Warum starb ein Rollstuhlfahrer vor dem Hagener Krankenhaus?
Von Christof Voigt
Nach dem Tod eines jungen Rollstuhlfahrers in Hagen ist weiter unklar, warum das Allgemeine Krankenhaus den Mann abgewiesen hat. Laut Obduktion waren seine Organe gesund.
Dominik F. soll in seinem Rollstuhl fast den ganzen Sonntag vor dem Allgemeinen Krankenhaus Hagen (AKH) verbracht und immer wieder um Hilfe gebeten haben. Dennoch wurde er vom Krankenhaus abgewiesen. Kurz darauf starb der 32-Jährige. Die Obduktion hat jetzt ergeben: Die Organe von Chicco, wie seine Freunde aus der Hagener Drogenszene ihn nannten, waren gesund. Es gibt auch keinen Hinweis auf eine Blutvergiftung.
Krankenhaus macht "ausdrücklich von Hausrecht Gebrauch"
Mitarbeiter des Krankenhauses hatten am Sonntagabend die Polizei gerufen und die Beamten aufgefordert, den Rollstuhlfahrer vom Gelände des AKH zu schieben. Nicht, weil der 32-jährige Rollstuhlfahrer dort verbal ausfällig geworden sei, sondern weil er Patienten und Mitarbeiter des Krankenhauses "durch seinen Geruch" belästigt habe, sagt die Hagener Staatsanwaltschaft. Das Krankenhaus habe "ausdrücklich von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht". Zu diesem Zeitpunkt soll Dominik F. schon mehr oder weniger regungslos in seinem Rollstuhl gesessen haben.
Wahrscheinlich keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen Polizisten
Nach WDR-Informationen haben die Polizisten mehrfach nachgefragt, ob der Mann nicht doch ärztlich versorgt werden müsse. Im Protokoll zu diesem Einsatz steht nach Angaben der Hagener Staatsanwaltschaft, dass es seitens der Polizisten eine "intensive Rücksprache mit der Notfallambulanz" gegeben habe. Dass die Polizisten Dominik F. letztlich vom Gelände des AKH an eine nahe Straßenecke geschoben haben, wo er dann nur wenige Minuten später starb, müsse sicherlich behördenintern aufgearbeitet werden, so die Hagener Staatsanwaltschaft. Ein Anfangsverdacht gegen die eingesetzten Polizisten, etwa wegen unterlassener Hilfestellung, ergebe sich aus den bisherigen Ermittlungen aber nicht. Im Rahmen einer Durchsuchung hat die Staatsanwaltschaft alle Behandlungsunterlagen des Patienten beschlagnahmt
Todesursache noch nicht geklärt
Die ersten Obduktionsergebnisse liegen vor, aber sie können nicht erklären, warum der 32-jährige Dominik F. am Sonntag an einer Hagener Straßenecke in seinem Rollstuhl starb. Gerichtsmediziner suchen weiter. Unter anderem danach, ob eine Drogen- oder Alkoholvergiftung den Mann getötet haben könnte. Das ist bei seinem Lebenswandel nicht ausgeschlossen. Außerdem wird seine Leiche auf Covid-19 getestet, Gewebeproben aus dem Gehirn werden auf Tumorzellen untersucht.
++++ Polizeibeamte mit Durchsuchungs- beschluss im AKH ++++
[UPDATE 19:15 Uhr Statement AKH]
► Unerwarteter Besuch im Allgemeinen Krankenhaus: Polizeibeamte aus Wuppertal erschienen am gestrigen Donnerstagnachmittag im AKH, um Krankenakten des am Sonntag verstorbenen 32-jährigen Rollstuhlfahrers zu beschlagnahmen.
Wie berichtet war der Patient, der dem Vernehmen nach noch an seinem Todestag in der Klinik behandelt worden war, unter Berufung auf das Hausrecht vom Krankenhausgelände verwiesen worden, "weil er den Betriebsablauf störe". Hinzugerufene Polizeibeamte schoben den Mann im Rollstuhl daraufhin zur Dömbergstraße und ließen ihn dort alleine zurück. Kurz darauf verstarb er.
Staatsanwalt Jörn Kleimann bestätigte auf Nachfrage von BlaulichtReport Hagen die Beschlagnahme-Aktion im AKH. Er betonte, dass man sich auf Seiten der Krankenhausverwaltung kooperativ gezeigt und die Krankenakten an die Wuppertaler Beamten freiwillig herausgegeben habe.
Zuvor hatte Staatsanwältin Nadine Klein, die für den Ermittlungskomplex eines möglichen Fehlverhaltens von Ärzten und Personal des AKH zuständig ist, beim Amtsgericht Hagen einen entsprechenden Durchsuchungsbeschluss beantragt, der auch so ergangen sei. Die Auswertung durch die Ermittler dauert an.
Statement der Geschäftsführung des AKH:
„Wir alle im AKH – insbesondere die Mitarbeitenden in der Notaufnahme – sind erschüttert über den tragischen Tod unseres Hagener Mitbürgers und sprechen den Angehörigen und Freunden unser Beileid aus. Auch wir kannten den Mann schon länger und die Mitarbeitenden der Notaufnahme haben sich in diesem Fall und auch in der Vergangenheit wiederholt sehr verantwortungsvoll um ihn gekümmert – übrigens über das rein medizinische Maß hinaus.
Dass jetzt unsere Mitarbeitenden, die sich gerade in der aktuellen Zeit der Corona-Pandemie tagein, tagaus mit viel Hingabe um die Menschen in Hagen kümmern, in den sozialen Medien verurteilt und beschimpft werden, ist für uns nicht länger hinnehmbar. Wir wehren uns entschieden gegen Aussagen, dass sich unsere Mitarbeitenden dem Verstorbenen aufgrund seines sozialen Status oder seines körperlichen Zustandes nicht angenommen hätten.
Die Mitarbeitenden des AKH waren und sind immer für alle Menschen da – ganz gleich welcher Herkunft, Religion, Kultur oder dem sozialen Status!
Wir werden im Einzelfall prüfen, auch juristisch gegen beleidigende Kommentare und falsche Behauptungen oder Vorwürfe in den sozialen Medien vorzugehen.
Über die genauen Umstände des Todes wissen wir mittlerweile aufgrund der polizeilichen Ermittlungen, dass der Verstorbene organisch gesund war, es also keinen notfallmedizinischen Behandlungsgrund gab. Wir arbeiten eng mit der ermittelnden Behörde zusammen und haben alle Dokumente zur weiteren Untersuchung übergeben. Mehr können wir zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht und der laufenden Ermittlungen nicht dazu sagen.“
************************************************************************* *Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht* Mark Aurel *What goes arount - comes arount * Critical questioning never harms* *********************************************************************************** *Hervorhebung in Kommentaren durch den Verfasser *Äusserungen zu Fällen sind rein spekulativ*