Mordfall Hartmut Felix Bürger Kriminalisten aus dem Harz stechen in ein Wespennest Von Hendrik Kranert 31.03.04, 21:15 Uhr
Halberstadt/Berlin/MZ. - In Berlin sind sie zur Zeit die Größten: Die Beamten der Soko "Audi" genießen bei ihren Kollegen Starstatus - weil sie einen Ring aus Wirtschaftskriminellen gesprengt haben. "Eindeutig organisierte Kriminalität", sagt Ermittler Burkhardt Hocke. Auf der Suche nach den Mördern des Harzgeröder Unternehmers Hartmut Felix Bürger haben die Kriminalisten aus dem Harz in ein Wespennest gestochen.
Bürger ist drei Jahre tot - und noch immer fehlt der entscheidende Hinweis auf die Täter. Doch Soko-Chef Frank Götze hat die Hoffnung nie aufgegeben - zu Recht, wie sich jetzt zeigt: "So dicht dran waren wir noch nie", erklärt Götze. Dabei stand die Soko "Audi", schon kurz vor ihrer Auflösung. Doch ein Hinweis nach einer Fernsehsendung über die Bluttat führt die Kripo über zwei Jahre später wieder auf eine heiße Spur - nach Berlin. Dreh- und Angelpunkt der Ermittlungen ist ein dort lebender Russe.
Ein Ehepaar aus dem Harz, einst mit Bürger freundschaftlich und geschäftlich verbunden, hatte versucht, ausstehende Schulden bei ihrem einstigen Kompagnon mit Druck einzutreiben. Doch ein erster Erpressungsversuch scheitert. Im März 2001 will man Bürger mit Gewalt dazu bringen, dass er seine Schulden begleicht. "Man suchte Leute, die dieses Handwerk besser verstehen", sagt Ermittler Hocke. Der Geschäftsführer einer Ascherslebener Baumaschinenfirma stellt über einen weiteren Kontaktmann in Berlin den Draht zu dem 37-jährigen Russen her. Der bekommt den Auftrag, sich um Bürger "zu kümmern".
"Das ist ganz offensichtlich auch geschehen", sagt Ermittler Hocke. Zusammen mit mindestens zwei Kumpanen soll der Russe am 30. März 2001 in Bürgers Firma in Harzgerode gewesen sein. Während der mutmaßliche Drahtzieher der "Disziplinierungsmaßnahme" sich vermutlich nicht selbst die Finger schmutzig macht, schlagen die anderen beiden zu. So heftig, dass Bürger wenig später stirbt (die MZ berichtete). Da die Leiche Bürgers in seinem Audi am Flughafen gefunden wurde, gehen die Ermittlern davon aus, dass die beiden Schläger das Land verlassen haben. Der Russe aber bleibt, um seinen Geschäften nachzugehen.
Und auf die stößt die Soko während ihrer Ermittlungen in Berlin: "Wir haben ein komplettes System von Finanz- und Wirtschaftsstraftaten aufgedeckt", sagt Hocke. Allein 86 Firmen soll der Russe geführt haben - über Strohmänner, weil er wegen Konkursverschleppung nicht selber als Geschäftsführer mehr tätig werden durfte. Das Gros der Unternehmungen sind Briefkastenfirmen - in Konkurs gegangene Gesellschaften, die aufgekauft wurden, um mit diesen Geschäfte aller Art in ganz Europa abzuwickeln.
Verbotenen GmbH-Mantel-Handel nennen Juristen so etwas. "Die haben alles Mögliche über diese Firmen ge- und verkauft - von der Stecknadel bis zur Recycling-Anlage", so Hocke. Die Gewinne sollen jedoch nicht versteuert worden sein. Unter Führung der Halberstädter Beamten gab es in Berlin über ein Dutzend Durchsuchungen mit 130 Beamten. 21 Vernehmungen und zwei Haftbefehle folgten. Aus dem mysteriösen Mordfall Bürger ist ein Kriminalstück geworden, das inzwischen neben der Polizei auch Zoll und Steuerfahndung, Grundbuch- und Gewerbeämter beschäftigt. Es geht um Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Konkursverschleppung, Verstöße gegen das Telekommunikations- und das Sprengstoffgesetz, schwere Brandstiftung, und, und, und.
Und der Kern der Geschichte - die Suche nach Bürgers Mördern? "Die geht natürlich weiter", sagt Soko-Chef Götze. Der Erkenntnisgewinn in Berlin, aber auch auf der so genannten Ascherslebener Schiene, habe dazu geführt, dass alte Spuren neuen Wert bekommen. "Wir wälzen jetzt noch einmal alle Akten", erklärt Burkhardt Hocke. Zwar sind die Details der Tat rekonstruiert, Auftraggeber und Auftragnehmer bekannt. Doch was noch immer fehlt, sind die Täter.
Außerdem: Der Mord an Hartmut Bürger - Im März 2001 verschwindet in Halberstadt der Bau-Unternehmer Hartmut Felix Bürger spurlos, ebenso sein dunkelgrüner Audi A6. Blutspuren in einer seiner Firmen deuten darauf hin, dass etwas Schreckliches passiert sein muss. Erst zwei Monate später wird Bürgers Leiche im Kofferraum seines Wagens am 70 Kilometer entfernten Flughafen Halle-Leipzig entdeckt. Die Frage nach einem Motiv gestaltet sich schwierig, denn Hartmut Felix Bürger hatte mehr Feinde als Freunde.