
Jetzt liegen Paul K.’s Sohn und seine Frau auf dem kleinen Friedhof in der Nähe seines Hauses. «Ich hoffe, dass in diesem Fall endlich etwas geht», sagt der Rentner. «Wenn das Eidgenössische Justizdepartement nur auf die Franzosen verweist und die weiter nichts tun, sollte dort vielleicht mal die zuständige Bundesrätin anrufen.»
Paul K.’s grösster Wunsch: «Dass dieser Mörder endlich eingesperrt wird! Und ich irgendwann mit dieser traurigen Geschichte abschliessen kann. Wenigstens ein wenig.»
Sexclub-Mord von Neuenhof AG: Franzosen lassen Killer laufen Schweizer Ermittler warnen Familie des Opfers
Vermutlich erschoss er seinen Milieu-Kollegen, doch die Franzosen lassen ihn frei herumlaufen.
Von Michael Spillmann und Christian Maurer
Die Aargauer sind sauer. In jahrelanger Arbeit haben sie den Milieu-Mord von Neuenhof AG geklärt, doch die französischen Behörden liessen den Hauptverdächtigen einfach frei.
Im Januar 2007 starb Sexclub-Mitinhaber Marco K.* (†?39). Er wurde erschossen, verbrannt und im Wald verscharrt (BLICK berichtete). Die Aargauer Ermittler sind überzeugt: Der Mord geht auf das Konto des rumänisch-französischen Doppelbürgers Nicolas Vaiarelli (49).
Der ehemalige Geschäftspartner des Schweizers flüchtete nach der Tat nach Frankreich. Dort wurde er Monate später gefasst, sass eine Gefängnisstrafe wegen Körperverletzung ab. Dann wurde er unter Auflagen freigelassen; bereits im März 2010, wie BLICK aus französischen Justizkreisen erfahren hat.
Mutmasslicher Täter läuft frei herum Der Badener Untersuchungsrichter Beat Richner ist entsetzt: «Ja, wir haben Kenntnis von der Freilassung – und völliges Unverständnis dafür.» Mehrmals war er mit einer Delegation ins südfranzösische Perpignan gereist, um Vaiarelli zu verhören. Da Frankreich seine Staatsbürger nicht ausliefert, aber selber vor Gericht stellen kann, schickte Richner 2010 einen Untersuchungsbericht an die französische Justiz, fixfertig für die Anklageerhebung. Inklusive Aussagen von rumänischen Prostituierten, die Vaiarelli schwer belasten. Allein die Kosten für die Übersetzung beliefen sich auf 150?000 Franken.
«Nach dem Eintreffen der Mitteilung der französischen Behörden über die Haftentlassung habe ich unverzüglich die Angehörigen des Opfers und die beiden rumänischen Augenzeuginnen darüber informiert», sagt Richner.
Verurteilter Mörder Vaiarelli beteuerte stets seine Unschuld. Dass sein Antrag auf Haftentlassung gutgeheissen wurde, ist dennoch erstaunlich. Der Mann ist gemeingefährlich, bereits 1987 wurde er wegen Mordes verurteilt. In Marseilles Unterwelt gilt er als grosse Nummer. Aber: Er pflegt auch gute Kontakte zu Polizeikreisen.
So scheinen es die Franzosen mit dem Abschluss des Falles nicht eilig zu haben. Am 11. Oktober ging beim Bundesamt für Justiz (BJ) in Bern ein Schreiben aus Frankreich ein. Die französischen Justizbehörden verlangten darin die Übersetzung der Akten im Fall Vaiarelli ins Französische! Akten, die die Franzosen bereits seit Jahren vorliegen haben – übersetzt. «Bei dem besagten Schreiben handelt es sich um ein Missverständnis», sagt BJ-Sprecherin Ingrid Ryser.
Muss sich Vaiarelli jemals für den Mord an Marco K. verantworten? Eine Frage, auf die auch die Aargauer Behörden keine Antwort bekommen. «Wir haben leider keinen Einfluss mehr auf das Verfahren», sagt Richner.
Publiziert am 27.01.2013 | Aktualisiert am 28.01.2013