Mutmaßlicher Vergewaltiger vor dem Darmstädter Landgericht
29. März 2016
DARMSTADT/DIETZENBACH. Vor dem Darmstädter Landgericht beginnt heute ein Prozess gegen einen 28-Jährigen wegen besonders schwerer Vergewaltigung. Der Mann soll drei Frauen in Dietzenbach zum Sex gezwungen haben. Er drohte dabei sie umzubringen.
Fall 1 Anfang März 2015 soll der Angeklagte das erste Mal eine Bekannte vergewaltigt haben. Unter vorgehaltenem Messer drohte er ihr und biss ihr auf die Lippe, so die Staatsanwaltschaft.
Fall 2 Das gleiche Muster bei seinem zweiten Opfer: Wieder sei es unter Morddrohungen zum Geschlechtsverkehr gekommen – auch oral.
Fall 3 Das dritte Opfer des Offenbachers soll eine 81-Jährige gewesen sein. Der Mann habe an ihrer Wohnungstür geklingelt, sie zu Boden gebracht und ihr ein Kissen auf den Mund gedrückt. Nachdem er die Senioren vergewaltigt haben soll, riss er ihr drei Goldringe vom Finger und flüchtete, so die Anklage.
Dietzenbacher gibt zwei von drei Taten zu Besoffener und bekiffter 28-Jähriger vergewaltigt Frauen 30.03.16 - 03:30
Dietzenbach - Ein 28-jähriger Dietzenbacher steht seit gestern wegen drei Vergewaltigungen vor Gericht. Zwei Taten hat er zugegeben. Von Silke Gelhausen-Schüßler
„Wenn ich trinke und kiffe, kenne ich keine Grenzen!“ – das hat Salim A. mehrfach zum Leidwesen verschiedener Frauen bewiesen. Drei Vergewaltigungen soll der 28-Jährige 2015 in Dietzenbach verübt haben, seit gestern muss sich der Arbeitslose vor dem Landgericht Darmstadt verantworten. Vier Verhandlungstage bis Mitte April hat die 15. Strafkammer eingeplant, der Angeklagte sitzt seit Oktober in Untersuchungshaft, in der ihn seine Verlobte regelmäßig besucht. „Sie hat mir verziehen!“, lautet die Antwort auf die Frage nach dem derzeitigen Verhältnis zueinander.
Denn Tat Nummer zwei und drei gibt der Marokkaner unumwunden zu, den ersten erzwungenen Geschlechtsverkehr Anfang März mit einer Ex-Freundin bestreitet er – der sei einvernehmlich gewesen: „Wir hatten bei einem Bekannten zusammen geraucht und getrunken, danach dort im gleichen Bett übernachtet. Wir wollten das beide!“ Laut Anklageschrift soll er der jungen Frau mit einem Küchenmesser gedroht haben, sie umzubringen, wenn sie sich nicht ruhig verhalte.
Am 17. September macht er eine Dietzenbacherin zu Opfer Nummer zwei. Die Hausfrau tritt als Nebenklägerin auf, äußert sich gestern als erste Zeugin. Die 56-Jährige: „Ich war am späten Abend auf meiner regelmäßigen Leergut-Sammel-Tour, die ich wie üblich am S-Bahnhof-Mitte beendete. Als ich durch die Unterführung ging, fiel mir an der Treppe zu den Gleisen ein schmaler junger Mann auf. Ich ging vorbei, weiter zum Sandhügel hinter den Parkplätzen. Plötzlich packt mich jemand von hinten mit den Worten: ,Halt, Polizei, was machst du hier?’ und schmeißt mich um. Dann dreht er mir die Arme nach hinten und würgt mich.“ A. soll die Frau zu einem Obdachlosenzelt im Gebüsch gezerrt haben. Dort sei er zuerst oral, dann vaginal von hinten in sie eingedrungen. Sie habe versucht, sich zu wehren: Der Angreifer soll sie brutal festgehalten, den Mund zugedrückt und sie wieder gewürgt haben.
Nach beendeter Untat habe er sich entschuldigt: „Er sagte, es täte ihm leid, ich solle ihn nicht anzeigen, es wäre ein Fehler gewesen!“, erinnert sich die Nebenklägerin. Vorsitzende Richterin Barbara Bunk fragt nach den Folgen der Tat. „Die Beschwerden in der Schulter, die ich vorher schon hatte, sind durch das Nachhintenreißen der Arme verschlimmert worden“, erklärt die Zeugin. Doch viel ärger seien die psychischen Folgen. „Ich kann nicht mehr alleine aus dem Haus gehen, ich schlafe nicht länger als eineinhalb Stunden pro Nacht und mein Tinnitus ist wieder da!“
Eine Woche später, am 25. September, die dritte Tat: Zu der Zeit wohnte A. im Spessartviertel. Er soll sich vorher mit Bier, Wodka, Koks und Speed betäubt haben. „Ich war so besoffen, dass ich es nicht mehr bis in meine Wohnung im 6. Stock geschafft habe. Deshalb wollte ich im 2. Stock zum Fahrstuhl. Dort kam mir eine Frau entgegen, die in ihre Wohnung ging. Ich bin ihr hinterher bis ins Schlafzimmer. Dort ist es dann passiert.“
Das 81-jährige Opfer schildert die Tat anders. A. soll geklingelt, sie nach dem Öffnen zu Boden gebracht und ihr ein Kissen auf das Gesicht gedrückt haben. Dann habe A. sie zum Vaginalverkehr gezwungen. Zum Oralverkehr kam es nicht, weil die Dame ihm deutlich gemacht haben soll, dass sie dann zubeißen würde. Als „Entschädigung“ soll A. ihr drei Goldringe von den Fingern gezogen haben. Dann flüchtete er.
Vergewaltiger bittet weinend um letzte Chance 16.04.16 03:25
Dietzenbach - Neun Jahre Haft: Ein 28-Jähriger wurde wegen zweier Vergewaltigungen verurteilt. Von Silke Gelhausen-Schüßler
Egal wie besoffen und zugedröhnt man zum Tatzeitpunkt war: Das schützt entgegen landläufiger Meinung nicht vor Strafe. Diese Erkenntnis musste gestern ein 28-Jähriger vor der 15. Großen Strafkammer des Landgerichts Darmstadt machen, der wegen zweifacher Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Salim A. ist zwar nicht einschlägig, aber dafür schon häufiger mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Neben kleinerer Delikte wie Trunkenheit am Steuer wurde er wegen Raubes verurteilt und stand zum Zeitpunkt der Vergewaltigungen unter laufender Bewährung. Aus diesem Grund und wegen der äußerst üblen Sozialprognose ordnet die Vorsitzende Richterin Barbara Bunk die Sicherungsverwahrung an. Auch die U-Haft darf er nicht verlassen: Der Haftbefehl bleibt. Die Kammer liegt mit dem harten Urteil sogar noch geringfügig über den Forderungen der Staatsanwaltschaft, deren Ausführungen sie weitestgehend in ihrer Urteilsbegründung gefolgt ist. Die Verteidigung hatte für eine milde Strafe wegen verminderter Schuldfähigkeit plädiert. Sie wird wahrscheinlich in Revision gehen. Bei seinem letzten Wort hatte A. geweint und beteuert, wie leid ihm alles tut. Er bat um eine letzte Chance.
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Die bekommt er nun in Form einer Therapie nach Paragraf 64 des Strafgesetzbuches: Unterbringung in einer Entziehungsanstalt als Teil der verordneten Arrestzeit. Die soll laut dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. Hans-Hermann Höll gleich dreifach wirken: gegen die Alkohol- und Drogensucht, gegen die dissoziale Persönlichkeitsstruktur und für eine integrierte Sexualität. A. war ursprünglich, wie berichtet, wegen drei Übergriffen angeklagt, das Verfahren gegen die erste Handlung an einer Bekannten seines Alters musste eingestellt werden, weil das vermeintliche Opfer nicht mehr auffindbar war. Sie soll Anfang März 2015 in der Dietzenbacher Wohnung eines gemeinsamen Freundes passiert sein. Der Marokkaner bestreitet ein gewaltsames Vorgehen, der Sex sei einvernehmlich, beide seien alkoholisiert und bekifft gewesen. Für die zwei weiteren Taten im September 2015 legt A. Teilgeständnisse ab. „Schuld ist der Alkohol und die Drogen, ich bin sonst nicht so!“, ist seine Entschuldigung, die sich wie ein roter Faden durch vier Prozesstage zieht.
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Den beiden Opfern, die als Zeuginnen aussagen müssen, hilft das wenig. Die 56-jährige Hausfrau und Nebenklägerin schildert die Nacht am Bahnhof Mitte: „Er hat mich umgeschmissen, mir brutal den Arm nach hinten gedreht, mich gewürgt, mir den Mund zugehalten. Ich hatte Todesangst, als er mich in ein leerstehendes Obdachlosen-Zelt schubste!“ Dort habe sie A. zunächst oral befriedigen müssen, anschließend habe er sie auf den Bauch gedreht und sei von hinten in ihre Vagina eingedrungen. Ihr Leben sei seitdem nicht mehr wie vorher, sie könne nicht mehr allein aus dem Haus gehen und schlafe fast gar nicht mehr.
Nicht weniger rabiat ging er beim dritten Opfer vor, eine Nachbarin aus dem gleichen Hochhaus im Spessartviertel, in dem A. wohnte. Dort soll er nicht mal davor zurückgeschreckt sein, an der Tür zu klingeln und die ältere Dame in ihrer eigenen Wohnung zu vergewaltigen. Auch sie soll er erst zu Boden gestoßen, dann geschlagen und ihr ein Kissen auf den Mund gedrückt haben. Die Dame kann seitdem ihr Zuhause nicht mehr betreten, wohnt bei ihrem Sohn, erleidet regelmäßig Panikattacken. Die Zeugenaussagen der Frauen wertete das Gericht als detailreich und glaubwürdig.