«Wir haben die Hoffnung mittlerweile aufgegeben» Am 11. Juni 2005 verschwand Jacqueline Heizmann spurlos. Die Basler Staatsanwaltschaft glaubt an ein Verbrechen.
Vor 14 Jahren verschwand die damals 37-jährige Jacqueline Heizmann spurlos. Am Samstag, den 11. Juni 2005, wurde sie gegen Mittag das letzte Mal an ihrem Wohnort im Kleinbasel gesehen, wie es im damaligen Zeugenaufruf der Basler Staatsanwaltschaft hiess. Am Abend zuvor sei sie noch bei ihren Eltern in Oensingen SO gewesen, sagt ihre betagte Mutter Ruth Heizmann heute: «Meine Mutter, also ihre Grossmutter, hatte ihr an diesem Abend gesagt, sie solle die Finger von ihrem Freund lassen.»
Hat er sie ermordet? Ihr Freund ist für die Eltern noch immer der Hauptverdächtige. Am nächsten Tag könnte sie vorgehabt haben, mit ihrem Freund, einem verheirateten Mann, Schluss zu machen, vermutet Ruth Heizmann. «Der im Elsass wohnhafte Franzose, mit dem sie bei einem Logistikunternehmen mit Sitz im Hafen von Basel zusammengearbeitet hatte, wurde denn auch verhaftet und vernommen.» Er habe aber nichts zur Staatsanwaltschaft gesagt, weshalb er wieder freigelassen werden musste.
«Ihr Verschwinden war auffällig»
Markus Melzl, damaliger Sprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt, erinnert sich gut an die Ermittlungen: «Die Vermisste war für ihre Nachbarn eigentlich gut zu fassen. Und somit auch in den umfassenden Umfeldabklärungen seitens der Ermittler. Man kannte sie in ihrer Nachbarschaft im Horburgquartier gut.»
Den letzten Kontakt habe Heizmann wahrscheinlich in einem Quartierladen gehabt, wo sie regelmässig einkaufte, so Melzl. Dass sie nicht zur Arbeit erschien, ohne sich abgemeldet zu haben, brachte die Suche ins Rollen. «Weil sie so gut fassbar war, war es ganz besonders auffällig, dass sie plötzlich verschwunden war», sagt Melzl. Zum verdächtigen Franzosen kann er nicht viel sagen. «Die Zusammenarbeit mit den französischen Behörden war intensiv und gut. Aber die Systemunterschiede sind schon schwierig.»
Der Franzose musste laufen gelassen werden. «Vor etwa sechs Jahren hat er sich das Leben genommen», so die Mutter der Verschwundenen. «Die Polizei sagte uns, dass damit sehr wahrscheinlich sei, dass er etwas mit dem Verschwinden unserer Tochter zu tun hat.» Er nahm das Rätsel um Jacqueline Heizmanns Verbleib mit ins Grab.
«Enorme psychische Belastung für die Angehörigen»
«Vor etwa einem Jahr wurde Jacqueline für verschollen erklärt», sagt die Mutter. Gemäss Markus Melzl können Veschollenerklärungen auf Betreiben der Angehörigen oder der Behörden nach langer Zeit ohne Lebenszeichen der Vermissten ausgesprochen werden. «Für manche hat dies eine stellvertretende Funktion für ein Grab der Vermissten. Da ist es wichtig, denn die Ungewissheit bedeutet eine enorme psychische Belastung für die Angehörigen.»
Jacqueline Heizmann wurde aber von Amtes wegen für verschollen erklärt. Ihre Eltern haben dies nicht von sich aus angestrebt. «Die Hoffnung, unsere Tochter wieder jemals zu sehen, haben wir mittlerweile aufgegeben», sagt Ruth Heizmann. Sie sagt aber auch: «Es ist schon immer noch hart. Abschliessen kann man nie mit so etwas.»
Jacqueline Heizmann (37) vor neun Jahren spurlos verschwunden
Bitte melde dich!
Jeden Tag werden in der Schweiz zehn Menschen als vermisst gemeldet. Eine von ihnen ist Jacqueline Heizmann (37). Ihre Eltern Ruth und Edwin suchen verzweifelt nach ihr. Sie vermuten, dass ihr Freund sie im Wald getötet hat.
Von Deborah Lacourrège und Katia Murmann
3571 Menschen wurden im letzten Jahr in der Schweiz als vermisst gemeldet. Das sind fast zehn pro Tag. Mehr als 90 Prozent der Vermissten tauchen nach wenigen Tagen oder Wochen wieder auf. Mal freiwillig, mal weil die Polizei sie aufgreift. Andere finden Suchtrupps nur noch tot – weil sie einen Unfall hatten oder Suizid begingen. Doch von mehr als hundert Vermissten pro Jahr fehlt jede Spur. So auch von Jacqueline Heizmann.
«Hat ihr Freund sie im Wald getötet?»
Ruth und Edwin Heizmann (72 und 76) aus Oensingen SO vermissen ihre Tochter Jacqueline (damals 37): «Wir sahen sie am Abend des 10. Juni 2005 zum letzten Mal. Am nächsten Morgen erschien sie nicht zur Arbeit. Ihr Arbeitgeber rief uns an und fragte, ob wir wüssten, wo sie sei. Wir hatten keine Ahnung. Sofort machten wir uns auf den Weg nach Basel.
Als wir in Jacquelines Wohnung kamen, war die Polizei schon da. Sie suchten mit Hunden nach ihr, doch die Spur verlor sich auf der Strasse. Sie muss in ein Auto gestiegen sein.
Die Polizei ermittelte in alle Richtungen und vermutete auch, dass sie einfach untergetaucht war. Das hat uns sehr verletzt. Bald aber wurde klar, dass ihr Freund, ein Franzose aus dem Elsass, mit ihrem Verschwinden zu tun haben könnte. Er war verheiratet und hatte eine Familie. Wir vermuten, dass Jacqueline an diesem Samstag zu ihm wollte, um Schluss zu machen.
Die Polizei hat bis heute nie etwas von unserer Tochter gefunden. Es gibt keinen einzigen brauchbaren Hinweis. Es ist, als wäre sie vom Erdboden verschluckt. Wir vermuten, dass ihr Freund sie im Wald getötet hat; die Wälder im Elsass sind sehr dicht. Doch die Tat konnte man ihm nie nachweisen. Vor vier Jahren hat er sich umgebracht. Jetzt wird das Verschwinden von Jacqueline wohl für immer ein Rätsel bleiben.
Dennoch: Wir haben die Hoffnung bis heute nicht aufgegeben. Am Anfang glaubten wir immer, unsere Jacqueline auf der Strasse zu sehen. Die Leute im Dorf redeten. Meinten, sie sei weggelaufen. Wir mussten psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Edwin hatte einen Schlaganfall, eine Folge des Kummers. Ich versuche, die Starke zu sein, weiterzumachen. Trotzdem bleibt es schwer: Wir haben keinen Ort, um zu trauern, kein Grab. Solange man unsere Tochter nicht findet, hoffen wir immer noch, sie könnte eines Tages plötzlich wieder vor unserer Tür stehen.»
Notfallpsychologe Michael Freudiger gibt Tipps
Die Angehörigen von Vermissten gehen durch die Hölle. «In der ersten Phase, kurz nach dem Verschwinden, stehen die Hoffnung und das Suchen im Vordergrund», sagt Notfallpsychologe Michael Freudiger (44) aus Winterthur ZH. Die Polizei engagiert sich, die Angehörigen erfahren viel Unterstützung. «Wenn die Suche eingestellt wird, weil es keine neuen Ansatzpunkte mehr gibt, ist dies für die Zurückgebliebenen sehr schwierig.»
Freudiger selbst hat schon viele Fälle erlebt, in denen Angehörige nicht wissen, was mit ihrem Liebsten passiert ist. «Sie hoffen immer weiter, sind zerrissen zwischen hoffen und Abschied nehmen», sagt er. Die quälende Ungewissheit kann auch krank machen, psychisch wie physisch. Sie kann Familien zerreissen, Ehen in die Brüche gehen lassen. Notfallpsychologe Freudiger rät Angehörigen, ihr Leben an die schwierige Situation anzupassen.
Freudiger selbst hat schon viele Fälle erlebt, in denen Angehörige nicht wissen, was mit ihrem Liebsten passiert ist. «Sie hoffen immer weiter, sind zerrissen zwischen hoffen und Abschied nehmen», sagt er. Die quälende Ungewissheit kann auch krank machen, psychisch wie physisch. Sie kann Familien zerreissen, Ehen in die Brüche gehen lassen. Notfallpsychologe Freudiger rät Angehörigen, ihr Leben an die schwierige Situation anzupassen.
Es sei legitim, sich mit dem Tod des Verschwundenen abzufinden und gleichzeitig weiter zu hoffen, dass der geliebte Mensch eines Tages zurückkehrt. «Behalten Sie seine Kleider, seine persönlichen Gegenstände. Aber legen Sie sie nach einiger Zeit in den Keller, damit sie nicht Ihr eigenes Leben total blockieren.»
Im rätselhaften Fall einer Schweizerin, die seit 2005 spurlos verschwunden ist, hat die Basler Staatsanwaltschaft eine Belohnung ausgesetzt.
Sie geht davon aus, dass die Frau in der Schweiz oder im Elsass Opfer eines Verbrechens wurde.
Die damals 38-Jährige wird seit dem 11. Juni 2005 vermisst. Auch Vermisstenaufrufe blieben erfolglos. Nach breiten Ermittlungen - in Zusammenarbeit mit der französischen Gendarmerie Nationale - sei «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» von einem Verbrechen auszugehen, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit.
Die Leiche der Frau wurde nicht gefunden. Abhanden gekommen ist auch ein orangefarbenes SBB-Arbeits-Überkleid mit Reflektoren. Laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft ist die Frau «offensichtlich nicht verreist»; darauf habe der Zustand ihrer Wohnung hingewiesen. Zudem habe sie ihre Konten seither nicht angetastet.
Die Ermittlungen seien ins grenznahe Elsass ausgedehnt worden, wohin sie nach Aussagen von Freunden gelegentlich gegangen war. Bereits 2005 war ein damals 39-jähriger Franzose - Bekannter oder Freund - als Tatverdächtiger festgenommen, später aber wieder freigelassen worden.
So werden jetzt erneut Zeugen gesucht, auch im Elsass. Für Hinweise, die zum Auffinden der Frau respektive zur Ermittlung der Täterschaft führen, hat die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt 5000 Fr. Belohnung ausgesetzt. (Notiz: www.stawa.bs.ch)