Die schmelzenden Gletscher der Schweiz haben in diesem Sommer unerwartete, makabre Geheimnisse enthüllt: menschliche Überreste und Flugzeugwracks, die seit über 50 Jahren im Eis eingeschlossen waren. Solche Entdeckungen werden sich in den kommenden Jahren häufen, sagt Robert Bolognesi, Experte für Schneewissenschaften.
Wegen Rekordtemperaturen in den Alpen fanden Wandernde Anfang August menschliche Knochen auf dem Chessjengletscher im südlichen Kanton Wallis. Eine Woche zuvor war auf dem Stockjigletscher in der Nähe des Ferienorts Zermatt nordwestlich des Matterhorns bereits eine Leiche gefunden worden.
Ebenfalls Anfang August entdeckte ein Bergführer zudem das Wrack eines Flugzeugs, das vor 50 Jahren auf dem Aletschgletscher in der Nähe der Berggipfel von Jungfrau und Mönch im Berner Oberland abgestürzt war.
Es handelt sich hier um das Wrack eines kleinen Piper-Cherokee-Flugzeugs, das am 30. Juni 1968 in der Jungfrau-Region abgestürzt war. An Bord befanden sich ein Lehrer, ein Chefarzt und dessen Sohn, alle aus Zürich. Die Leichen wurden damals geborgen, das Wrack konnte jedoch nicht vom Gletscher geholt werden.
Die Polizei und die Gerichtsmedizin sammeln menschliche Überreste und andere Objekte, die auf den Gletschern des Kantons Wallis gefunden werden. Anhand von DNA-Proben, Zahnunterlagen und radiologischen Verfahren werden diese anschliessend untersucht.
Die Walliser Kantonspolizei führt eine Liste mit rund 300 Fällen von Personen, die seit 1925 verschwunden sind. Man geht davon aus, dass zwei Drittel von ihnen in den Bergen oder in Gletschern verschwunden sind.
Mehr Leichenfunde Einige Fachleute sind der Meinung, dass immer mehr Leichen und Gegenstände auf den Gletschern auftauchen werden, weil sich die riesigen Eisschilde immer schneller zurückziehen.
"Der Klimawandel verstärkt das Abschmelzen der Gletscher und beschleunigt die Bewegung eines Gletschers", sagt der Schneeforscher Robert Bolognesi, Direktor von Meteorisk, gegenüber dem Schweizer Fernsehen RTS. "So werden die Körper schneller zum Gletschersockel geleitet."
Und da immer mehr Menschen in den Bergen wandern und Gletscher überqueren, werde die Zahl der Funde wahrscheinlich noch steigen. "Von nun an werden viel mehr Überreste gefunden werden als in der Vergangenheit", sagt Bolognesi.
Mit dem Rückgang der Schweizer Gletscher kommen auch immer wieder seltene archäologische Objekte zum Vorschein, die im Eis eingeschlossen waren. Zum Beispiel neolithische Holzbögen und Quarzpfeilspitzen.
Die Walliser Kantonsarchäologie sammelt und erforscht diese Funde. Sie hat auch eine Handy-App entwickelt, die "Icewatcher-App", mit der ungewöhnliche Objekte gemeldet werden können, die in den Bergen oder auf den Gletschern entdeckt wurden.
Nach einem relativ schneearmen Winter erlebten die Schweizer Alpen im Sommer eine starke Hitzewelle. Forschende warnen, dass wegen des Klimawandels bis 2090 fast alles Eis in den Schweizer Alpen verschwinden könnte.
VERMISSTER DEUTSCHER NACH MEHR ALS 30 JAHREN TOT AUF GLETSCHER GEFUNDEN
Zermatt (Schweiz) - Ein seit 1990 vermisster Mann aus Baden-Württemberg ist tot auf einem Gletscher bei Zermatt in der Schweiz gefunden worden.
Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, haben Bergsteiger die sterblichen Überreste sowie Ausrüstungsgegenstände des damals 27-Jährigen Ende Juli auf dem Stockjigletscher entdeckt.
Nach Angaben der Beamten habe ein DNA-Vergleich ergeben, dass es sich dabei zweifelsfrei um den Vermissten aus Nürtingen (Landkreis Esslingen) handelt.
Der Verstorbene war im August 1990 in den Walliser Alpen auf einer mehrtägigen Bergtour von Chamonix (Frankreich) nach Domodossola (Italien) unterwegs.
Als er nicht an seinem Zielort ankam, wurden Rettungsmaßnahmen eingeleitet, die jedoch ohne Ergebnis blieben. Die Polizei geht von einem Unglück aus.
Dass der Mann nun gefunden wurde, hängt nach Angaben der Schweizer Polizei mit dem Rückgang der Gletscher zusammen.
Immer wieder kämen dadurch die sterblichen Überreste von Menschen zum Vorschein, die zum Teil jahrzehntelang als vermisst galten.
Val de Bagnes: Die menschlichen Knochen des Corbassière-Gletschers werden identifiziert
Zitat Die vor Ort gefundenen Elemente ermöglichten Gegenkontrollen, die darauf hindeuteten, dass es sich um einen am 31. Dezember 1974 im Sektor Grand-Combin vermisst gemeldeten Mann handeln könnte. „Wir fanden einen Autoschlüssel und einen Skipass auf dem noch Bahnhofsname und Jahreszahl zu sehen waren“, ergänzt Stève Léger, Sprecher der Kantonspolizei.
ZitatDie Kantonspolizei führt eine Akte von 300 Personen, die seit 1925 verschwunden sind, fast die Hälfte davon in den Bergen. „Diese Akten werden ständig analysiert“, betont Stève Léger, der sich bewusst ist, dass hinter diesem Verschwinden Familien stehen, die auf eine Antwort warten.