BVerfG zur Wirksamkeit von Kinderehen Deutschland muss Folgen unwirksamer Kinderehen regeln
29.03.2023 Bräutigam (23) und Frau (16) posieren nach ihrer Hochzeitsfeier in Indonesien
Das BVerfG positioniert sich zur Wirksamkeit Kinderehen: Grundsätzliche Regelung zulässig, Folgen für die wirtschaftlich häufig benachteiligten Minderjährigen müssten aber klar geregelt werden.
Seit 2017 gelten im Ausland geschlossene Ehen in Deutschland automatisch als unwirksam, wenn einer der Partner bei der Heirat noch unter 16 Jahre alt war. Das kann man so bestimmen, aber Betroffenenrechte dürfen nicht leiden, so das BVerfG.
Der Gesetzgeber muss eine Regelung, wonach im Ausland geschlossene Ehen von unter 16-Jährigen ("Kinderehen") in Deutschland nicht anerkannt werden, noch einmal überarbeiten: Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 Einführungsgesetz BGB (EGBGB), der diese Vorschrift enthält, ist in seiner jetzigen Form mit der Ehefreiheit des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden (Beschl. v. 01.02.2023, Az. 1 BvL 7/18).
Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB sieht vor, dass eine im Ausland geschlossene Ehe in Deutschland automatisch als unwirksam gilt, wenn einer der Partner noch keine 16 Jahre alt war. Die Regelung war Teil des "Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen", das die schwarz-rote Bundesregierung 2017 vor dem Hintergrund gestiegener Flüchtlingszahlen auf den Weg gebracht hatte. Damals waren vermehrt sehr junge Verheiratete nach Deutschland gekommen. Die Behörden und Gerichte waren damit unterschiedlich umgegangen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2018 Bedenken geäußert, die Vorschrift im Fall eines syrischen Paares anzuwenden. Der Senat hatte deshalb damals das Verfassungsgericht um Überprüfung gebeten.
Freiheit der Ehe verletzt
Fünf Jahre später hat nun das BverfG entschieden: Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB ist zwar mit den die Ehe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG prägenden Prinzipien vereinbar. Er schränke jedoch "wegen fehlender Folgeregelungen und unzureichender Möglichkeiten, die Ehe nach Erreichen der Volljährigkeit inländisch wirksam fortzuführen, die Ehefreiheit unangemessen ein", so das BverfG. Die Regelung sei damit unverhältnismäßig.
Denn Betroffenen, die im Ausland bereits als Eheleute zusammengelebt haben und an ihrer Verbindung in Deutschland festhalten wollen, werde dies durch Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB pauschal verwehrt. Es falle bei dem Grundrechtseingriff schwer ins Gewicht, dass die Partnerinnen und Partner keine Möglichkeit haben, ihre ausländische Ehe nach Erreichen der Volljährigkeit wirksam in Deutschland weiterzuführen. Das berühre die von Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit, die Ehe mit einer selbst gewählten Person einzugehen.
Was passiert, wenn die Ehe nicht wirksam ist?
Belastend wirke sich zudem aus, dass für die Paare sämtliche mit der Ehe verbundenen rechtliche Vorteile wegfielen, stellte das Gericht fest. Gilt eine Ehe nach der Regelung in Deutschland für unwirksam, gebe es auch keine Ansprüche auf einen wirtschaftlichen Ausgleich, so der BVerfG. Ein solcher Ausgleich über §§ 812 ff. BGB erscheine zwar nicht völlig ausgeschlossen. Eine spezifische Regelung fehle aber.
Und selbst wenn nacheheliche Ansprüche wegen der häufig ungünstigen wirtschaftlichen Situation nach einer Flucht beider Parteien nicht besonders hoch ausfallen dürften, könne auf eine entsprechende Regelung nicht verzichtet werden. Ein solcher Verzicht belaste dabei vor allem die zu schützenden Minderjährigen, so das BGH. Damit befänden sich die bei Heirat unter 16-jährigen Partnerinnen und Partner der von Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB erfassten Ehe im Ergebnis in einer ungünstigeren rechtlichen Situation als Minderjährigenehen mit 16- und 17-Jährigen Partnerinnen und Partnern.
Wichtig ist: Das BVerfG hat sich mit seinem Beschluss nicht gegen die grundsätzliche Idee ausgesprochen, Kinderehen in Deutschland nicht anzuerkennen. Ganz im Gegenteil sprechen sich die Richterinnen und Richter positiv gegenüber einer solchen Regelung aus, der Minderjährigenschutz und die Schaffung von Rechtsklarheit seien hohe legitime Ziele. Es sei dem Gesetzgeber auch nicht von vornherein verwehrt, bei unter 16 Jährigen auch ohne Einzelfallprüfung die Ehe als nichtig anzusehen, betont das BVerfG. Allerdings fehlen nach Auffassung des BVerfG im Gesetz Regelungen über die Folgen einer deswegen unwirksamen Ehe. Was passiert, wenn die Ehe nicht wirksam ist? Bestehen Unterhaltsansprüche? Diese Fragen müsse der Gesetzgeber bentworten.
Zeit für eine neue Regelung hat der Gesetzgeber bis Mitte 2024. Regelungen aus dem Unterhaltsrecht, wie besipielsweise §1318 BGB, gelten ab sofort.
************************************************************************* *Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht* Mark Aurel *What goes arount - comes arount * Critical questioning never harms* *********************************************************************************** *Hervorhebung in Kommentaren durch den Verfasser *Äusserungen zu Fällen sind rein spekulativ*