Rätsel um die Tote von der Autobahn Aktualisiert: 09.03.2009 - 11:23
Ihr Lächeln war immer so ansteckend fröhlich gewesen, und scheinbar nie hatte sie Kummer oder Sorgen.
Zu spät stellten die Nachbarn und Freunde betroffen fest, dass sie eigentlich so gut wie gar nichts wussten über das Privatleben dieser jungen Frau, die ihre Gedanken, ihre Gefühle, ihre Wünsche und Sehnsüchte für sich behielt.
Gertraud Herzog (32) arbeitete als Sachbearbeiterin in der Musikbibliothek der Stadtbücherei im Gasteig. Engagiert, flott und geduldig machte sie ihren Job. Sie kam gut aus mit ihren Kollegen und war beliebt bei den Kunden mit den vielen Musikwünschen. Die 32-Jährige hatte eine kleine Wohnung in der Augustenstraße. Sie bekam nur selten Besuch, hatte keinen festen Freund und liebte die klassische Musik. Wenn sie mal ausging, dann gern in Alternativ-Kneipen, wo sie bei sehr temperamentvollen Diskussionen zuweilen voll auf Konfrontationskurs ging.
Am Abend des 23. Mai 1990 – ein Mittwoch – telefoniert Gertraud mit ihrem Bruder in Traunstein. Sie verspricht: „Morgen komme ich zu Dir. Ich nehme den Zug.“ Doch der Donnerstag – Vatertag und Himmelfahrts-Feiertag – vergeht.
Der Bruder wartet umsonst auf sie. Abends hören Nachbarn aber Musik aus ihrer Wohnung. Gertraud Herzog scheint daheim zu sein. Auf jeden Fall ist jemand in der Wohnung.
Am darauffolgenden Freitag bleibt ihr Platz in der Gasteig-Bibliothek leer. Das ist sehr ungewöhnlich, denn Gertraud hat noch nie unentschuldigt gefehlt. Sie geht auch nicht ans Telefon und in der Wohnung rührt sich nichts. Ihr Chef meldet sie schließlich als vermisst. Die Wohnung wird von der Polizei geöffnet. Von Gertraud Herzog keine Spur.
Vier Tage später – am 29. Mai 1990 – steuert ein Lkw-Fahrer auf der Autobahn A 95 in Richtung Garmisch den letzten Parkplatz vor Seeshaupt an. Er sucht sich ein sichtgeschütztes Gebüsch. Was er dort zufällig findet, treibt ihn auf der Stelle in wilder Panik an die nächste Notrufsäule.
Im Gebüsch liegt eine nackte, halb verbrannte und grausam verstümmelte Frauenleiche – so schlimm entstellt, dass die Kripo Weilheim Probleme mit der Identifizierung und der Sicherung von Spuren bekommt. Die Leiche wurde mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen. Daneben liegt eine braune Wolldecke.
Der Fall wird später an die Münchner Mordkommission abgegeben. Denn die Tote stammt aus München und wurde dort vermutlich ermordet. Es ist die Bibliothekarin Gertraud Herzog. Die Gerichtsmediziner zählen 43 Stiche in Rücken, Brust und sogar in den Hinterkopf – ausgeführt mit großer Kraft. Ein Hinweis darauf, das hier vermutlich große Emotionen im Spiel waren. Wer derart brutal mordet, wird von Hass getrieben und nicht selten auch von Angst.
Die braune Wolldecke, in der ihre Leiche vermutlich aus dem Haus in der Augustenstraße geschafft wurde, stammt aus ihrer Wohnung. Eine Befragung der Nachbarn ergab, dass sie sich am Vatertags-Abend laut mit jemandem gestritten hatte – mit ihrem Mörder? War er auch der Grund, warum sie das vereinbarte Treffen mit ihrem Bruder nicht einhielt?
Der Tod der Bibliothekarin ist voller Rätsel, die die Mordkommission bis heute nicht lösen konnte. Das liegt auch daran, dass Gertraud Herzog offensichtlich selbst mit ihren besten Freunden niemals über Themen wie Liebe, Sex und ihre Männer sprach. So schützt ihre Verschwiegenheit den Mörder bis heute – 18 Jahre über ihren Tod hinaus.
Eine Serie von Dorita Plange
Belohnung in Höhe von 2500 Euro ausgesetzt
Gertraud Herzog hatte kein Auto und auch keinen Führerschein. Aber sie besaß ein schwarz-lila Damenfahrrad (Marke Bavaria spezial), das seit dem Mord verschwunden und nie mehr aufgetaucht ist. Aus der Wohnung verschwand zudem ein Grundig-Videorecorder und ein Sanyo-Farbfernseher. Auch über den Verbleib dieser Gegenstände ist nichts bekannt. Seltsam ist auch, dass der Mörder beim Abtransport der Gegenstände und der Leiche kein einziges Mal gesehen wurde. Vermutlich wartete er die tiefe Nacht dafür ab.
Im März 1991 wurde der Fall bei der ZDF-Fernsehfahndung „Aktenzeichen XY ungelöst“ vorgestellt. Zwar kam eine Vielzahl von Hinweisen. Doch der heiße Tipp war nicht dabei. Auf die Lösung des Falles sind seit damals 2500 Euro Belohnung ausgesetzt. Die Münchner Mordkommission ist jederzeit unter Telefon 089/2910-0 erreichbar.
Das geschah am 24. Mai 1990:
Zum Vatertag 1990 – der 24. Mai – erscheinen die Münchner Zeitungen nur in Notausgaben. Drucker und Journalisten streiken in 30 Verlagshäusern – auch bei der tz. Die Rathaus-Mehrheit lehnte die auf 400 Millionen Mark geschätzte Untertunnelung des Petuelrings ab, Begründung: zu teuer. Franz Schönhuber wirft das Handtuch und erklärt seinen Rücktritt als Chef der Republikaner. Die Rolling Stones touren in diesen Tagen durch Deutschland. Im Kino laufen Knaller wie „Kuck‘ mal wer da spricht“ und „Im Land der Raketenwürmer“. Diego Maradona steckt ein Briefchen mit seinen Wünschen in die Klagemauer in Jerusalem. Und in Magdeburg beginnt ein Prozess, bei dem sogar der Staatsanwalt weint: Dort brachte ein Eltern-Paar bereits zu DDR-Zeiten fünf Babys um und verbrannte sie im Ofen eines Kurheimes.
Sehr wahrscheinlich kannte Gertraud Herzog ihren Mörder aus ihrem sozialen oder persönlichen Umfeld und gewährte ihm deshalb ohne Argwohn Einlass in ihre Wohnung.
Möglicherweise kam es im weiteren Verlauf zu einem verbalen Streit oder der Täter stach aus Eifersucht oder Zurückweisung mehrfach zu.
Vielleicht wollte er durch die Mitnahme ihrer persönlichen Gegenstände wie TV, Videorecorder und Fahrrad einen Raubmord vortäuschen.
War ihre Wohnung tatsächlich der Tatort?
Die Nachbarn vernahmen zwar akustisch dort einen Streit, aber hörten angeblich danach keine Hilfe- oder Schmerzensschreie.
Auch nach der Öffnung ihrer Wohnstätte konnten die Polizisten anscheinend keine Blutflecken in den Räumen entdecken.
Mutmaßlich verbrannte der Mörder ihre sterblichen Überreste, um seine eigenen Spuren zu vernichten sowie die persönliche Identifizierung zu erschweren.
Zitat von HeliosSehr wahrscheinlich kannte Gertraud Herzog ihren Mörder aus ihrem sozialen oder persönlichen Umfeld und gewährte ihm deshalb ohne Argwohn Einlass in ihre Wohnung.
Das ist gut möglich. Sie wohnte auf der Augustenstraße und damit in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Die Musikbibliothek liegt in der gleichen Straße. Als Täter käme jemand in Betracht, den Frau Herzog von ihrem Arbeitsplatz kannte, also ein Nutzer der Bücherei. Jemand, der häufig die Musikbücherei besuchte, weil er vielleicht Musiknoten brauchte? Wurde sie evtl. nach Feierabend verfolgt?
Zitat von HeliosVielleicht wollte er durch die Mitnahme ihrer persönlichen Gegenstände wie TV, Videorecorder und Fahrrad einen Raubmord vortäuschen.
Das vermute ich auch. Der Täter verfügte wohl über ein Auto. Allerdings könnte man mit dem Fahrrad Aufmerksamkeit erregen, wenn man dieses ins Auto packt. Wäre für mich zu riskant.
Merkwürdig finde ich, dass Frau Herzog - von der Arbeitskollegin erst auf den morgigen Feiertag hingwiesen - kurzfristig für den Freitag Urlaub haben wollte. (siehe XY-Film)
Möglicherweise kannte der Täter auch die Gepflogenheiten ihrer Nachbarn im Haus und wusste dadurch Bescheid, zu welchem Zeitpunkt ein Abtransport ihrer Leiche und der entwendeten Gegenstände unauffällig durchgeführt werden konnte.
Unklar ist, ob er tatsächlich einen Raubmord vortäuschen wollte oder beabsichtigte, die mitgenommenen Sachen anderweitig zu verkaufen.
Vermutlich verfügte er ebenso über gute Ortskenntnisse in Richtung Garmisch-Patenkirchen auf der A95.
Die Leiche an der Autobahn / Tödlicher Spaziergang / Ende einer Sommernacht
Die Leiche an der Autobahn: Die Leiche der in München lebenden Gertraud Herzog wird an der Autobahn München-Garmisch gefunden. Die Polizei vermutet, dass die 32-Jährige ihren Mörder kannte, da sie vor ihrem Tod angab, dass sie verfolgt werde und Angst habe. Tödlicher Spaziergang. Der 54-jährige Reinhardt Schönig ist zu Fuß auf dem Weg nach Hause, als er von einem Unbekannten angegriffen und ermordet wird. Später berichten Zeugen, dass ihnen ein Mann aufgefallen sei, der Menschen anpöbele und drohe, sie umzubringen. Ende einer Sommernacht: Jutta Viets verabschiedet sich von ihren Kollegen nach einem gemeinsamen Betriebsausflug. Zeugen sehen die 32 Jahre alte Frau gegen 2:00 Uhr nachts an einer Tankstelle und vor dem gegenüberliegenden Supermarkt in Hamburg-Bahrenfeld. 45 Minuten später wird ihre Leiche in einem nur wenige Schritte entfernten Garten entdeckt. (RTL Crime)