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Stuttgart: Nach Krawallnacht - Polizei will Stammbäume von Tätern ermitteln | Debatte um "Racial Profiling"
Sonntag, 12. Juli 2020 Nach Krawallnacht in Stuttgart Polizei will Stammbäume von Tätern ermitteln
Mitten in die Debatte um Racial Profiling platzt der Stuttgarter Polizeipräsident mit seinem Plan, die genaue Herkunft von Tatverdächtigen aus der Krawallnacht Ende Juni recherchieren zu wollen. Politiker auf Stadt- und Bundesebene reagieren empört. Doch die Behörde verteidigt sich.
Als Folge der Krawallnacht vom 21. Juni in Stuttgart erwägt Polizeipräsident Frank Lutz laut einem Medienbericht, die Stammbäume der Tatverdächtigen zu veröffentlichen. Dies habe er in einer Sitzung des Gemeinderates am Donnerstagabend angekündigt, berichtet die "Stuttgarter Zeitung". Auch bei Tatverdächtigen mit deutschem Pass wolle er mithilfe der Landratsämter die genaue Herkunft ermitteln.
Viele Fragen nach Krawallnacht Acht mutmaßliche Randalierer sitzen in Untersuchungshaft
Dem Bericht zufolge stieß er damit nicht nur im Gemeinderat auf Kritik, sondern auch beim Landesdatenschutzbeauftragten von Baden-Württemberg, Stefan Brink, der die Rechtsgrundlage für solche Recherchen in Zweifel zog. "Aus unserer Sicht ist eine rechtliche Grundlage für solche Nachforschungen zunächst nicht erkennbar." Marcel Roth, Stuttgarter Stadtrat von den Grünen, sagte, er halte das Vorhaben für äußerst problematisch. "Wie viele Generationen muss man in Stuttgart leben, um als Bürger dieser Stadt anerkannt zu werden?"
Und auch in der Bundespolitik sorgte die Ankündigung für Kopfschütteln. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken twitterte: "Das verstört mich nachhaltig." Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart verteidigte die Pläne auf Nachfrage der Zeitung damit, dass es ein großes öffentliches Interesse an der Aufklärung der Straftaten gebe. Die "grundlegende Erhebung personenbezogener Daten" bemesse sich an der "Schwere des Delikts", aber auch daran, dass "ganz Deutschland auf den Fall blickt".
Keine Studie zu "Racial Profiling"
Dem Sprecher zufolge gebe es Fragen dazu, wo die Täter politisch stünden, welches Geschlecht, welche Nationalität und ob sie einen Migrationshintergrund hätten. Letzteres sei nach Ansicht der Behörde dann der Fall, wenn ein Elternteil keine deutsche Staatsbürgerschaft habe. Strafrechtliche Relevanz könne sich aus dieser Frage deshalb ableiten, weil es beim "Jugendstrafrecht schon eine Rolle spielen kann, ob ein Angeklagter aus einem Kriegsgebiet kommt".
Der Vorstoß in Stuttgart gibt der Debatte um "Racial Profiling" bei der Polizei neue Nahrung. Der Begriff beschreibt Fälle, bei denen Beamte Menschen allein aufgrund von äußeren Merkmalen wie der Hautfarbe kontrollieren. Das ist in Deutschland nach dem Grundgesetz verboten. Dennoch wurde nach dem Tod des US-Amerikaners George Floyd auch hierzulande heftig über diskriminierende Polizeimaßnahmen debattiert. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte jedoch eine wissenschaftliche Studie zum Racial Profiling mit der Begründung abgelehnt, er sehe dafür "keinen Bedarf".
Polizisten mit Flaschen beworfen
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte sich ebenfalls gegen eine solche Studie ausgesprochen. Ihr Vize-Vorsitzender Jörg Radek sagte: "Wenn diese Studie das Ziel hat, Rassismus in der Polizei zu untersuchen, dann lehne ich das ab." Eine Untersuchung, bei der es darum gehe, zu überprüfen, ob die Vorschriften, nach denen die Beamten kontrollierten, "hinsichtlich ihrer Bestimmtheit korrekt sind", könnte dagegen sinnvoll sein.
Mitte Juni hatten schwere Krawalle in Stuttgart bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Hunderte Menschen randalierten damals in der Innenstadt und griffen Polizisten an. Die Einsatzkräfte wurden mit Flaschen und Steinen beworfen, etliche Geschäfte wurden geplündert. Unter den festgenommenen Tatverdächtigen waren neben deutschen auch kroatische, irakische, portugiesische und lettische Staatsangehörige.
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Randalierer hatten in der Nacht des 21. Juni zahlreiche Geschäfte zerstört und teilweise geplündert. (Foto: dpa)
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12.07.2020 15:58 1.779 Empörung über "Stammbaum-Forschung" nach Krawallen: Innenminister Strobl stärkt Polizei den Rücken
Von Patrick Hyslop
Stuttgart - Nach der Krawallnacht durchforstet die Polizei den Stammbaum der Tatverdächtigen, erntet dafür viel Kritik - aber auch Lob (TAG24 berichtete). Jetzt hat sich Innenminister Thomas Strobl (60, CDU) zu Wort gemeldet - und den Ermittlern den Rücken gestärkt.
In einer Mitteilung, die sein Ministerium am Sonntagnachmittag verschickte, wird der 60-Jährige folgendermaßen zitiert: "Die Feststellung der Lebens- und Familienverhältnisse ist ein Teil der polizeilichen Ermittlungen, das ist eine Selbstverständlichkeit in einem Strafverfahren."
Insofern stehe Strobl auch in diesem Punkt zur Arbeit und hinter der Polizei. Und weiter: "Die Ausschreitungen in Stuttgart lassen ein bislang unbekanntes Gewalt- und Eskalationspotential der Beteiligten erkennen."
Daran richteten sich auch die Maßnahmen zur justiziellen und polizeilichen Aufarbeitung aus und deswegen würden alle Umstände in die Bewertung einbezogen, "die für die Sanktionierung, aber auch die Prävention von Bedeutung sind".
Die Stuttgarter Polizei ermittele im Strafverfahren auch zu den Lebens- und Familienverhältnissen der identifizierten Tatverdächtigen.
"Deshalb wird in einzelnen Fällen die Nationalität der Eltern von Tatverdächtigen durch Anfragen beim Standesamt erhoben, um zu klären, ob ein Migrationshintergrund gegeben ist", so Strobl.
Dieser liege dann vor, wenn es sich bei einem Elternteil um eine Nichtdeutsche oder einen Nichtdeutschen handele. "Der Begriff 'Stammbaumforschung' ist da fehl am Platze", stellt der Innenminister klar. "Unsere Polizei arbeitet professionell und korrekt."
Informationen sollen auch öffentlicher Diskussion dienen
Zusätzlich zu der strafrechtlichen Aufarbeitung unter Einbeziehung aller persönlichen Umstände der Tatverdächtigen gehe es auch darum, geplante Präventionsmaßnahmen an der jeweiligen Zielgruppe orientiert maßgeschneidert umzusetzen.
Und: "Nicht zuletzt sollen für eine breite öffentliche Diskussion gegebenenfalls eindeutige und verlässliche Informationen zu den Tatverdächtigen kommuniziert werden können. Dazu kann freilich auch die Herkunft bei Tatverdächtigen gehören."
Wie berichtet hatten in der Nacht auf den 21. Juni Hunderte junge Männer in der Stuttgarter Innenstadt randaliert, Geschäfte geplündert und die Polizei attackiert.
Die Mehrheit der Randalierer hatte einen Migrationshintergrund.
Auf Videos war zu sehen, wie etwa "Allahu Akbar" skandiert wurde oder Polizeibeamte als "Hurensöhne" beschimpft wurden.
Auf Twitter hatte das Vorgehen der Polizei am Sonntag den Hashtag #Stammbaumforschung trenden lassen (TAG24 berichtete).
Update 19.13 Uhr: Polizeipräsident sprach nicht von Stammbaumforschung Der 16-minütige Tonschnitt der Gemeinderatssitzung zeigt, dass der Polizeipräsident im Zusammenhang mit den identifizierten Tatverdächtigen nicht von "Stammbaumforschung" gesprochen hat, teilt die Polizei mit. Ein Mitarbeiter der Stadt habe sich den Mitschnitt angehört und zu keinem Zeitpunkt sei die Rede von Stammbaumforschung, er spreche nur von bundesweiten Recherchen bei Standesämtern, der der Migrationshintergrund bei elf Verdächtigen noch nicht klar sei.
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