Mord am Ostermontag 1984 Plötzlich Verdächtiger in einem Mordfall
Verbrechen in Heidelberger Tiefgarage: Weil er einen VW Käfer fuhr, geriet ein Bergsträßer im April 1984 ins Visier der Ermittler.
28.01.2021, 06:00 Uhr
Von Stefan Hagen
Heidelberg/Rhein-Neckar. Lustig, spannend, außergewöhnlich, herzergreifend: Im Rahmen der Serie Käfer-Geschichten erzählen RNZ-Leser ihre Erlebnisse mit dem Kultauto. Der Beitrag von Werner Kinzig aus einer Gemeinde an der Bergstraße (richtiger Name und Wohnort der Redaktion bekannt) passt in keine der genannten Kategorien. Er geriet – weil er einen VW Käfer fuhr – ins Visier der Ermittler im Rahmen eines Mordfalls.
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Heidelberg im April 1984: In der Stadt gibt es in diesen Tagen nur ein Thema – den brutalen Mord am Ostermontag in der Tiefgarage Plöck/Ebert-Anlage in Höhe der Schießtorstraße. Die Menschen sind entsetzt, können nicht fassen, was in ihrer Stadt geschehen ist. Eine 25-Jährige kommt an diesem Tag ums Leben, ihr 26-jähriger Ehemann wird schwer verletzt.
Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtet am 25. April 1984 wie folgt über das schreckliche Ereignis: "Die Eheleute betraten von der Plöck her die Tiefgarage, um mit ihrem im ersten Untergeschoß abgestellten Fahrzeug nach Hause zu fahren. Als die beiden vom Treppenhaus des Parkhauses die Zugangstür zum ersten Untergeschoß geöffnet und das Parkdeck betreten hatten, wurden sie von zwei Männern angegriffen, die plötzlich vor ihnen auftauchten", heißt es im damaligen Artikel. Der Ehemann habe sich mit einem der Räuber auseinandergesetzt und ihn durch Tritte in den Unterleib vorübergehend außer Gefecht gesetzt.
Seiner Frau habe er zugerufen, dass sie weglaufen solle. Sie sei in Richtung der unteren Parkgeschosse gerannt. Dabei sei sie von dem zweiten Täter verfolgt worden, der sie schließlich im dritten Untergeschoß gestellt habe. Der Verbrecher schneidet der Frau mit einem Klappmesser die Kehle durch.
Die RNZ berichtet weiter: "Nachdem der Ehemann seinen Angreifer ausgeschaltet hatte, war er seiner Frau in Richtung der unteren Geschosse nachgeeilt. Im dritten Untergeschoß sah er seine Frau am Boden liegen, während der Täter mit einem Messer auf sie eindrang. Er sprang den Mann von hinten an und wurde jetzt von dem Mörder seiner Frau mit dem Klappmesser angegriffen und durch fünf Stiche im Bauchbereich sowie am Arm und Bein erheblich verletzt. Der Messerstecher ließ von ihm ab, als er ihm die Waffe in den Leib gestoßen hatte."
Der Mann habe dann mit eigener Kraft das Messer aus seinem Körper gezogen und sich zum Kassen- und Kontrollhäuschen am Haupteingang in der Friedrich-Ebert-Anlage geschleppt. Dort habe er den Überfall gemeldet. Er wird schwer verletzt in die Uni-Klinik gebracht, für seine Frau kommt jede Hilfe zu spät.
Trotz seiner Verletzungen kann der 26-Jährige die Täter beschreiben. Demnach ist der Mörder mit Punker-Haarschnitt 18 bis 20 Jahre alt. Bekleidet war er mit einer Jeans, einer dunklen Lederjacke, er hatte Handschuhe an. Der rechte Ärmel seiner Jacke war zerrissen. Die Tatwaffe war ein Inox-Klappmesser mit einer Gesamtlänge von etwa 20 Zentimetern. Der zweite Täter hat ebenfalls einen dunkelhaarigen Punkerhaarschnitt. Die Haare stehen auf der gesamten Kopfdecke stachelförmig in einer Länge von knapp zehn Zentimetern nach oben. Er trug eine dunkle Lederkombination mit Stulpenhandschuhen.
Zeugen wollen zudem beobachtet haben, heißt es im Artikel, dass kurz nach 22 Uhr am Ostermontagabend zwei junge Männer das Parkhaus auf der Plöckseite verlassen und sich in einen älteren VW-Käfer mit weißer Lackierung gesetzt hätten, der schräg gegenüber geparkt habe. Die Männer seien auffallend rasant gestartet, und in "verwegener Fahrt" durch die Plöck, Friedrichstraße, Landfriedstraße, Märzgasse bis zur Friedrich-Ebert-Anlage gerast und dann in Richtung Hauptbahnhof abgebogen.
Der unbekannte VW-Fahrer sei auf den Gehweg gefahren, um einem anderen Auto auszuweichen. Dabei sei "eine junge Frau, die sich dort aufgehalten und eine Zigarette geraucht habe, in nicht unerhebliche Gefahr geraten". So weit die damalige Berichterstattung.
An dieser Stelle kommt Werner Kinzig ins Spiel. "Wissen Sie noch, wo Sie an dem Abend waren?", habe einer der beiden Kriminalbeamten gefragt, die mehrere Wochen nach der Tat bei ihm geklingelt hatten, erinnert sich der Bergsträßer. "Es war die klassische Frage nach einem Alibi, und ich konnte sie nicht beantworten", erzählt er der RNZ.
"Nun saßen die beiden Kriminalbeamten in meiner Küche und versuchten, mir auf die Sprünge zu helfen. Ob ich mich vielleicht erinnern könne, was im Fernsehen kam. Ich konnte es nicht", sagt Kinzig. Es sei jedoch schnell klar gewesen, dass sie eher versuchten, ihn von der Liste der Verdächtigen zu streichen, als ihm die Tat nachzuweisen.
Am Tatort war ein VW Käfer gesehen worden, an dem einzelne Teile der Karosserie eine andere Farbe hatten, nennt Kinzig den Grund der Befragung. "Das traf auf meinen alten 1200er, Baujahr 1969, zu", bestätigt der Bergsträßer. Nach einem Ausflug ins bergige Wilhelmsfeld hätten ein Kotflügel und die Motorhaube erneuert werden müssen, deutet er an. "Und als Student war ich im Hinblick auf die Farbe der gebrauchten Teile nicht wählerisch." Letztlich seien die Kripobeamten ohne zufriedenstellende Antwort auf die zentrale Frage ihres Besuches gegangen.
"So schnell kann es gehen, dass man kein Alibi hat", hätten Bekannte zu ihm gesagt, als er ihnen vom Besuch der Beamten erzählt habe. Dann die Erlösung: "Doch, du hast ein Alibi", habe ein Freund wenige Tage später bestätigt. "Du warst an dem Abend bei mir, und wir haben zusammen Fernsehen geschaut." Jetzt sei ihm auch der Film wieder eingefallen: "Little Big Man" mit Dustin Hoffman. "So wurde ich doch noch von der Liste der Verdächtigen gestrichen", beendet Kinzig seine Käfer-Geschichte.
Auf Anfrage der RNZ bestätigt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Mannheim: Die Täter wurden bis heute nicht gefasst.