Auch nach 20 Jahren: Mord an Edelsteinhändlerin aus Bruchköbel weiter ungeklärt 25.07.202012:00
Bruchköbel – Die Akten füllen über 2000 Seiten und einen kompletten Wagen: Wenn es um Kapitalverbrechen geht, dann setzten Kripo und Staatsanwaltschaft Hanau alles daran, den Fall aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Alle Details sind dokumentiert.
Der Fall der Edelsteinhändlerin Anita Hoffmann, die am 25. Juli 2000 in Bruchköbel-Niederissigheim ums Leben gekommen ist, erweist sich jedoch als ein mysteriöses Rätsel, das bislang noch nicht gelöst ist. Obwohl die „Soko Diamant“ sehr intensiv gefahndet und sogar zwei Verdächtiger ins Visier genommen hatte. Gegen beide sind die Ermittlungen eingestellt worden, weil es am Ende keine Beweise für eine Tatbeteiligung gegeben hatte.
Staatsanwaltschaft überprüft regelmäßig neue Ansätze Doch die Suche geht weiter. Mord verjährt nie. „Das Verfahren wird von uns regelmäßig auf neue Ermittlungsansätze geprüft“, sagt Oberstaatsanwalt Dominik Mies.
Es ist jedoch eindeutig: Das Verbrechen ist eine gezielte Tat – es ging um wertvolle Diamanten – und um sehr viel Geld. Die Beute, deren Wert auf mehrere Zehntausend Euro geschätzt wird, ist spurlos verschwunden.
20 Jahre nach der Tat: Ermittler nennen weiter keine Details Was sich in den Mittagsstunden des 25. Juli im Haus der 59-Jährigen abgespielt hat, hat die „Soko“ genauestens rekonstruiert, wie bereits vor zehn Jahren der damals ermittelnde Oberstaatsanwalt Wolfgang Popp versicherte.
Allerdings müssen sich die Ermittler zu Details weiter in Schweigen hüllen. Aus ermittlungstaktischen Gründen, denn das „Täterwissen“ darf nicht preisgegeben werden – es könnte irgendwann entscheidend sein, um den Fall zu lösen.
Diamanten und Schmuck geraubt: Motiv für Bluttat eindeutig Sicher sind sich die Kriminalisten jedoch über das Motiv für die blutige Tat, bei der die wehrlose Frau durch mehrere Schüsse getötet wurde. „Der oder die Täter haben ganz gezielt Diamanten und den Schmuck geraubt. Da war jemand am Werk, der sich genau auskannte“, hieß es bereits kurz nach der Tat von der „Soko Diamant“.
Was die Ermittlungen von Anfang an besonders schwer gemacht hat: Selbst die Nachbarn wussten nicht, dass Anita Hoffmann das Geschäft ihres Mannes weitergeführt und mit den kostbaren Steinen bundesweit gehandelt hatte.
Edelsteinhändlerin hatte großen Kundenkreis Zudem hatte sie einen großen Kundenkreis, den sie mit Edelsteinen, – vornehmlich Diamanten – versorgt hatte. Nichts wies jedoch darauf hin, dass in diesem Haus mit großen Summen gehandelt wurde.
In der Branche ist das keine Seltenheit, denn überwiegend wird im Verborgenen gearbeitet, um die wertvolle Ware nicht zu gefährden. Käufer und Verkäufer haben meist eine solide Vertrauensbasis als Grundlage für ihre Geschäftsbeziehung.
Opfer sprach kurz vor der Tat von einem „großen Geschäft“ So scheint es auch im Juli 2000 gewesen sein. Alle bisherigen Fakten sprechen dafür, dass der oder die unbekannten Täter die 59-Jährige in eine Falle gelockt haben könnten, um an die Beute zu kommen. Und dafür auch vor Mord nicht zurückgeschreckt haben. „Es könnte sich um ein Lockvogelgeschäft gehandelt haben“, so einer der Fahnder. Eine Spur führt zu einem üppigen Rohling aus purem Gold.
Der Auftrag lautete, dass dieser Ring mit rund 60 Brillanten besetzt werden sollte. Die 59-Jährige scheint diesen Auftrag angenommen zu haben. Oder hat es noch einen zweiten großen Deal gegeben? Denn kurz vor der Tat soll die Edelsteinhändlerin im Vertrauen von einem „großen Geschäft“ gesprochen haben. Dafür bestellte sie in einer der europäischen Edelsteinhochburgen wie Antwerpen, Pforzheim oder Idar-Oberstein zahlreiche Diamanten.
Kunden die Tür geöffnet: Opfer muss Täter gekannt haben Mysteriös: Der Verkauf der glitzernden Ware ist dann mehrfach telefonisch verschoben worden. Wer hinter dem Großauftrag steckte, hat die Kripo bis heute nicht in Erfahrung bringen können. Kein Zweifel besteht jedoch, dass Hoffmann den Mörder offenbar gekannt haben muss. Denn an diesem Mittag unterbrach sie ihre Vorbereitungen für das Mittagessen und öffnete selbst die Tür für den Kunden – ihrem späteren Mörder.
Die einzige Spur zu diesem Mann, der auch in Begleitung eines Komplizen gewesen sein könnte: Ein dunkler Volvo mit einem auffälligen, auswärtigen Kennzeichen, das den Buchstaben „Ö“ beinhaltet haben könnte. Trotz der hohen Hürden ist es der Hanauer Kripo gelungen, Licht in den meist von der Öffentlichkeit bewusst abgeschotteten Diamantenhandel zu bringen.
Mordfall aus Bruchköbel landet in bekannter ZDF-Sendung Die ZDF-Fahndungssendung, „Aktenzeichen XY . . . ungelöst“ hat im Herbst 2000 den Fall ausgestrahlt und brachte weitere Hinweise, aber noch keine heiße Spur. Von Hanau aus wurde fortan auch international gefahndet. Bis nach Brasilien reichen inzwischen die Zeugenvernehmungen.
In Thailand gab es dann einen vermeintlichen „Treffer“. In der Hauptstadt Bangkok nahm die Polizei einen Deutschen fest, der unter dringendem Tatverdacht festgenommen, nach Deutschland ausgeliefert und in Untersuchungshaft genommen wurde. Nach sechs Monaten kam er frei, weil die Indizien nicht ausreichten.
Schmuckhändler aus dem Taunus im Visier der Ermittler Die Fahnder ließen nicht locker und nahmen einen zwielichtigen Schmuckhändler aus dem Taunus ins Visier, der sich ebenfalls in Niederissigheim Diamanten gekauft hatte. Nach monatelangen Observationen förderte eine Razzia 1300 Preziosen im Wert von 1,8 Millionen Euro und zehn Kilogramm reines Feingold zutage – alles von sehr mysteriöser Herkunft.
Klartext: „heiße Ware“. Und sogar eine Maschinenpistole fanden die Beamten. Vom Landgericht Frankfurt wurde der Mann dafür ins Gefängnis geschickt – die Mordermittlungen gegen ihn brachten jedoch keinen Beweis.
So bleibt das Verbrechen nach 20 Jahren weiter ungeklärt. Ein „Cold Case“? Oberstaatsanwalt Mies widerspricht vehement: „Für uns ist das kein Cold Case, weil es immer wieder neue Untersuchungsmethoden gibt, die eventuell eine neue Spur bringen können.“