Landshut Übernachtung endet mit Vergewaltigung: Mann (43) vor Gericht
Für Angelina C. endete der 20. Sepember 2015 mit einem Martyrium. Sie wurde von einem guten Bekannten vergewaltigt. Nun steht ihr Peiniger vor Gericht.
Sein Blick. Sie hatte schon oft bei ihm übernachtet, weil er nur wenige Minuten von ihrem Arbeitsplatz entfernt wohnte und sie sich dadurch die Zugfahrt sparen konnte. Doch am Abend des 20. September 2015 sieht Chiso A. sie auf eine neue Art und Weise an. „Seltsam. Seine Augen.“ Angelina C. rang vor Gericht um Worte und konnte dennoch nicht beschreiben, wie ihr Bekannter sie ansah. Als sie bemerkt, dass Chiso A. die Tür versperrt hatte, bekommt sie es endgültig mit der Angst zu tun. Sie schreit, versucht ihren Freund anzurufen, doch A. zertritt das Telefon.
Später – A. hatte ihr erlaubt, sich im Bad zu säubern, nach dem sie vor lauter Angst eingenässt hatte - überlegt sie, aus dem Fenster im Bad zu springen. „Aber ich hatte Angst, zu sterben.“ Schließlich fügt sich Angelina C. Nach der Nacht, die ihr zum Martyrium wird, geht sie zur Polizei und erstattet Anzeige gegen den Mann, den sie am Abend zuvor noch als „Bruder“ bezeichnet hatte.
Seit Mittwoch muss sich der 43-jährige Nigerianer Chiso A. vor der sechsten Strafkammer des Landgerichts wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verantworten. Laut der von Staatsanwalt Gerd Strohner vertretenen Anklage begab sich Angelina C. gegen 20.45 Uhr in die Wohnung von A. in der Wolfgangsiedlung. Im Lauf des Abends entbrannte ein Streit darüber, wo C. schlafen sollte. Sie wollte auf einer Matratze schlafen, der Angeklagte bestand darauf, dass sie zu ihm ins Bett kommen solle. Sie habe immer auf der Matratze geschlafen, so Angelina C. vor Gericht.
Ansonsten hätte sie auch kein Problem damit gehabt, mit einer Decke auf dem Boden zu liegen. An diesem Abend habe A. ihr gegenüber behauptet, die Matratze sei im Keller. „Später habe ich die Matratze dann im Bad entdeckt.“ Als C. entdeckte, dass die Tür abgesperrt ist, forderte sie laut Anklage Chiso A. auf, sie rauszulassen, und begann panisch zu schreien. A. schrie sie an, „Shut up, ruf' die Polizei, wenn Du meinst. Die glauben Dir sowieso nicht und wenn ich angebe, dass ich betrunken war, bekomme ich keine Strafe. Die Polizei steht hinter mir.“
Nachdem der Angeklagte auch noch das Handy von Angelina C. zerstört hatte, versuchte sie, sich zu beruhigen und mit ihrem Bekannten zu reden. Dieser erklärte ihr jedoch laut Anklage, dass er sie liebe und sie zu ihm ins Bett kommen solle. Es sei sein Haus und sie müsse sich seinen Regeln beugen. C. sah keinen Ausweg mehr und willigte ein. Es folgte eine entwürdigende Nacht, die erst im Morgengrauen endete. Mit den Worten der Staatsanwaltschaft: „Mittels Gewalt, durch sein Schreien und seine Äußerungen überwandte der Angeklagte den Widerstand der Geschädigten und nutzte sodann bewusst aus, dass sie unter dem Eindruck ihres schutzlosen Ausgeliefertseins aus Furcht vor weiteren Gewalteinwirkungen auf weiteren Widerstand verzichtete und die sexuellen Handlungen erduldete.“
Verteidiger Hubertus Werner erklärte nach Verlesung der Anklage, dass sein Mandant sich vorerst nicht äußern werde. Man werde die Einlassung von Angelina C. abwarten.
Angelina C. betrat dann sichtlich mitgenommen den Gerichtssaal, nahm aber nach unterstützenden Worten von ihrem Rechtsbeistand Wolfgang Heidersberger, der Dolmetscherin und der Kammer bestärkt auf dem Zeugenstuhl Platz. Pausen, die ihr Vorsitzender Richter Ralph Reiter immer wieder anbot, wenn sie aufgrund ihrer Schilderungen ins Stocken kam, lehnte sie ab: Sie wolle das alles so schnell wie möglich hinter sich lassen. Kennengelernt habe sie Chiso A. am Landshuter Bahnhof. Sie arbeite in einem Pflegeheim und pendle zur Arbeit. Chiso A. sei häufig am Bahnhof gesessen.
Eines Tages habe sie ihn angesprochen wie sie es zu Beginn ihrer Zeit in Deutschland häufig bei dunkelhäutigen Menschen gemacht habe – „weil ich gerne meine Muttersprache gehört habe“, so die Südafrikanerin. Chiso A. sei nett gewesen. Sie habe ihn öfter mal besucht; auch ihr Freund sei einmal dabei gewesen und habe für Chiso A. gekocht. Das mit dem Übernachten habe sich ergeben, da sie der Schichtarbeit nachgehe. Es sei einfacher für sie gewesen, wenn sie Spätschicht gehabt habe und am nächsten Morgen schon wieder arbeiten musste. Nie sei dies ein Problem für Chiso A. gewesen, sagte Angelina C. – bis zum 20. September. Sie habe doch immer Vertrauen zu ihm gehabt; er stamme schließlich vom selben Kontinent ab wie sie. Sie habe Chiso A. daher noch gefragt, „Bruder, was tust Du?“
Landshut Fakten und Definitionssache: Angeklagter bestreitet Vergewaltigung blank
Sie spricht von einer Vergewaltigung, er von einvernehmlichem Sex: Was wirklich am 21. September 2015 geschehen ist, muss nun ein Gericht klären.
Beziehungen sind immer auch eine Frage der Definition. Im Fall von Angelina C. und Chiso A. beispielsweise könnten die Standpunkte unterschiedlicher nicht sein. Während die 23-jährige Südafrikanerin den 43-jährigen Nigerianer vor Gericht als Bekannten bezeichnete, mit dem sie vor allem die gemeinsame Heimat verbinde, hatte dieser gegenüber der Kripo angegeben, Angelina C. sei seine Freundin gewesen, mit der er auch mehrmals Sex gehabt habe.
Laut C. gab es aber nur einmal einen sexuellen Kontakt mit Chiso A. – und zwar in der Nacht, in der er sie angeblich in seiner Wohnung in der Wolfgangsiedlung vergewaltigt hat. Chiso A. hatte es zu Prozessbeginn vor der sechsten Strafkammer des Landgerichts vorgezogen, zu schweigen. Wie am gestrigen zweiten Verhandlungstag aber ersichtlich wurde, hatte er der Polizei gegenüber nach seiner Festnahme erklärt, dass die sexuellen Handlungen einvernehmlich gewesen seien.
Es steht also Aussage gegen Aussage. Die von Staatsanwalt Gerd Strohner vertretene Anklage legt Chiso A. Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zur Last. Wie berichtet, soll der Nigerianer Angelina C. in der Nacht auf den 21. September 2015 unter Anwendung von Drohungen und Gewalt vergewaltigt haben. Ein weiterer Versuch in den frühen Morgenstunden, zu dem A. die Frau aufgeweckt haben soll, soll aufgrund von Erektionsproblemen missglückt sein.
Angelina C. hatte die Vorwürfe vor Gericht bestätigt. Sie habe bereits mehrere Male in der Wohnung von Chiso A. übernachtet gehabt, da sie von dort aus nicht so weit zu ihrem Arbeitsplatz gehabt habe. Dabei habe sie stets auf einer Matratze auf dem Boden geschlafen. Am Abend des 20. September sei Chiso A. aber plötzlich ganz seltsam geworden. „Sein Blick.“ Er habe die Tür abgesperrt und sie mit den Worten „Das ist mein Haus. Du musst Dich meinen Regeln beugen“ aufgefordert, in sein Bett zu kommen. Sie habe lange versucht, sich zu wehren - auch indem sie ihn an die gemeinsame Herkunft erinnert habe -, doch als sie einsehen habe müssen, dass ihr niemand zu Hilfe kommen werde, habe sie sich zu ihm ins Bett gelegt.
Chiso A. zufolge hat Angelina C. aber stets bei ihm im Bett geschlafen, wenn sie bei ihm übernachtet hat. Wie er in seiner polizeilichen Vernehmung sagte, habe er bereits vor dem 20. September Sex mit C. gehabt; zwei Mal mindestens, da sei er sich sicher. „Er ist davon ausgegangen, dass sie seine Freundin ist“, so der Eindruck des vernehmenden Kripobeamten. Die sexuellen Handlungen am vermeintlichen Tatabend seien auch der Wunsch der Frau gewesen. Sie sei es auch gewesen, die ihn am Morgen aufgeweckt habe, weil sie noch einmal Sex habe wollen. Dieser sei allerdings missglückt, so A. in seiner Vernehmung: „Der Wille war da, aber der Körper zu schwach.“ Zu den Vorwürfen, er habe die Tür abgesperrt und das Handy von Angelina C. zerstört habe der 43-Jährige ihm gegenüber gesagt, so der Zeuge, er habe seine Tür jeden Abend verschlossen und das Handy sei längst kaputt gewesen. Das kaputte Handy könne auch der Grund für die Anzeige sein, habe A. gemutmaßt – aus Ärger darüber, dass er aus Geldmangel ihren Wunsch habe ablehnen müssen, ihr ein neues Mobiltelefon zu kaufen.
Zu der generellen Haltung des Angeklagten Frauen gegenüber meinte ein Landsmann von Chiso A. vor Gericht, A. habe viele Freundinnen gehabt; „ich habe ihn deswegen immer wieder schimpfen müssen“. Der Zeuge präsentierte sich vor Gericht als eine Art Hüter der Moral. Er kenne A. aus dem nigerianischen Verein, dessen Präsident er auch einmal gewesen sei. Der Verein habe den Zweck verfolgt, Neuankömmlinge zu unterstützen, etwa ihnen die deutschen Gesetze zu erklären. „Bei uns in Nigeria darf man ja machen, was man will.“ Gegen eine Beziehung von Chiso A. mit Angelina C. sei er gewesen – was er seinem Freund auch gesagt habe. Der Grund: „Diese Frau nimmt Drogen.“ Wie so viele Informationen, mit denen er das Gericht zuvor schon bedient hatte, stammte auch dieses Wissen vom Hörensagen. „Über meinen Tisch geht alles“, so der Nigerianer. Im Lauf der Vernehmung stellte sich heraus, dass tatsächlich so einiges „über den Tisch“ des Zeugen geht. Fundiertes war allerdings kaum dabei. Die Verwirrung der Verfahrensbeteiligten wurde im Gegenteil von Minute zu Minute größer. Aus eigenem Erleben konnte der Ex-Präsident lediglich sagen, dass er am vermeintlichen Tattag mit drei Bekannten bis etwa 19 Uhr bei Chiso A. in der Wohnung gewesen ist. „Dann bat er uns zu gehen, weil er noch eine Freundin erwartet hat.“ Wer dies gewesen ist, hat er weder mit eigenen Augen gesehen, noch ist es „über seinen Tisch“ gegangen.