WIENER EDELSTEINHÄNDLER GILT FÜR DIE POLIZEI ALS "UNBESCHRIEBENES BLATT" Juwelier-Mord: War Eifersucht im Spiel? 2 Polizei überprüft tausende Bekannte. Opfer galt als extrem vorsichtig. Keine Drogen- und Halbwelt-Kontakte. Wien. Die Szenerie könnte einem Tatort-Krimi entstammen: Ein bisher in keiner Weise kriminell, aber dafür wohltätig aufgefallener Wiener Juwelier wird in seinen Geschäftsräumen erschossen aufgefunden. Die Polizei muss sich durch tausende in dessen Telefon und Computer gespeicherte Daten Bekannter ermitteln und hat auch nach fünf Tagen noch nicht die geringste Spur eines Mörders - oder einer Mörderin: Denn das einzig halbwegs Auffällige am Opfer waren mutmaßlich häufige Damenbekanntschaften. vom 01.10.2007, 17:05 Uhr
Werner Grotte Doch im Falle des vergangenen Donnerstag von zwei Schüssen niedergestreckten Juwelenhändlers Werner Haas treten weder Horst Schimansky noch Lena Odenthal auf den Plan, um nach 90 Minuten einen Täter abzuführen: "Wir wissen noch immer nichts und arbeiten uns weiter durch das umfangreiche Datenmaterial", erklärte Ermittler Thomas Stecher am Montag der "Wiener Zeitung".
Klar ist bisher nur, dass der 46-Jährige am Donnerstag zwischen 7 und 12 Uhr Vormittag jemandem, den er offensichtlich gut kannte, Zutritt zu seiner gut gesicherten Wohn- und Geschäftsadresse in der Josefstädter Lammgasse gewährte. Was dann passierte, können sich selbst Branchenexperten nicht erklären.
Seine langjährige Geschäftspartnerin Eva Lugschitz-Ronge fand Haas, den sie schon den ganzen Tag über nicht erreicht hatte, schließlich am Abend kurz vor 20 Uhr in der Wohnung - blutüberströmt und mit zwei Kugeln im Oberkörper; eine von hinten, eine von vorne eingedrungen.
Freundin hat Alibi "Uns fehlt jeglicher Ermittlungsansatz - das Opfer ist bisher noch in keinerlei Weise bei uns aufgefallen; weder im Drogen-, noch im Schmuggler- oder im Prostituiertenmilieu - ein wirklich unbeschriebenes Blatt", fasst es Kriminalist Stecher zusammen.
Man ermittle daher "in alle Richtungen, auch bezüglich eines möglichen Eifersuchtsmordes", so Stecher. Das Opfer, dessen Familie in der Steiermark lebt, war nicht verheiratet, dürfte nämlich rege Kontakte zu zahlreichen Frauen gehabt haben. Wie tief diese waren, müssen die Ermittler jetzt klären.
Denn andererseits soll der begeisterte Golf-Spieler eine slowenisch-stämmige Freundin gehabt haben - diese hat sich aber laut Polizei zum Tatzeitpunkt in ihrer Heimat aufgehalten und somit ein Alibi.
Was die Suche der Polizei ebenfalls erschwert: Man fand den Toten zwar neben dem geöffneten Tresor, weiß aber noch nicht, ob oder was überhaupt fehlt: Zumindest einige wertvolle Stücke lagen nämlich noch in der Wohnung. Nun muss die Polizei zusammen mit Haas Partnerin Inventur machen, um allfälligen Raub nachzuweisen.
In der Branche ist man erschüttert: "Der Werner war ein seriöser Geschäftspartner und ein allseits beliebter Mensch", sagt etwa der Schmuck- und Edelstein-Experte Leopold Rössler. Er kann sich einen "normalen Raubmord sicherlich nicht vorstellen, denn Haas hat niemanden, den er nicht kannte oder mit dem er nicht einen Termin hatte, zu sich hineingelassen, da war er sehr vorsichtig", erinnert sich der langjährige Bekannte.
In der relativ kleinen Wiener Juwelenhändler-Szene war "De Haas Vienna", so nannte er sein 1986 gemeinsam mit Eva Lugschitz-Ronge gegründetes Unternehmen, nicht unter den ganz großen, hatte aber einen klingenden Namen. Denn das Duo bot nicht nur Schmuck an, sondern auch Rohedelsteine als wertgesicherte Geldanlage.
Die international tätige Firma hat Zweigstellen in London und Japan. Darüber hinaus galt De Haas als regelmäßiger Mäzen und Preisstifter für viele Wohltätigkeits-(Damen-)Golfturniere. Zudem war Haas Vizepräsident des renommierten Diamantclub Wien, einer etwa 100 Jahre alten Wiener Juwelen-Händlervereinigung.