Zuerst hatte Student Frank Tiemann (32) gedacht, dass es sich um ein Versehen handelt – oder einen Scherz. Weil er sich einmal in der Woche Essen bei der Berliner Tafel holte, kürzte das Bezirksamt Lichtenberg ihm das Wohngeld. Es bezifferte die Sachkosten für Lebensmittel, die er dort bekommt, auf knapp 2900 Euro im Jahr. Der Fall sorgt bundesweit für Schlagzeilen.
Die Vorsitzende der Tafel, Sabine Werth, spricht von einem „willkürlichen und rechtswidrigen Vorgehen“. Der Anwalt der Tafel nennt es schlicht einen Verwaltungsfehler. Der Betroffene findet es eine „Sauerei“ und dem Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) ist die Sache peinlich.
450-Euro-Job reicht zum Leben nicht
Doch der Reihe nach: Informatikstudent Frank Tiemann beantragt Anfang Juli 2018 Wohngeld. Er hat einen Nebenjob, mit dem er 450 Euro verdient. Weil er für seine Einraumwohnung in Hohenschönhausen 280 Euro Miete zahlt, braucht er mehr Geld zum Leben. BAföG kriegt er keins mehr.
Als das Bezirksamt Lichtenberg nach seinem ersten Antrag nach Einkünften fragt, antwortet Tiemann ehrlich, dass er einmal pro Woche zur Tafel gehe. Bei der Organisation arbeitet er übrigens auch ehrenamtlich. In der Regel wird hier Ware verteilt, die in den Supermärkten schon aussortiert wurde. In Berlin gibt es 42 Ausgabestellen. „Ich habe mit 150 Euro bis 200 Euro Wohngeld gerechnet. Doch es wurden nur 85 Euro genehmigt“, so der Student zum „Berliner Kurier“.
Selbst als er im August 2018 Widerspruch einlegt, bleibt das Amt hart. Es geht davon aus, dass die Tafel Frank Tiemann in vollem Umfang unterstützt. Und das koste 421 Euro im Monat. Gerechnet auf ein Jahr seien es 2892 Euro. Die Berliner Tafel hielt diese Peinlichkeit lange unter Verschluss. Anfang der Woche ging der Verein dann doch an die Presse. Tafel-Anwalt Dietmar Sedlaczek sagt: „Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Der Handel bewertet die Lebensmittelspende der Tafel mit 0 Euro. Sie kann also nicht auf die Einkünfte angerechnet werden.“ Der ganze Vorgang sei schlicht falsch. Auch weil Tiemann pro Spende 1,50 Euro zahlte. „Eigentlich hat er die Ware gekauft“, so der Anwalt. Seine Vermutung: Ein eifriger Sachbearbeiter wollte zu viel. Bezirksbürgermeister Grunst macht den Fall zur Chefsache
Die Berliner Tafel teilt weiter mit: „Diese Summen sind willkürlich festgelegt und entbehren jeder Grundlage.“ Die Entscheidung enthalte diverse Fehler. Die Unterstützung sei nur für wenige Tage gedacht, niemals für eine vollständige Versorgung. „Wir sind schon immer ein unabhängiger Hilfsverein, damit keine Leistungen vom Staat gegengerechnet werden können. Wir wollen keine staatliche Hilfe “, so Sprecherin Antje Trölsch.
Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) bemüht sich um Schadensbegrenzung. Sein Rechtsamtsleiter prüft die Sache. Grunst sagt: „Es ist traurig genug, dass Menschen auf die Tafel angewiesen sind. Es wäre absurd, ihnen diese Lebensmittel als Einkommen anzurechnen.“
Katrin Framke, Lichtenbergs Stadträtin für Bürgerdienste (für Linke), sieht es differenzierter. „Juristisch handelt es sich hier möglicherweise um eine Grauzone.“ Sie lässt den Fall vom Rechtsamt sowie von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung prüfen. Sie persönlich meint, dass Unterstützung „grundsätzlich nicht als Einkommen angerechnet werden sollte“.
Frank Tiemann verzichtet inzwischen auf das Wohngeld und hat einen zweiten Nebenjob angenommen. Bei einer IT-Sicherheitsfirma kriegt er zusätzlich 470 Euro.
Anfang 2020 möchte er das Studium fertig haben. „Für mich ist die Sache nicht mehr relevant, aber trotzdem ist es eine Sauerei“, sagt er. Tiemann fürchtet, dass die Ämter in noch mehr Fällen so vorgehen könnten. „Vielleicht werden noch mehr Bedürftige nun mit reingezogen“, sagt er.
************************************************************************* *Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht* Mark Aurel *What goes arount - comes arount * Critical questioning never harms* *********************************************************************************** *Hervorhebung in Kommentaren durch den Verfasser *Äusserungen zu Fällen sind rein spekulativ*
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