Lebensgefährlich verletzt wurde in den frühen Morgenstunden des Dreikönigtages am 06.01.2016 ein 30-Jähriger Mann.
Nach Verlassen einer Festveranstaltung, die in der Humpishalle Brochenzell stattfand, wurde das Opfer von einem - nach ersten Angaben des Verletzten - jungen, männlichen Täter unvermittelt angegangen und dabei so schwer verletzt, dass es mit lebensgefährlichen Verletzungen notärztlich versorgt werden musste.
Das Opfer hatte sein Kraftfahrzeug, einen Mercedes Sprinter, auf dem Parkplatz, der üblicherweise von Besuchern des Sportplatzes genutzt wird, geparkt.
Die Kriminalpolizeidirektion in Friedrichshafen hat die Ermittlungen aufgenommen. Die Tatörtlichkeit befindet sich auf der Wegstrecke zwischen der Veranstaltungsörtlichkeit und dem Parkplatz.
Wer Angaben zum Tatgeschehen in der Zeit zwischen ca. 04.00 Uhr und 07.30 Uhr machen kann wird gebeten sich bei der Polizei unter Tel.: 07541/701-0 zu melden.
Haft für Brochenzeller Messerstecher LESEDAUER: 8 MIN
26. Januar 2017 SCHWÄBISCHE ZEITUNG SIEGFRIED GROSSKOPF
Der 22-Jährige aus dem Bodenseekreis, der am 6. Januar des Vorjahres einem 30-Jährigen nach dem bunten Abend in Brochenzells Humpishalle einen lebensgefährlichen Messerstich in den Rücken versetzt hatte, muss für neun Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Die 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Ravensburg verurteilte ihn gestern wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Zudem muss er Schmerzensgeld sowie die Arzt-, Prozess- und Krankenhauskosten in Höhe von erwarteten rund 80 000 Euro tragen. Gestern übergab der Anwalt an den Nebenkläger-Vertreter 10 000 Euro.
Im mit 70 Zuhörern erneut vollbesetzten Saal 1 des Landgerichts flossen Tränen, als Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl eine Haftstrafe von acht Jahren und vier Monaten beantragte. Doch die Kammer ging über diesen Antrag hinaus. Vorsitzender Jürgen Hutterer sagte in der Urteilsbegründung, nur mit viel Glück und ärztlicher Kunst habe das Leben des 30-Jährigen kein jähes Ende gefunden. Das sei auch das „unheimliche Glück“ des Täters, der sonst wegen Mordes lebenslänglich hinter Gitter gekommen wäre.
Täter ließ Opfer hilflos zurück Der Richter warf dem 22-Jährigen eine hinterhältige Messerattacke aus niederen Beweggründen vor, die den klassischen Fall der „Heimtücke“ erfülle und am Vorwurf des versuchten Mordes keine Zweifel aufkommen lasse. Anlass sei die Wut des Angeklagten über seine vermeintlich gestohlene Jacke gewesen, die er tatsächlich in der Küche der Halle verlegt und nicht gefunden habe. Dafür nahm er fünf andere Jacken vom Kleiderständer, ging nach Hause, um mit einem Messer (Klingenlänge 18 Zentimeter) zurückzukommen, das er dem zufällig auf dem Parkplatz angetroffenen und zu seinem Auto strebenden 30-Jährigen grundlos von hinten mit voller Wucht zwischen Halswirbelsäule und Schulter gestoßen habe. Das Opfer erkannte die Schwere seiner Verletzung zunächst nicht, dachte, von einer Billardkugel getroffen worden zu sein.
Der Täter ließ das Opfer nach Darstellung des Landgerichts hilflos zurück, rannte mit dem Messer weg und entsorgte die Tatwaffe in der Schussen. Anschließend ging er wieder nach Hause und habe sich ins Bett gelegt, während das Opfer in Todesangst um sein Leben rang. Vom nahen Brochenzeller Altenheim wurde der Notarzt verständigt. Anschließend wurde das Opfer im Tettnanger Krankenhaus aufgenommen und danach mit dem Hubschrauber zu einer Not-Operation nach Ulm geflogen.
Mehr als 100 Personen befragt Der Tat war ein reichlicher Alkoholkonsum des 22-Jährigen über neun Stunden (3,5 Promille zum Tatzeitpunkt) voraus gegangen. Dennoch hat er sich nach mehreren Zeugenaussagen nicht im Vollrausch befunden. Er habe noch seine Zeche zahlen, Trinkgeld geben und Sekt ausgeben können. Wer dem Alkohol zuspreche, müsse auch die Folgen tragen, betonte Hutterer, der den Alkoholpegel nicht als Entschuldigung zuließ. In den Tagen nach der Tat habe der 22-Jährige nach einem Ersatz für das im Messerblock der heimischen Küche fehlende Messer gesucht und sich informiert, mit welcher Strafe bei versuchter Tötung zu rechnen sei. Bei ersten Vernehmungen stritt er die Tat ab. Über 100 Personen hat die Polizei befragt.
Die Kammer widersprach dem Strafminderungs-Argument von Verteidiger Gerd Pokrop, der auf sechs Jahre und sechs Monate plädiert und angeführt hatte, sein Mandant sei von der Tat zurückgetreten, als er dem ersten Stich keine weiteren folgen ließ, was ihm möglich gewesen wäre. Dem schloss sich das Gericht nicht an. Der Angeklagte sei mit „brutaler Hemmungslosigkeit“ vorgegangen und habe es dem Zufall überlassen, dass das Opfer hätte sterben können. Der 30-Jährige befindet sich nach wie vor in ärztlicher und psychiatrischer Behandlung, traut sich auf keine großen Veranstaltungen mehr, hat Angst, es könnte jemand hinter ihm stehen.
Täter und Opfer kannten sich nicht Das Gericht sah keine Voraussetzungen für eine zeitweise therapeutische Unterbringung des 22-Jährigen, wie vom Gutachter und Verteidiger angeregt. Er habe seinen Alkoholkonsum im Griff, etwa am Arbeitsplatz sei der für ihn kein Problem. Er sei schon einen längeren Zeitraum abstinent gewesen.
Alkoholmissbrauch, aber keine Alkohol-Abhängigkeit hatte Gutachter Hermann Assfalg attestiert. Seine Spielsucht mit 20 000 Euro Schulden in der Folge sei einer gewissen Langeweile entsprungen. Für die Tat hatten weder der Sachverständige noch Oberstaatsanwalt Diehl eine Erklärung. Der 22-Jährige habe aus einem „harmlosen Geplänkel“ heraus auf den „Nächstbesten“ eingestochen. Täter und Opfer kannten sich nicht.
In seinem abschließenden Wort hatte der 22-Jährige (vor dem Urteil) angekündigt, er werde jedes Urteil akzeptieren. Er sei froh, dass der 30-Jährige überlebt hat und hofft auf dessen völlige Gesundung. „Für diese Tat gibt’s keine Entschuldigung“, dankte er seiner Familie und Freunden für den Rückhalt.