100'000 Franken, um den Mörder seiner Frau zu finden Der Mord an der 28-jährigen Yasemin Yelocagi vom August 2008 in Zürich-Seebach sorgte landesweit für Schlagzeilen. Der Fall ist bis heute ungelöst. Jetzt greift der Ehemann ins private Portemonnaie.
Ein Unbekannter hatte am 20. August 2008 kurz vor Mitternacht an der Schaffhauserstrasse 459 die 28-jährige Mutter zweier Kinder mit zahlreichen Messerstichen getötet. Die Frau hatte an diesem Abend aushilfsweise in der familieneigenen Tankstelle gearbeitet. Auf dem Band der Videoüberwachungskamera ist lediglich eine dunkel gekleidete Person zu sehen, ihr Gesicht war hell maskiert. Obwohl die Polizei intensiv ermittelte und dabei auch das Umfeld der türkischen Familie unter die Lupe nahm, fehlt bis heute jegliche Spur von der Täterschaft.
Polizei begrüsst das Vorgehen
Jetzt setzt der Ehemann, Beyhan Yelocagi, aus seinem privaten Vermögen eine Belohnung von 100'000 Franken aus für Hinweise, die zur Täterschaft führen. «Das Unwissen macht uns kaputt», sagt der selbstständige Unternehmer aus dem Zürcher Unterland. Er habe sich zwar in seine Arbeit geflüchtet, «aber jeden Tag, jede Sekunde denke ich an nichts anderes». Deshalb habe er in Absprache mit den Angehörigen seiner getöteten Ehefrau diese hohe Belohnungssumme ausgesprochen.
Die Kantonspolizei Zürich, welche im Fall federführend ist, ist darüber informiert und begrüsst das persönliche Engagement des Mannes. Laut Beyhan Yelocagi könnten mehrere Personen an der Tat beteiligt gewesen sein. Er hofft, dass der hohe Betrag einen Mitwisser zum Reden bringt.
Küchenmesser als Tatwaffe
Die Polizei hatte kurz nach der Tat die Waffe, ein billiges Küchenmesser, am nahen Felsenrainweg bei der Bahnunterführung entdeckt. Am Messer waren aber keine DNA-Spuren zu finden. Anhand der Videoaufzeichnungen einer Aussenkamera und der Spuren hat die Polizei den Fluchtweg des Täters oder der Täterin rekonstruiert.
Er oder sie war zu Fuss unterwegs, flüchtete hinter den Tanksäulen stadtauswärts. Die Person ist nach den Videoaufnahmen zwischen 18 und 35 Jahre alt und circa 170 bis 175 Zentimeter gross. Bei der Tat trug sie eine dunkle langärmlige Jacke oder einen Pullover mit hellem Rand am Bund, eine dunkle Hose, eventuell mit hellem Gürtel, eine dunkle Baseballmütze sowie helle Schuhe, wahrscheinlich weisse Turnschuhe.
Der Täter oder die Täterin – das Geschlecht ist nicht klar, weil die aufgezeichneten Videoaufnahmen sehr undeutlich sind – war vermutlich mit einem hellen Tuch oder einem hochgezogenen Rollkragenpullover maskiert. Einen Raubmord schliesst die Polizei aus, gestohlen wurde nichts. Hinweise auf einen politisch motivierten Auftragsmord – Opfer und Ehemann sind Kurden – gab es nicht. Die Familie war wohlhabend und lebte in einer Eigentumswohnung im Zürcher Unterland. Der Ehemann hatte neben der Tankstelle in den vergangenen Jahren ein zweites Standbein aufgebaut und gewährte Landsleuten Darlehen. Auch diese Spur führte die Polizei nicht weiter.
Profiler
Die Polizei nahm einen Profiler zu Hilfe. Dieser brachte die These einer Zufallstat ins Spiel. Denn der Täter oder die Täterin ist ein hohes Risiko eingegangen. Er hat das Opfer nicht abgefangen, als es beispielsweise allein aus dem Auto gestiegen ist, sondern hat es in der Tankstelle aufgesucht, in der wenige Minuten zuvor noch ein Kunde einkaufte und die an einer relativ gut befahrenen Strasse steht. Und der Täter oder die Täterin muss eine grosse Wut im Bauch gehabt haben, denn er oder sie stach immer wieder zu.
Da die Ehefrau ursprünglich aus Deutschland stammte, wurde der Fall am 14. Januar 2009 in der Sendung «Aktenzeichen XY ... ungelöst» aufgegriffen. Schon damals hatte der Ehemann die Belohnung der Kantonspolizei von 10'000 Franken aus eigener Initiative verdoppelt. Nach der TV-Sendung erhielt die Polizei zwar Hinweise, aber keine heisse Spur.
Schon der Betrag von 20'000 Franken war eine Ausnahme. Laut Kantonspolizei sind Belohnungen in der Höhe von rund 10'000 Franken eher selten. «In jedem Fall lösen Belohnungen etwas aus», sagt Werner Schaub, Sprecher der Kantonspolizei Zürich. Manchmal führten sie auch zu entscheidenden Durchbrüchen bei den Ermittlungen.
10'000 Franken setzte die Polizei beispielsweise nach der Tötung eines 18-jährigen Schweizers an der Street-Parade 2007 aus – der Täter konnte dank Hinweisen, die auf die Aussetzung der Belohnung eingetroffen waren, eruiert werden. Ein 16-jähriger Thailänder hatte den Lehrling im Streit niedergestochen. Auch beim Züri-Fäscht 2013, als ein Besucher aus dem Kanton Thurgau von einer Gruppe von jungen Männern mit einer zerbrochenen Flasche lebensgefährlich verletzt worden war, setzten Angehörige des Opfers eine private Belohnung von 20'000 Franken aus. Drei Täter wurden in der Folge verhaftet.
Polizei hofft auf viele Hinweise
Die Kantonspolizei Zürich rechnet mit vielen Reaktion auf die rekordhohe Belohnungssumme. Erfahrungsgemäss meldeten sich stets auch Wahrsager, Kartenleger und Fantasten. Die Polizei hofft, dass sich unter den vielen Tipps, Verweisen und Zeichen auch solche finden werden, welche die Ermittlungen zu einem Abschluss führen.
Hinweise zur Tat sind der Kantonspolizei Zürich in erster Linie per Mail (esso2008@kapo.zh.ch) oder per Telefon (044 247 22 11) zu melden.
Wenig Hoffnung trotz Rekord-Kopfgeld von Marco Lüssi - Beyhan Yelocagi will Hinweise auf den Mörder seiner Frau mit 100'000 Franken belohnen. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich Kriminalfälle mit Geld fast nie lösen lassen.
100'000 Franken aus seinem Privatvermögen bietet der Zürcher Tankstellenbetreiber Beyhan Yelocagi für Hinweise, die zur Ergreifung der Person führen, die seine Ehefrau Yasemin am 20. August 2008 im Esso-Shop in Zürich-Seebach mit einem Küchenmesser erstochen hat. Es handelt sich um die höchste Belohnung, die in der Schweiz je ausgesetzt worden ist.
Opfer hatte zwei kleine Kinder
Ob es sich bei der unbekannten Person, die Yasemin Yelocagi (28) erstochen hat, um eine Frau oder einen Mann handelt, ist unklar. Das Opfer hinterliess zwei Kinder im Alter von zwei und vier Jahren. Die Bluttat ereignete sich am 20. August 2008 kurz vor Mitternacht im Esso-Tankstellenshop an der Schaffhauserstrasse in Zürich-Seebach. Gemäss den Aufnahmen der Videoüberwachung ist die Täterin oder der Täter zwischen 18 und 35 Jahre alt und 170 bis 175 Zentimeter gross. Die Person war dunkel gekleidet, trug eine dunkle Baseballmütze und helle Schuhe und flüchtete nach der Tat zu Fuss. Hinweise nimmt die Polizei unter Telefon 044 247 22 11 oder per Mail an esso2008@kapo.zh.ch entgegen. (lüs)
Werden nun Kopfgeldjäger und Detektive aus der ganzen Welt nach Zürich reisen, um den Täter zu jagen und die sechsstellige Summe einzustreichen? Fritz Nyffeler, Präsident des Fachverbands der Schweizerischen Privatdetektive, sagt, für die Mitglieder seines Verbands sei ein solcher Fall kein Thema: «Wir sind auf Zivilrecht spezialisiert, Kapitalverbrechen überlassen wir der Polizei.» Dass es Privatermittler geben könnte, die sich wegen der hohen Belohnung nun mit dem Fall befassen würden, schliesse er aber nicht aus.
Bei der Kantonspolizei Zürich, die in diesem Fall seit über fünf Jahren im Dunkeln tappt, hat man Verständnis für den Entscheid des Witwers, eine so hohe Summe auszusetzen. Sprecher Werner Schaub sagt: «Es ist klar, dass er alles unternimmt, um dafür zu sorgen, dass dieses schreckliche Tötungsdelikt aufgeklärt wird.»
Polizei hofft auf «entscheidenden Hinweis»
Die hohe Belohnung bewirke zumindest, dass ein halbes Jahrzehnt nach der Tat in der ganzen Schweiz wieder über dieses Verbrechen gesprochen werde, so Schaub. «Das löst etwas aus – es ist möglich, dass sich unter den Meldungen, die nun bei uns eingehen werden, der entscheidende Hinweis befinden wird.»
Nadja Capus, Professorin für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Basel, sagt, das Aussetzen von Belohnungen sei ein «interessantes Mittel» zur Aufklärung von Verbrechen, allerdings seien «finanzielle Anreize» bei der Wahrheitsfindung immer heikel. Hinweise werde es weniger wegen der hohen Belohnung an sich geben als vielmehr wegen der Publizität, die der Fall dadurch erhalte. «Es ist denkbar, dass jemand, der bisher gar nichts von dieser Tat wusste, sich jetzt an etwas erinnert, was der Polizei helfen kann.»
Jeder, der sich jetzt mit Hinweisen an die Polizei wendet, müsse sich aber auch die Frage gefallen lassen, warum er dies nicht früher getan habe, sagt Capus: «Wer etwas über ein solches Verbrechen weiss, sollte es nicht von Geld abhängig machen, ob er es meldet.» Die Belohnung werde für die Polizei jedoch finanzielle Konsequenzen haben: «Das Abarbeiten der Hinweise wird die Polizei viel Zeit und entsprechend Geld kosten.»
Erste Meldungen eingegangen
Am Dienstag, als die Belohnung durch den «Tages-Anzeiger» publik geworden war, trafen bei der Kantonspolizei Zürich allerdings erst «einzelne Hinweise» ein, wie Sprecher Schaub sagt. Über deren Qualität könne er noch nichts sagen: «Wir gehen nun jedem einzelnen Hinweis nach und nehmen jeden ernst.»
Jährlich setzt die Zürcher Kantonspolizei in bis zu einem halben Dutzend Fällen Belohnungen von maximal 10'000 Franken aus. Dies tue man grundsätzlich nur, wenn es um schweren Raub, Körperverletzung oder Tötungsdelikte gehe. «Und es ist immer eines der letzten Mittel, das dann zum Zug kommt, wenn die üblichen Ermittlungsmethoden nicht zum Erfolg geführt haben», sagt Schaub.
In solchen Situationen könnten die Ermittler bei der Chefin der Kriminalpolizei die Aussetzung einer Belohnung beantragen. Dafür ist jedes Jahr ein gewisser Betrag budgetiert, dessen Höhe die Kantonspolizei nicht nennen möchte. Erfolgreich ist die Methode jedoch nicht: «In keinem der Fälle, in denen wir in den letzten fünf Jahren eine Belohnung ausgesetzt hatten, kam es zur Auszahlung», so Schaub. Die grosse Mehrheit der Fälle sei weiter ungeklärt, einzelne habe man auf andere Weise lösen können.
Ob es einen Unterschied macht, dass im Mordfall Yelocagi das Zehnfache der sonst üblichen Belohnung ausgesetzt wurde, ist offen: «Weil dies bisher einzigartig ist, können wir darüber keine Aussage machen», so Schaub.
Risiko von Falschaussagen
Ähnlich zurückhaltend wie die Zürcher Polizei sind auch andere Kantone im Umgang mit Belohnungen. Christof Scheurer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bern, sagt: «Wir sind bei Belohnungen vorsichtig, denn es besteht immer das Risiko, dass sie Leute zu falschen Aussagen bewegen.»
Bernhard Graser, Sprecher der Kantonspolizei Aargau, sagt, Belohnungen könnten «durchaus hilfreich sein, Mitwisser oder Augenzeugen dazu zu bewegen, Informationen der Polizei preiszugeben». Wie in Zürich erlebt man aber auch im Aargau, dass die meisten Fälle trotz Belohnung ungeklärt bleiben.