Pfadfinder sexuell missbraucht Ermittler berichten über Verdacht gegen zwei Jugendbetreuer
Zwei Betreuer einer Pfadfindergruppe in Staufen sollen Kinder jahrelang sexuell missbraucht haben. Die Polizei ermittelt gegen die beiden Männer. Die Details des Falls klingen erschütternd.
Erste Staatsanwältin Nikola Nowak, ihr Behördenleiter Dieter Inhofer, Leitender Kriminaldirektor Peter Egetemaier und Kriminalhauptkommissar Mathias Kaiser (v.l.) erläutern auf einer Pressekonferenz in Freiburg die bisherigen Erkenntnisse im Missbrauchsfall von Staufen.
Beide Männer waren ehrenamtliche Betreuer einer evangelischen Pfadfindergruppe. Beide sollen Kinder sexuell missbraucht haben. Tatort: die Kleinstadt Staufen bei Freiburg, durch einen anderen Missbrauchsfall überregional bekannt. Im neuen Fall wissen die Ermittler bislang von fünf Opfern, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft heute in Freiburg mit. Hauptverdächtiger: ein 41-Jähriger. Er soll sich an vier Jungen vergangen haben. Der zweite Verdächtige: ein 27-Jähriger. Er soll ein Mädchen sexuell missbraucht haben.
Im Zentrum der Ermittlungen stehe der 41-Jährige, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Freiburg, Dieter Inhofer in der Pressekonferenz. Der Deutsche sitzt seit Februar in Untersuchungshaft, weil er vier Jungen missbraucht haben soll. Der frühere Mitarbeiter der evangelischen Kirchengemeinde Staufen betreute Pfadfinder. 2009 bis 2018 soll er sich an den Jungen vergangen haben. Sie waren damals 8 bis 14 Jahre alt.
Opfer bis heute traumatisiert «Er hat sich die Kinder gezielt ausgesucht», sagte Chefermittler Mathias Kaiser. Er habe sie unter Druck gesetzt und sie jeweils bis zu 400 Mal sexuell missbraucht. «Es kam pro Opfer zu mehreren Übergriffen wöchentlich.» Die Kinder seien bis heute schwer traumatisiert. Sie litten unter «enormen, psychischen Belastungen». Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es weitere Opfer gebe. Die Polizei hofft, dass diese sich noch melden.
Zwei der Jungen hat der Mann in seiner Funktion als ehrenamtlicher Betreuer der Pfadfinder kennengelernt. Ihm wird vorgeworfen, sie 2009 bis 2013 missbraucht zu haben. Die zwei anderen Jungen kannte er den Ermittlern zufolge durch Freizeit-Aktivitäten. Hier soll es von 2014 bis 2018 zum Missbrauch gekommen sein. Zu der Pfadfindergruppe gab es bei diesen Opfern keine Verbindung. Der Mann arbeitet für die Kirche, wie diese bestätigte.
Schon einmal wegen Missbrauchs angeklagt Ins Rollen kamen die Ermittlungen, als im Februar die Mutter eines heute 17-Jährigen zur Polizei kam und Anzeige erstattete. Vier Tage später wurde der 41-Jährige festgenommen. Er schweigt zu den Vorwürfen, sagte Staatsanwältin Nikola Novak.
Der Mann aus Staufen ist den Ermittlern kein Unbekannter. Bereits 2004 bis 2007 war gegen ihn wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs ermittelt worden. «Es stand damals Aussage gegen Aussage», so Novak. Die Staatsanwaltschaft wollte eine Geldstrafe, das Landgericht Freiburg sprach den Mann frei. Er ist also nicht vorbestraft. Ungeachtet des damaligen Verfahrens arbeitete er bis vor mehreren Jahren bei der evangelischen Kirche und betreute Kinder.
Gegen die Kirche, für die der Mann arbeitete oder das Jugendamt wird nicht ermittelt, sagte der Leiter der Freiburger Kriminalpolizei, Peter Egetemaier. Hinweise auf Fehler gebe es dort nicht.
Beide Beschuldigte schweigen Auch der 27-jährige Tatverdächtige war Betreuer der örtlichen Pfadfinder-Gruppe. Ihm wird vorgeworfen, ein Mädchen mehrfach sexuell missbraucht zu haben, als dieses 13 und 14 Jahre alt war. Die Taten liegen den Ermittlern zufolge sechs und sieben Jahre zurück. Der Mann schweigt zu dem Vorwurf, ein Haftbefehl gibt es nicht. Bislang hat die Polizei mehr als 100 Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene befragt, sagte Kaiser. Es werde weiter ermittelt.
«Wieder trifft es das beschauliche Städtchen Staufen», bedauert Kripochef Egetemaier. Einen Zusammenhang zu den Verbrechen an einem heute zehn Jahre alten Jungen, die den knapp 8.300 Einwohner zählenden Touristenort überregional in die Schlagzeilen brachten, gebe es jedoch nicht. Anfang August vergangenen Jahres hatte das Landgericht Freiburg die Mutter dieses Jungen und ihren Lebensgefährten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie das Kind Männern zum Vergewaltigen überlassen hatten und sich selbst jahrelang an ihm vergingen (e110 berichtete).
Pfadfinderschaft beugt vor Verlässliche Zahlen zu sexuellen Übergriffen bei Pfadfindern gibt es nicht, sagt ein Sprecher der katholischen Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg. Diese Organisation habe mit dem Fall in Staufen zwar nichts zu tun, kümmert sich aber den Angaben zufolge um Prävention.
Pfadfinder seien dabei, Prävention auszubauen, sagt Vorstandsmitglied Joschka Hench. So müssten Betreuer Fortbildungen besuchen, zudem gebe es für Opfer Hilfsangebote. Bei Übergriffen würden Täter und Verdächtige registriert. So werde verhindert, dass sie an anderer Stelle im Verband erneut tätig werden könnten.