Weitere Details bekannt Prozess um den Tod von Olesia S. in Frechen – war es sogar Mord? 09.04.2025, 17:58 Uhr
Schon am Tag bevor sie getötet wurde, hatte Olesia S. die Polizei gerufen. Ihr Mann habe sie versucht, sie mit Gewalt in der Wohnung festzuhalten.
Warum wies die Leiche von Olesia S. eine unnatürliche „Froschposition“ auf? Warum klebten die langen Haare der 35-Jährigen blutdurchtränkt um ihren Kopf, wenn doch Erwürgen todesursächlich war?
Fragen, die das Landgericht Köln klären muss, denn statt der Anklage wegen Totschlag gegen den Ex-Ehemann könnte Mord infrage kommen.
Am zweiten Verhandlungstag am Mittwoch (9. April) sagte die Nachbarin aus, die Ohrenzeugin der tödlichen Ereignisse am 4. August 2024 wurde. Sie habe sich weiter keine Gedanken gemacht, berichtete sie, als sie gegen Mitternacht Gepolter wie von Gegenständen, die auf den Boden fallen, aus der Wohnung über ihr, gehört habe.
Nachbarin hörte Stöhnen und Schreie, war aber nicht besorgt Das sei öfter vorgekommen bei der Familie, die im Februar 2022 aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet war. Auch Stöhnen, in das sich Schreie einer weiblichen Stimme mischten, beunruhigten die 44-Jährige nicht. Zumal kurz darauf Ruhe war. Was sie „Stöhnschreie“ nennt, stufte sie als sexuelle Aktivitäten ihrer 35-jährigen Nachbarin ein.
Dennoch schrieb die Nachbarin eine Textnachricht an Olesia S. Sie wollte die Gelegenheit nutzen, freundlich zu bitten, künftig besser auf den Geräuschpegel zu achten. Dass sich die Häkchen unter der Nachricht nicht blau färbten zum Zeichen, dass die Adressatin die Nachricht empfangen hatte, erklärte sich die Absenderin mit individuellen Einstellungen solcher Chats. Sie sah auch keinen Anlass zur Sorge, als eine umgehende Antwort ausblieb.
Polizei entdeckte die Leiche hinter einem Wäscheständer Die 44-jährige Frechenerin lernte Olesia S. gleich beim Einzug in das Mehrfamilienhaus in Frechen-Bachem kennen. Sie beschreibt die 35-Jährige als „sehr selbstbewusst, immer gut zurechtgemacht, keinesfalls ein Mäuschen“. Den 44-jährigen Mann habe sie dagegen nur vom Grüßen gekannt, er habe „ohne Mimik, aber nicht aggressiv“ gewirkt – so wie er sich auch vor Gericht präsentiert.
Die Frauen kommunizierten auf Englisch; Olesia habe manchmal um Hilfe beim Ausfüllen von Formularen gebeten und 2023 gefragt, ob sie für ihren Mann, von dem sie sich getrennt hätte, ein Appartement wüsste. Kurz danach schrieb Olesia: „Kannst du die Polizei rufen?“ Das tat die Nachbarin und erkundigte sich später, ob alles okay sei.
Was die Zeugin tatsächlich in der Nacht vom 4. auf den 5. August 2024 gehört hatte, erfuhr sie am Montagnachmittag. Der Ex-Ehemann hatte Olesia S.' Cousine angerufen und die Tötung gestanden, woraufhin sie die Polizei rief und mit ihrem Mann zum Tatort eilte. Die Einsatzleiterin betrat die Wohnung zusammen mit zwei jungen Kollegen. Sie entdeckte die Leiche zugedeckt hinter einem Wäscheständer in der Ecke an der Wohnzimmer-Fensterfront. „Unsere größte Befürchtung war, auch tote Kinder zu finden, denn wir wussten zu dem Zeitpunkt nicht, wo sie sich aufhielten“, berichtete die 43-jährige Polizeibeamtin. Die beiden Beamten waren bereits am Samstag zu dem Einsatzort gerufen worden. Olesia S. hatte sie alarmiert. Ihr Mann habe versucht, sie in der Wohnung festzuhalten, weil er die Trennung nicht akzeptiere, und sie dabei schmerzhaft hart an den Oberarmen gepackt, soll sie erzählt haben. „Sie kam uns mit ihrer Sporttasche entgegen, wirkte aufgebracht, aber nicht verängstigt. Auf Nachfrage verneinte sie, verletzt worden zu sein und äußerte auch keine Sorge, dass er den Kindern etwas antut, im Gegenteil, er kümmere sich gut um sie, sagte sie“, berichtete ein 24-jähriger Beamter. „Deshalb konnten wir nur empfehlen, dass sie sich Hilfe beim Sozialen Dienst der Stadt holt.“
Gewalt gegen Frauen So tragisch wurde Olesia S. aus Frechen aus ihrem neuen Leben gerissen
Von Alexa Jansen 08.03.2025, 08:02 Uhr
Die 35-jährige Frau hinterlässt drei kleine Kinder. Der Staatsanwalt hat Anklage gegen den Ex-Mann eingereicht.
Mit weit ausgebreiteten Armen und einem glücklichen Lachen blickt Olesia S. in die Kamera – sie strahlt Lebensfreude, Selbstbewusstsein und Mut aus. Das energievolle Foto stellte die 35-Jährige Mitte Juni 2024 auf ihren Social-Media-Konten ein, begleitet mit eindringlichen Sätzen für ein selbst bestimmtes Leben und die Kraft zur Veränderung. Eine Mission, für die sie jahrelang kämpfte. Sechs Wochen später wurde sie getötet.
„Meine größte Angst ist es, zu sterben, ohne wirklich mein vollstes Potential entfaltet zu haben. Das macht mich total verrückt“, heißen die ersten Worte des motivierenden Kurz-Essays der Mutter von drei kleinen Kindern. Sätze, die im Nachhinein wie eine Prophezeiung wirken: Am 4. August 2024 endete ihr Leben durch eine grausame Gewalttat - die junge Frau wird erwürgt, mutmaßlich von ihrem Ex-Mann, der seit dem Vorfall in Untersuchungshaft sitzt.
Rhein-Erft-Kreis: 1600 Straftaten häuslicher Gewalt in 2024 Rund 1600 Straftaten häuslicher Gewalt hat es jeweils in den beiden vergangenen Jahren im Rhein-Erft-Kreis gegeben, 2022 waren es 1500; so die kriminalstatistische Auswertung von der Polizei im Rhein-Erft-Kreis. Die Dunkelziffer wird von Fachleuten noch wesentlich höher geschätzt. Bundesweit spricht das Bundeskriminalamt von einem Anstieg der Opfer häuslicher Gewalt von 2019 bis 2023 um 19 Prozent. Die überwiegende Anzahl der Opfer sei weiblich und zwischen 30 und 40 Jahren.
Drei wunderbaren Kindern wurde plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen, und sie blicken voller Angst in eine ungewisse Zukunft Cousine von Olesia S.
„Die Situation ist für alle Beteiligten nach wie unbegreiflich, und die Trauer der Kinder und aller Angehörigen unbeschreiblich. Die Familie wurde zerstört und die Kinder stehen ohne Eltern und ohne ein finanzielles Polster da“, berichten Olesias Cousine und ihr Mann, die ohne zu zögern die drei Kleinen (6, 8 und 10 Jahre alt) zu ihrem eigenen Sohn aufnahmen.
„Drei wunderbaren Kindern wurde plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen, und sie blicken voller Angst in eine ungewisse Zukunft“, berichtet sie. Alle sechs leben nun gemeinsam im Rhein-Erft-Kreis und versuchen, das Geschehene zu verarbeiten. Aktuell seien sie dank vieler Unterstützung dennoch auf einem guten Weg.
Von „einem Tötungsdelikt zum Nachteil einer 35-Jährigen“ schrieb die Polizei des Rhein-Erft-Kreises im August in einer ersten Pressemitteilung. „Der Ehemann (44) stehe im dringenden Tatverdacht, seine Ehefrau im Rahmen von Streitigkeiten in ihrer Wohnung in Bachem getötet zu haben.“ Gegen den Tatverdächtigen hat die Staatsanwaltschaft kürzlich Anklage wegen „vollendeten Totschlags“ eingereicht.
Frechen: Olesia startete mit viel Kraft in ein neues Leben Das Drama hinter den nüchternen juristischen Formulierungen ist unvorstellbar groß: Nach dem Angriff Russlands im Februar 2022 floh die Familie nachts überstürzt mit wenig Habseligkeiten aus der Ukraine in den Rhein-Erft-Kreis. Olesia, die nach der Flucht aus Kummer und Sorge in ein tiefes Loch gefallen war, schaffte mit hohem Kraftaufwand einen Neuanfang und startete in ein selbst bestimmtes, freieres Leben.
„Ihre Mutter ist gestorben, als sie 16 Jahre alt war, sie war untröstlich und fast auf sich allein gestellt. Sie heiratete einen älteren Mann und bekam drei Kinder, ihre Persönlichkeit kam in dieser Zeit viel zu kurz“, erzählt ihre Cousine. Sie sei schon immer eine Kämpferin gewesen, aber erst in Deutschland habe sie ausreichend Kraft und Mut gesammelt.
Olesia machte sich selbstständig und startete als Yogalehrerin, Motivationsrednerin und Coach durch. Sie organisierte Workshops für geflüchtete Frauen, war in den Sozialen Medien mit Videos und Wortbeiträgen aktiv und veröffentlichte ihr erstes Buch. Immer im Fokus: Die Chancen der Persönlichkeitsentwicklung, die sich durch den Mut zur Veränderung ergeben - gerade für Frauen.
Die Kinder kehrten nie mehr in die Wohnung zurück Mit ihrem neuen Selbstbewusstsein habe es zu Hause mit ihrem Mann immer mehr Streit gegeben, berichten Verwandte. Das Paar sei geschieden worden, aber für eine räumliche Trennung wurde keine Möglichkeit gefunden. Die Versuche Olesias, den Zustand mithilfe von Behörden zu ändern, seien fehlgeschlagen. Immer wieder habe sie geäußert, Angst zu haben.
Dann sei am Montagnachmittag, 5. August, der unfassbare Anruf gekommen, in dem der Ex-Mann die Tat gestanden habe, so die Cousine. Olesia soll da schon mehrere Stunden tot gewesen sein. Die Kinder waren bei Freunden spielen - sie seien nie mehr in die Wohnung an der Hubert-Prott-Straße zurückgekehrt.
Obduktionsergebnis: Olesia wurde erwürgt und starb durch Ersticken Laut Staatsanwalt soll es am Sonntagabend, 4. August, zum Streit zwischen den beiden Erwachsenen gekommen sein. Die Auseinandersetzung eskalierte und wurde schließlich handgreiflich. Im Verlauf der Streitigkeiten soll der Mann seiner Ex-Frau „komprimierend auf den Hals eingewirkt haben“, heißt es im Juristendeutsch. Olesia wurde erwürgt und starb durch Ersticken, dies bestätigte auch die Obduktion. Wann der Prozess beginnen wird, steht noch nicht fest, es wird aber auf jeden Fall noch mehrere Wochen dauern.
„Wenn Du merkst, dass Dein Leben unbezahlbar ist und das Kostbarste, was Du hast, Deine Aufmerksamkeit, Energie und Zeit ist, dann macht es Sinn, es von etwas zu entfernen, das Dir kein tiefes Glück bringt. Verbeuge Dich einfach mit Respekt vor der gelebten Erfahrung. Möglicherweise mit Dankbarkeit. Und raus!“, lautet der letzte Eintrag auf einer Internetseite von Olesia, sie sprach über Beziehungen. Zwei Tage später war die 35-jährige Mutter tot.
Olesia S. schrieb viele Gedichte, um ihrem inneren Kampf um das Leben kreativen Ausdruck zu verleihen - so auch am 26. Juni 2024.
Ich tanze den Tanz mit mir allein
Mal liebe ich mich, mal kämpfe ich sehr, Mal treibt es mich fort, mal zieht es mich her. Es ist kein Spiel vor großem Licht, Es ist mein Sieg – doch nur für mich.
Ich tanze den Tanz, Blick tief in Blick, Ich weiche nicht aus, ich halte Schritt. Denkst du, ein Engel schaut mir zu? Nein – es ist die Angst, nicht du. Doch in dem Tanz bestimm’ nur ich, Denn meine Fragen führ’n zu mich.
Ich halte inne, die Stille schreit, Ein Echo dröhnt – so laut, so weit. Bin ich mir Feind, mein eig’ner Schmerz? Spielt mein Verstand ein falsches Herz?
Doch ich greife nach mir, lass nicht mehr los, Finde die Wahrheit, sie leuchtet groß. Und tanze den Tanz, so mutig, so frei, Aus Liebe zu mir – ich bleibe dabei
Tipps der Polizei Rhein-Erft-Kreis bei häuslicher Gewalt:
Wählen Sie bei einer akuten Bedrohung die 110 – den Notruf der Polizei. Auch wenn Sie bedroht oder unter Druck gesetzt werden, melden Sie dies unbedingt der Polizei und erstatten Sie Strafanzeige bei der Polizei, wenn Sie Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Denn nur so kann die Polizei schnell geeignete Maßnahmen zum Schutz einleiten und die Ermittlungen aufnehmen.
Notieren Sie sich Einzelheiten zu den Vorfällen wie Datum, Uhrzeit und was genau geschehen ist. Suchen Sie einen Arzt auf, nennen Sie den Ursprung der Verletzungen und lassen Sie sich die Verletzungen attestieren.
Auch der polizeiliche Opferschutz steht Betroffenen zur Verfügung. Die Beamtinnen und Beamten können an entsprechende Beratungs- und Hilfestellen verweisen. Weitere Hinweise unter anderem zum Verhalten in Akutsituationen, zu einstweiligen Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz (z.B. Annäherungs- bzw. Kontaktverbot) sowie zu Rechten und Ansprüchen sind online unter abrufbar.
Kontaktadressen für Hilfesuchende
Rund um die Uhr und in 18 Sprachen erreichen Betroffene das „Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen“ unter der Telefonnummer 116 016. Es sind zusätzlich auch Online-Beratungen, Beratungen in Gebärdensprache sowie in leichter Sprache möglich.
Das Frauenhaus Rhein-Erft-Kreis ist unter 02237/7689 und online erreichbar.
Die App des Vereins „Gewaltfrei in die Zukunft e.V.“ bietet einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und Unterstützungsangeboten und soll als Brücke in das bestehende Hilfenetzwerk dienen.