Tod eines skandalumwitterten Verlegers – war es Mord? Wassilis Aswestopoulos 10.06.2016
Der auf einer Autobahn in seinem Fahrzeug verbrannte Mann ist in dunkle politische Geschäfte und in Erpressung verwickelt gewesen
Der Verleger der Athener Tageszeitung Akropolis, Panagiotis Mavridis, kam am Donnerstag ums Leben. Obwohl die Leiche des zur Unkenntlichkeit verbrannten Mannes noch nicht über einen DNA Test endgültig identifiziert wurde, hat die Ehefrau von Mavridis den Toten anhand persönlicher Gegenstände und Schmuck identifiziert.
Der in einen Erpressungsskandal verwickelte Verleger war im Sportwagen seiner Frau auf der Athener Stadtautobahn Attiki Odos in Höhe des Vororts Marousi in der Gegend der The Mall Athens unterwegs. Das Fahrzeug aus deutscher Produktion befand sich auf der Überholspur, als es plötzlich langsamer wurde. Es hielt ohne Zusammenstoß, aber mit an Schleifspuren erkennbarem Kontakt an der Betonabsperrung, welche die äußerste linke Spur von zwischen den Richtungsspuren der Autobahn liegenden Bahngleisen trennt. Innerhalb weniger Sekunden fing es sichtbar Feuer. Nach offiziellen Angaben ist auf keinem der Überwachungsvideos der Autobahn erkennbar, dass der Verstorbene Versuche zum Aussteigen unternahm.
Angeblich war das Fahrzeug mit Gasantrieb gepanzert. Erste Unfallanalysen besagen, dass der Brand bereits vor dem sichtbaren Aufflammen schwelte. Offenbar hielt der Fahrer es deshalb an, weil er etwas bemerkt haben muss. Durch den schwelenden Brand sollen die elektronischen Anlagen zum Öffnen der Scheiben oder zum Entriegeln der Zentralverriegelung blockiert worden sein.
Ob darüber hinaus weitere Faktoren wie gesundheitliche Probleme des Verlegers eine Rolle spielten, soll nach offiziellen Angaben mit einer Obduktion geklärt werden. Für den heutigen Freitag werden darüber hinaus für die endgültige Identifizierung die Ergebnisse der DNA-Analyse bekannt gegeben werden.
Wer war das vermutliche Opfer?
Panagiotis Mavrikos, auch unter seinem Rufnamen Takis bekannt, war ein zum Verleger aufgestiegener ehemaliger Beamter des staatlichen griechischen Elektrizitätsmonopolisten DEI. Eigentlich ist so ein Job beim seinerzeit mehr als sicheren Arbeitgeber DEI der Traum vieler Griechen. Der Zweiundvierzigjährige war in den Journalismus zunächst als unbezahlter Reporter des dem populistischen rechten Politiker gehörenden Senders TILEASTY eingestiegen.
Mit einer von vielen kritisierten Methode eignete er sich die Titel historischer Zeitungen an und bettete diese in seine Mavrikos Verlags AG ein. Er beobachtete dafür die amtlichen Bekanntmachungen über erloschene Marken und meldete die Markenrechte, die ihn interessierten, umgehend an.
So kam er in den Besitz der Namen von historischen, zu ihrer Zeit sehr populären Zeitungen, wie die bereits erwähnte Akropolis, die 24 Ores, die Mesimvrini, den Ellinikos Vorras oder die Epikairotita. Darüber hinaus betrieb er Internetportale.
Im August 2007 wurde er für viele überraschend vom damaligen Gesundheitsminister der Nea Dimokratia und jetzigem EU-Kommissar für Migration, Dimitris Avramopoulos, ins Direktorium des staatlichen Psychiatrischen Krankenhauses Athens berufen. Nachdem diese Besetzung des Postens durch Mavridis für Aufruhr sorgte, gab er öffentlich an, auf sein Salär zu verzichten. Den Platz im Direktorium behielt er jedoch weiterhin.
Keine seiner Publikationen erreichte im Kioskverkauf einen größeren Absatz als jeweils knapp 1000 Kunden. Trotzdem war Mavrikos finanziell sehr erfolgreich. Er erhielt für alle seine Publikationen von staatlicher Seite und von Banken Werbeaufträge, die in keinem Verhältnis zur jeweiligen Reichweite lagen und die den Werbeetat für vielfach erfolgreichere Zeitungen bei Weitem überstiegen.
Zudem setzte er durch, dass sämtliche Ministerien seine Zeitungen in die täglichen Bestellungen für ihr Ministerium zum Abonnement aufnahmen. Er war dabei so hartnäckig, dass er im Fall einer Ablehnung seiner als penetrant empfundenen dauernden Anträge mit Beschwerden reagierte, bis seinem Begehr stattgegeben wurde. 2015 gründete Mavrikos eine eigene politische Partei, die "Rechte". Deren politische Orientierung ist extrem nationalistisch und konservativ.
Der Skandal
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Mavrikos bekannt, als er im Februar 2016 zusammen mit zwei weiteren tatverdächtigen Journalisten wegen Erpressung festgenommen wurde und zunächst in Haft geriet. Mavrikos kam später gegen Auflagen frei. Ein anderer Tatverdächtiger blieb in Haft.
Nach dem derzeitigem Stand der Ermittlungen wird dem Trio vorgeworfen, Werbeauftrage regelrecht erpresst zu haben. Der in Haft befindliche Tatverdächtige soll zudem eine Liaison mit einer leitenden Angestellten der staatlichen Wasserwerke dafür benutzt haben, diese mit der Liebschaft zu erpressen.
Bei den Politikern soll sich das Trio des investigativen Journalismus bedient haben. Nur waren die jeweiligen Ermittlungen nicht zur Veröffentlichung gedacht. Die betroffenen Politiker konnten sich die gute Presse bei entsprechender Gegenleistung kaufen.
Auffällig bei Mavrikos und seiner Akropolis war zudem, dass er vor den vorgezogenen Neuwahlen des Septembers 2015 eindeutig Stellung gegen die Nea Dimokratia bezog und dem damaligen Interimsvorsitzenden Vangelis Meimarakis mit kompromittierenden Enthüllungen über dessen Immobilienbesitz in Schwierigkeiten brachte. Die jeweiligen Enthüllungen machten innerhalb der Blogosphäre Griechenlands rasch die Runde. Den staatsanwaltschaftlichen Vorwürfen zu Folge soll das Trio bei seinen Erpressungen mit der perfekten Vernetzung zahlreicher gut besuchter Blogs gedroht haben. Auch diese erhielten hohe Werbegelder.
Auf dem Höhepunkt seiner gegen die Nea Dimokratia gerichteten Kampagne wurde Mavrikos in die Studios der zum Regierungssender Tsipras gewandelten staatlichen ERT geladen. Die Wandlung des Senders, für den nach der Schließung 2013 die Griechen in Massen demonstrierten, zum Regierungssender wird auch von der griechischen Journalistengewerkschaft ESIEA angeprangert.
Noch undurchsichtiger wird das Ganze mit aufgetauchten Rechnungen, welche belegen, dass Mavrikos zur Zeit des Vorsitzenden der Nea Dimokratia Antonis Samaras angeblich monatlich 18.450 Euro erhielt. Zudem kursieren zumindest aufgrund der Andeutungen in ihren Inhalten kompromittierende Telefongespräche von Mavrikos mit hochrangigen Politikern der Nea Dimokratia. Darüber hinaus wurde der aktuelle Vorsitzende der jetzigen Oppositionspartei, Kyriakos Mitsotakis, auffällig oft Titelthema der Akropolis. Die Nea Dimokratia wiederum wehrt sich mit Verweisen auf Mavrikos frühere Stellungnahmen zugunsten der Regierung.
Auch außerhalb der Politik schuf sich Mavrikos Feinde. Seine Fehden mit dem Präsidenten des griechischen Serienmeisters im Fußball Olympiakos Piräus, Evangelos Marinakis, sollen nach Mavrikos Angaben zu tätlichen Angriffen gegen seine Person geführt haben.
All diese Begleitumstände des Lebens und Wirkens des Verstorbenen lassen den Unfall suspekt erscheinen. Die Kriminalpolizei ermittelt daher in alle möglichen Richtungen.