Gerichtsprozesse Frankfurt am Main 03.07.2019 12:06 496 Erfolg im Streit um Abtreibungs-Werbung: Urteil gegen Frauenärztin aufgehoben Oberlandesgericht in Frankfurt hob Urteil des Landgerichtes Gießen am Mittwoch auf
Frankfurt am Main/Gießen - Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben.
Frauenärztin Kristina Hänel vor Gericht.
Hintergrund sei die seit Ende März geänderte Rechtslage, teilte das Gericht am Mittwoch in Frankfurt mit. Das Landgericht Gießen müsse sich nun erneut mit dem Fall befassen (Az.: 1 Ss 15/19).
Hänel war im November 2017 vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden. Das Gericht begründete dies damit, dass Hänel auf ihrer Homepage für Schwangerschaftsabbrüche werbe, was gegen den Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch verstoße, der das öffentliche Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen untersagt.
Der Fall hatte in Deutschland eine breite Debatte darüber ausgelöst, welche Informationen Ärzte zu Schwangerschaftsabbrüchen straflos geben dürfen.
Hänels Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil wies das Landgericht Gießen im Oktober 2018 ab. Ihr Anwalt hatte damals in seinem Plädoyer den Paragrafen 219a in seiner jetzigen Form als verfassungswidrig bezeichnet, da er die Berufsfreiheit von Ärzten und das Informationsrecht der schwangeren Frauen verletze.
Schließlich wurde Ende März dieses Jahres der umstrittene Paragraf um einen Absatz ergänzt, der Klarheit und Rechtssicherheit für Ärzte, Krankenhäuser und andere Einrichtungen schaffen soll, unter welchen Voraussetzungen sie straflos öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen.
Das Oberlandesgericht in Frankfurt wies darauf hin, dass die neue Rechtslage zu einer günstigeren Bewertung für die Angeklagte führen könne.
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Kristina Hänel klagt gegen Holocaust-Vergleich "Ich will einfach nicht ermordet werden" Der Betreiber einer Website vergleicht die Ärztin Kristina Hänel mit Nationalsozialisten im KZ Auschwitz - weil sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Sie fürchtet deshalb um ihr Leben.
Von Lisa Duhm 21.08.2020, 20.21 Uhr
Kristina Hänels Gegner bleibt an diesem Tag unsichtbar. Im Gerichtssaal wartet die Ärztin gemeinsam mit ihrem Anwalt darauf, dass sich der Mann zeigt, der sie als Mörderin bezeichnet. Der sie mit den Nationalsozialisten im KZ Auschwitz vergleicht. Der im Internet behauptet, es klebe "Blut an ihren Händen" - weil sie in ihrer Praxis ungewollte Schwangerschaften beendet. Per Video sollte sich Hänels Gegner zu der Verhandlung zuschalten. Doch nichts passiert. Der Bildschirm bleibt schwarz. ANZEIGE Nawalny-Ärzte gehen nicht von Vergiftung aus - Diagnose steht fest Ein Angebot von
Hänel ist hier, um sich gegen die Anschuldigungen zu wehren, die Klaus Günter Annen auf seiner Website über sie verbreitet. Sie hat den 69-Jährigen verklagt, der verbissen gegen die Ärztin kämpft, die vor drei Jahren zu einer öffentlichen Figur in der Debatte über Abtreibungen geworden ist.
2017 nahm erstmals eine breitere Öffentlichkeit Notiz von Hänel. Die Allgemeinärztin, die auch Abtreibungen durchführt, war zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden. Sie habe auf ihrer Webseite illegal dafür geworben, Schwangerschaftsabbrüche anzubieten, begründete die Staatsanwaltschaft die Anklage.
Bis dahin war die 64-jährige Hausärztin mit eigener Praxis in Gießen gewesen, nebenher bot sie therapeutisches Reiten für behinderte Kinder an. Nun stieg sie plötzlich auf zur Galionsfigur der Gleichberechtigung - für die einen. Und wurde gleichzeitig zum Feindbild von Abtreibungsgegnern. "Schlimmer als die Verbrechen der Nationalsozialisten"
Was Hänel seitdem erlebt, hat auch mit Klaus Günter Annen zu tun. Im Landgericht Hamburg will sie darüber sprechen, was Annen ihr mit den Worten und Bildern antut, die er über sie verbreitet. Der Raum ist bis auf den letzten Platz gefüllt, es sind in etwa so viele Journalisten wie Unterstützer Hänels angereist.
Annen diffamiere mit seinen Äußerungen nicht nur medizinische Fachkräfte wie sie, sondern auch jede ungewollt Schwangere. "Sie bekommt vermittelt, dass das, was sie tut, schlimmer sei als die Verbrechen der Nationalsozialisten", begründete Hänel ihre Klage vorab in einer Mitteilung.
Im Gerichtssaal wird sie persönlicher. Hänel erzählt von ihren fünf Enkeln, die gerade lesen lernen. Sie wisse nicht, wie sie ihnen erklären solle, dass andere sie als Kindsmörderin bezeichnen, sagt Hänel. Aber sie müsse es tun, damit die Information sie nicht irgendwann überrascht. Den Mord an Lübcke nahm Hänel persönlich
Hänel spricht auch über die Angst, mit der sie seit den persönlichen Angriffen der Abtreibungsgegner lebe. Entscheidend sei dafür auch der Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke gewesen. Sie habe das sofort persönlich genommen, sagt Hänel.
Zwar halte sie es für unwahrscheinlich, dass jemand wie Annen sie körperlich angreife. "Aber irgendwann wird derjenige kommen, der das alles nicht richtig kapiert, und dann ist meine Chance, eines nicht natürlichen Todes zu sterben, extrem erhöht", sagt Hänel. Dann bricht ihre Stimme: "Ich will einfach nicht ermordet werden."
Der Prozess gegen Kristina Hänel löste 2017 eine gesellschaftliche Debatte über den Paragrafen 219a aus, der Werbung für Abtreibungen unter Strafe stellt. Ein Riss ging durch die Regierungskoalition: Die SPD forderte die Abschaffung des Paragrafen, die Union hielt daran fest.
Erst nach Monaten des politischen Ringens wurde man sich mit einem Kompromiss einig: Der umstrittene Paragraf blieb zwar bestehen, erhielt aber einige Zusätze. Ärzte dürfen seitdem öffentlich informieren, dass sie Abbrüche vornehmen. Für weitergehende Informationen müssen sie jedoch an andere Stellen verweisen.
Hänel befand damals, dass diese Regelung keinen Sieg darstelle: Die Änderung sei absurd und schaffe für die Ärzte keine Rechtssicherheit.
Auch rechtlich half ihr die Neuregelung nicht weiter: Nur wenige Monate später wurde Hänel im Dezember 2019 in einem Berufungsprozess zu einer Geldstrafe von 2500 Euro verurteilt. Das Landgericht Gießen sah es als erwiesen an, dass sich die Medizinerin mit Informationen, die sie auf ihrer Internetseite zu Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung gestellt hatte, strafbar gemacht hat. Ein Leben in Angst
Vor dem Hamburger Landgericht gibt sich Hänel stark, scheint nichts davon zu bereuen. In die Kamera eines Journalisten sagt sie, das Wichtigste sei ihr, dass die Öffentlichkeit davon erfahre, was Ärztinnen wie ihr geschehe. Man bringe sie mit solchen Regelungen in Lebensgefahr. Der Staat müsse handeln, um das zu ändern.
Im persönlichen Gespräch aber, abseits der Kameras, senkt Hänel den Blick, wenn man sie fragt, wie es ihr persönlich geht. Abends ziehe sie jetzt immer die Gardinen zu, aus Angst, man könne sie beobachten, erzählt sie dann. Bevor sie ihr Haus verlasse, überlege sie genau, welcher Weg der sicherste sei.
Vor dem Gericht erzielt Hänel an diesem Tag nur teilweise einen Erfolg. Der Holocaust-Vergleich sei wohl rechtswidrig, sagt die Richterin. Das Urteil will sie am Montag verkünden. Eins aber sei schon klar: Dass Blut an Kristina Hänels Händen klebe, darf Klaus Günter Annen wohl auch weiterhin behaupten. Sie sei ja schließlich Ärztin. Da gehöre Blut nun einmal zum Beruf.
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