MYSTERIÖSER MORD-ANSCHLAG IN NIENBURG Möbel-Händler vor seiner Firma niedergeschossen
09.12.2014 - 00:09 Uhr
VON JANA GODAU UND STEFAN SIEVERING
Nienburg – Er ist ein erfolgreicher Kaufmann, betreibt ein Geschäft für Büro-Einrichtungen, war Trainer einer Fußballmannschaft, engagiert sich im Ort für wohltätige Zwecke.
Yasar B. (47) ist in Nienburg bekannt und beliebt, gehört zur Lokal-Prominenz. Wer trachtet diesem Mann nach dem Leben?
Der angesehene Unternehmer wurde vorgestern Abend Opfer eines Mordanschlags – auf offener Straße fielen plötzlich zwei Schüsse, die Kugeln trafen ihn in den Oberkörper!
Tatort: die Verdener Landstraße, mitten in der Stadt.
Es ist 21.20 Uhr. Der Unternehmer hat in seinem Geschäft Büroarbeiten erledigt, will Feierabend machen. Als er mit ein paar Kartons zu seinem Auto geht, wird hinterrücks auf ihn gefeuert!
Nachbarn hören, wie es knallt. Sie schauen aus dem Fenster, sehen noch, wie Yasar B. vor seinem Geschäft auf die Straße taumelt. Er stoppt ein Auto, sagt mit letzter Kraft: „Hilfe, Hilfe, auf mich wurde geschossen.“
Die Zeugen alarmieren die Polizei.
Mit lebensgefährlichen Verletzungen kommt Yasar B. in die Klinik. Polizisten bewachen sein Krankenzimmer.
Denn: Von den Tätern fehlt jede Spur. Sie könnten erneut zuschlagen.
Vor dem Geschäft, nahe einer Bahnunterführung, wurden zwei Patronenhülsen gefunden. Die Pistole fehlt. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden: „Das Motiv ist noch völlig unklar!“
Ob etwas geraubt wurde, ist unklar – das Opfer konnte sich noch nicht äußern. Die Polizei (3 0?50?21-9?77?80) hat eine Mordkommission eingerichtet, sucht dringend Zeugen.
Möbelhändler auf offener Straße niedergeschossen – noch keine heiße Spur Thema am 09.12.2014
Yasar B. ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und fast überall bekannt in Nienburg. Am Sonntagabend wird der Möbelhändler auf offener Straße einfach niedergeschossen. Die Szenerie erinnert an einen Mafiafilm. Der 47-jährige Ladenbetreiber liegt zurzeit mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus, während eine 19-köpfige Mordkommission in alle Richtungen hin ermittelt. Die Polizei hofft auf Zeugenhinweise, um mögliche Hinweise auf die Täter zu bekommen.
Zwei Familienclans und ein gescheiterter Killer stehen in Verden vor Gericht
Eine blutige Frage der Ehre 04.09.15
Verden/Nienburg - Von Martin Sommer.
Yasar B. ist nicht da. „Der Mann ist fix und fertig“, sagt sein Anwalt Albrecht-Paul Wegener. „Er ist ein menschliches Wrack.“ Zwei Schüsse aus nächster Nähe in Rücken und Lunge haben das unbeschwerte Leben des Deutschtürken aus Nienburg augenblicklich verändert – weil er die falsche Frau liebte.
Deren Angehörige sahen nach dem außerehelichen Techtelmechtel nämlich die Familienehre verletzt und heuerten laut Staatsanwaltschaft Verden einen klammen Bekannten als Killer an. Yasar B. überlebte den Mordversuch schwer verletzt. Vier Familienmitglieder und der geständige Schütze müssen sich seit gestern vor dem Landgericht Verden für die Bluttat verantworten.
Da sind die Familienoberhäupter Adnan T. und Mustafa B., beide 52 Jahre alt, der eine aus Nienburg, der andere aus Hoya. Asli, die Tochter des einen, verließ Ragip, den Sohn des anderen und ließ sich auf eine sexuelle Beziehung mit dem späteren, verheirateten Opfer ein. Laut Anklage sahen beide Clans ihre Familienehre schwer geschändet. Der betrogene Ragip B. (33) aber auch der Bruder der Ehebrecherin, Umut T. (25), sollen laut Anklage in die Verschwörung eingebunden gewesen sein. „Das Arschloch muss bezahlen“, soll Vater Mustafa B. gesagt haben. Und Adnan T. habe versprochen, als Vater der untreuen Ehefrau für die Kosten aufzukommen.
Da traf es sich, dass Nicolae S., ein Bekannter aus Garbsen-Berenbostel, gerade knapp bei Kasse war und seine Miete nicht bezahlen konnte. Laut Anklage soll Ragip B., der gehörnte Ehemann, 10000 bis 15000 Euro für die Tötung seines Nebenbuhlers in Aussicht gestellt haben.
Die Vorbereitung lief akribisch ab, wie Staatsanwältin Annette Marquardt gestern darlegte: Mustafa und Ragip B. trafen sich mit einem Waffenhändler im Cafe des Vaters, dieser legte 1000 Euro hin, der Sohn steuerte 300 Euro für einen kleinkalibrigen Revolver der Marke Browning bei. Dann wurde Yasar B., der in Nienburg ein Geschäft für Büromöbel betrieb, eingehend observiert. Bis der 7. Dezember 2014 gekommen war; der Tag, an dem die Familienehre wiederhergestellt werden sollte.
Die entscheidenden Minuten begannen mit Rotwein und Kokain. Beides wurde Nicolae S. laut Anklage eingeflößt, „um weniger Strafe zu bekommen, falls etwas schiefgehen sollte“. Dann soll Vater Mustafa B. den angeheuerten Killer nach Nienburg chauffiert und das Opfer identifiziert haben: „Dieses ist der Mann, der mit der Frau meines Sohnes Ragip geschlafen hat“, zitierte die Staatsanwältin. Dann soll Mustafa B. die Tatwaffe mit sechs Schuss Munition übergeben haben. Eine Kugel sollte den Kopf treffen, die fünf anderen den Oberkörper. Anschließend sollte der Schütze die Waffe in die Weser werfen. Soweit der Plan.
Tatsächlich schoss Nicolae S. dem Geschäftsmann zunächst in den Rücken, während dieser sich nach Feierabend in sein Auto beugte. Als das verwundete Opfer sich überrascht umdrehte, versuchte Nicolae S. aus nächster Nähe, das Herz zu treffen. Die zweite Kugel durchschlug die Lunge. Das Opfer sank nieder, Nicolae S. flüchtete in der Erwartung, der blutüberströmte Familienvater werde sterben. Tags darauf soll Mustafa B. mit der gegenteiligen Nachricht beim Schützen aufgetaucht sein. Die erhofften 15000 Euro gab es nun nicht mehr; die Bemühungen sollen den Familienclans aber immer noch 4000 Euro wert gewesen sein. Für Nicolaes säumigen Mietzins reichte es allemal.
Im Prozess hingegen hat Nicolae S. wenig Kredit. „Er hat niemanden geschont – auch sich selbst nicht“, umschreibt Nebenklage-Anwalt Albrecht-Paul Wegener die Situation des Hauptverdächtigen. Er hat seine Mitangeklagten schwer belastet und ein umfassendes Geständnis abgelegt. Auch für den zweiten Sitzungstag in einer Woche stellte sein Verteidiger Matthias Gärtner gestern in Aussicht, „dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Einlassung kommt“.
Wegen seiner Auskunftsbereitschaft genießt Nicolae S. ein Zeugenschutzprogramm. Eine Maßnahme, die für Albrecht-Paul Wegener und seinen Mandanten nicht in Frage kommt – wohlwissend, dass das Leben weiter in Gefahr sein kann: „Wenn das denn ausgemachter Wille ist, dann sind sie nirgends sicher.“
Verden/Nienburg - Von Wiebke Bruns. Der Auftrag zur Tötung eines Nienburger Geschäftsmannes im Dezember 2014 kam aus dem Umfeld der Familie, davon ist die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Verden überzeugt. Doch es gibt keine Beweise für den versuchten Mord und somit endete der unter hohen Sicherheitsvorkehrungen geführte Prozess am Montag mit einem Freispruch für vier der fünf Angeklagten aus Nienburg und Hoya. Der fünfte muss sich weiter vor Gericht verantworten.
Die Anklage stützte sich auf die Aussage des fünften Angeklagten, einen 33-Jährigen aus Garbsen. Der gebürtige Rumäne hatte behauptet, dass ihm der Angeklagte Mustafa B. den Auftrag erteilt habe, den zum Tatzeitpunkt 47-Jährigen zu töten. Dieser hatte eine Affäre mit der Schwiegertochter von Mustafa B.. Ebenfalls angeklagt war Ragip B. als Ehemann der Frau sowie ihr Vater Adnan T. und ihr Bruder Umut T.. Doch für deren Tatbeteiligung beziehungsweise moralische und finanzielle Unterstützung hatte das Gericht keine Beweise.
Über mehrere Verhandlungstage war der Garbsener befragt worden, doch von den anderen Angeklagten, die alle beharrlich geschwiegen hatten, kam einer nach dem anderen auf freien Fuß. Schließlich nahm der 33-Jährige, der sich zunehmend unglaubwürdig gemacht hatte, sein Geständnis komplett zurück und der Weg für seine Mitangeklagten zum Freispruch war frei. Die Abtrennung des Verfahrens und das gestrige Urteil waren die Konsequenz.
Staatsanwaltschaft und Gericht zeigten sich in ihrem Plädoyer beziehungsweise der Urteilsverkündung davon überzeugt, dass Nicolae S. in Tötungsabsicht am Abend des 7. Dezember dem Geschäftsmann vor dessen Geschäft aufgelauert und aus nächster Nähe zwei Schüsse auf den verheirateten Mann abgefeuert hat. „Fest steht auch, dass die Liebesbeziehung der Grund war. Es ging bei diesem Anschlag darum, die Familienehre wieder herzustellen“, so die Erste Staatsanwältin Dr. Annette Marquardt.
„Der Auftrag kam aus dem Umfeld der Familie der Frau. Es konnte aber nicht festgestellt werden, in welcher Art und Weise die vier Angeklagten daran beteiligt gewesen sind“, hieß es in der mündlichen Urteilsbegründung. Für eine Verurteilung muss jedoch die konkrete Art der Beteiligung festgestellt werden, verdeutlichte der Vorsitzende Richter Volker Stronczyk die Schwierigkeit des Verfahrens.
Der Geschäftsmann, der die Tat überlebt hat, ist auf Grund schwerer psychischer Folgen nicht in der Lage, vor Gericht auszusagen. Seine Geliebte lebt wieder mit ihren Kindern bei ihrer Familie und hatte die Aussage vor Gericht verweigert.
„Es ist kein Freispruch wegen erwiesener Unschuld“, betonte der Vorsitzende in der Urteilsbegründung. Gefolgt worden sei dem Grundsatz: Im Zweifel für die Angeklagten. „Soweit die Öffentlichkeit der Ansicht ist, dass sei unbefriedigend – auch der Kammer geht es so. Die Kammer findet es sehr unbefriedigend“, betonte Stronczyk.
Für die mehrmonatige Untersuchungshaft werden alle vier Angeklagten finanziell entlastet. Der Prozess gegen den fünften Angeklagten geht am 19. Januar weiter.