VERSCHOLLEN: Pascal Frey ist von der Wanderung nie zurückgekehrt Rund 80 bis 100 Personen werden jährlich im Kanton Zug als vermisst gemeldet. Nur vier wurden in den letzten 20 Jahren auch für verschollen erklärt. Nun soll ein fünfter dazukommen: Am 14. Mai 2012 verschwand Pascal Markus Frey auf einer Wanderung. Christopher Gilb 27.8.2017, 05:00 Uhr
Christopher Gilb
christopher.gilb@zugerzeitung.ch
Wer auf der Homepage der Zuger Polizei die Rubrik Fahndungen und Vermisstenfälle aufruft, findet unter den Vermisstenfällen nur einen Fall – auch dies nicht mehr lange. Wie es kürzlich im Amtsblatt hiess, ist geplant, Pascal Markus Frey, geboren am 29. Juli 1984, als verschollen zu erklären. Diesen Antrag können die Angehörigen beim Richter stellen, wenn es fünf Jahre nach dem Verschwinden kein Lebenszeichen der vermissten Person mehr gegeben hat. Damit wird Frey zukünftig wie ein Toter behandelt und das Nachlassverfahren gestartet.
Frey war zuletzt bei seinen Eltern in Walchwil gemeldet, die letzten drei Jahre vor seinem Verschwinden lebte er aber im Einfamilienhaus seiner Grossmutter in Kriens. Dort brach er am 14. Mai 2012 gegen 13 Uhr zu einer Wanderung zur Musenalp NW auf. «Er ging oft alleine wandern», erinnert sich die Grossmutter heute. Von dieser Wanderung kehrte er aber nicht zurück.
Es lag Schnee an diesem Tag Das grosses Hobby ihres Enkels sei die Fotografie gewesen, vor allem die Naturfotografie. Dieser widmete er sich anscheinend auch, als er zum letzen Mal gesehen wurde. «Ein Mitarbeiter der Musenalpbahn hat ihn ja in der Nähe der Bergstation noch einmal gesehen, wie er gerade fotografierte», erinnert sich die Grossmutter. Damit ist der besagte Mitarbeiter der Bahn nach aktuellem Stand wohl die letzte Person, die Frey lebend gesehen hat. «An diesem Tag lag Schnee auf der Musenalp, vielleicht ist er abgerutscht und dann abgestürzt. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen», sagt seine Grossmutter. Gefunden wurde der Vermisste trotz intensiver Suchaktion nach dem Vorfall seitens der Polizei trotzdem nicht. «In den letzten Jahren wurden noch verschiedenste weitere Abklärungen getätigt. Diese verliefen jedoch ohne Ergebnis», sagt Frank Kleiner, Sprecher der Zuger Polizei, auf Anfrage.
«Er war mein Liebling», sagt seine Grossmutter über ihren vermissten Enkel. Als lieben Kerl, aber introvertiert, beschreibt ihn ein ehemaliger Schulkollege aus Walchwil. «Er war Autist und deshalb eher ein Einzelgänger, man konnte nicht so gut in ihn hineinsehen», sagt die Grossmutter. Vorwürfe, dass sie ihn allein auf Wanderschaft gehen liess, macht sie sich nicht. «Er war ein erwachsener Mann und regelmässig alleine wandern.» Dass er nun für verschollen erklärt werden soll, spiele für sie keine grosse Rolle. «Ganz abschliessen kann man mit so etwas sowieso nie.»
Chris Oeuvray ist Mitglied im Care-Team des Kantons Zug. Sie war öfter bei Angehörigen von vermissten Personen im Einsatz. «Wenn jemand stirbt, ist es wichtig, Abschied zu nehmen, um auch für sich selbst abschliessen zu können. Angehörige von Vermissten sagen sich aber: Solange der Tod nicht bestätigt wurde, stirbt die Hoffnung zuletzt.» Oft würden diese Entscheidungen aufschieben oder Veränderungen nicht zulassen, aus Angst, sie könnten den Platz der vermissten Person dadurch ungerechtfertigt neu besetzen. «Ich empfehle diesen Menschen, die Ungewissheit als Realität anzunehmen und zu akzeptieren. Das heisst nicht, dass man die vermisste Person deshalb vergessen muss.» Jemanden für verschollen erklären zu lassen, sei zwar eher eine administrative Massnahme, aber eine, die helfen könne, Schritt für Schritt loszulassen und den Weg in eine Art von Normalität zurückzufinden.
Jährliche Meldung an die Kesb Den Antrag, dass Pascal Markus Frey für verschollen erklärt wird, hat sein Vater gestellt, der auch sein Beistand ist. «Mein Mann musste beispielsweise weiterhin jährlich über Pascals Bankvermögen eine Auflistung machen und diese an die Kesb schicken, solche Aufwände fallen dann weg, das ist der Grund», sagt die Mutter des Vermissten. Falls jemand Neuigkeiten zum Fall hat, kann er diese noch bis Ende August dem Kantonsgericht mitteilen.
Gibt es diese nicht, wird Frey dann offiziell für verschollen erklärt. Im Kanton Zug wurden in den letzten 20 Jahren laut Gerichtsschreiber Aldo Staub vier Personen für verschollen erklärt. «Frey wäre die fünfte.» Doch was passiert nun, wenn jemand, der für verschollen erklärt wurde, wieder auftaucht? «So einen Fall hatten wir noch nicht», sagt Staub. Wahrscheinlich würde es dann eine Revision geben und der Status «Verschollen» widerrufen. Weit mehr als Verschollene gibt es Vermisste im Kanton Zug. Laut Polizeisprecher Kleiner werden 80 bis 100 Personen pro Jahr als vermisst gemeldet. Doch fast alle würden innerhalb kürzester Zeit gefunden oder selbst wieder auftauchen.