Es war die erste Verurteilung seit der Reform des umstrittenen § 219a StGB, nun will eine Berliner Frauenärztin Verfassungsbeschwerde erheben. Die Norm bringe immer noch keine Rechtssicherheit und schränke Ärzte unzulässig ein.
Eine Berliner Frauenärztin, die wegen unzulässiger Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verurteilt worden ist, zieht vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Wie ihre Anwälte am Mittwoch mitteilten, wehrt sich die Medizinerin gegen die Rechtssprüche des Amtsgericht (AG) Tiergarten und des Kammergerichts (KG).
Bettina G. war im Juni zusammen mit einer Kollegin vom AG Tiergarten zu einer Geldstrafe von jeweils 2.000 Euro verurteilt worden. Es war das erste Urteil dieser Art seit der Neuregelung des umstrittenen § 219a Strafgesetzbuch (StGB) im März dieses Jahrs.
Die Gynäkologinnen hatten auf der Internetseite ihrer Praxis darauf hingewiesen, dass zu den Leistungen einer der Ärztinnen auch ein "medikamentöser, narkosefreier" Abbruch "in geschützter Atmosphäre" gehört. Das AG wertete auch diesen minimalen Zusatz als Verstoß gegen die Norm.
Das KG bestätigte daraufhin das Urteil. Es war der Ansicht, dass es auch nach der Reform der Norm strafbar sei, über die Art und Umstände eines Abbruchs zu informieren. Erlaubt sei nur, "die bloße Vornahme eines Eingriffs" kenntlich zu machen. Durch den Zusatz "in geschützter Atmosphäre" sei der Straftatbestand der unzulässigen Werbung erfüllt. Dem Gericht zufolge hatte nur G. die Abbrüche als eigene Leistung angeboten, das Rechtsmittel ihrer Kollegin hatte dagegen Erfolg.
Anwälte: § 219a StGB macht Ärzte zum Objekt von Nachstellungen
Laut ihren Anwälten geht die Medizinerin davon aus, dass § 219a StGB in seiner neuen Fassung die Grundrechte auf Äußerungs- und Berufsfreiheit der Ärzte verletze. Zudem sei er "in sich widersprüchlich, er adressiert in der Überschrift 'Werbung', verbietet im Text aber auch nicht werbende Mitteilungen", so die Anwälte. Er führe deshalb zu Rechtsunsicherheit für Ärzte und mache sie zum Objekt von Nachstellungen.
Die Verurteilung einer Frauenärztin aus Gießen hatte seinerzeit die bundesweite Debatte über den Abtreibungsparagrafen 219a StGB ins Rollen gebracht. Sie wurde in einem Berufungsprozess vor knapp einer Woche am Landgericht Gießen abermals zu einer Geldstrafe verurteilt.
"Die Verfassungsbeschwerde der Berliner Ärztin Bettina G. gegen den Paragrafen 219a ist konsequent und richtig", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Stephan Thomae. Das Urteil des Landgerichts Gießen habe deutlich gezeigt, dass die Neuregelung der Norm immer noch keine Rechtssicherheit für die Ärzte gebracht habe. Das sei fatal: Ärzte müssten sachlich informieren dürfen. Deswegen führe kein Weg an der schnellstmöglichen Streichung des § 219a StGB vorbei.
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