10 Minuten nach Abfahrt vom Flughafen steht Heinz Schlund mit seinem schwarzen Citroen auf einem Seitenstreifen und wird von einem unbekannten Fahrgast erschossen.
Ein Schreiner im VW-Käfer wird zufällig auf die Vorgänge der Tat aufmerksam und liefert sich anschließend eine turbulente Verfolgungsjagd im Offenbacher Kreisel.
Der Mörder kann jedoch seinen Verfolger irgendwann abschütteln.
Später versucht der Täter mit dem gestohlenen Taxi in Offenbach eine Bank auszurauben.
Das Vorgehen scheitert allerdings aufgrund von Sicherheitsglas, dass schusssicher ist.
Das Taxi wird 90 Minuten später in der Nähe vom Frankfurter Südfriedhof aufgefunden.
Serienweise brachten sich lebensmüde Bundesbürger im Jahre 1954 mit dem Pflanzenschutzmittel E 605 um - an einem einzigen Tag im März acht Menschen.
Um die Jahreswende 1959/60 schien die Kette von Hakenkreuz-Schmierereien nicht abzureißen - 470 antisemitische Akte in einem Monat. Sexualmorde an Kindern häuften sich im Sommer 1962 in Nordrhein-Westfalen - vier in 16 Tagen. Und jetzt, seit Mitte November dieses Jahres, gilt das blutige Gesetz der Serie für Deutschlands Taxi-Fahrer. Innerhalb von drei Wochen wurden fünf Taxi-Fahrer ermordet. Der Münchner Manfred von Bertoldi, 25, war - am 12. November - das erste Opfer: erstochen und beraubt.
Dann: - 14. November - der Frankfurter Taxi-Fahrer Heinz Schlund, 44, wird in der Mittagszeit mit drei Pistolenschüssen getötet und beraubt. - 20. November - der Würzburger Taxi-Fahrer Eduard Wehnert, 41, wird abends auf einer Fahrt nach Kitzingen durch 39 Stilettstiche in den Rücken getötet und beraubt. - 28. November - der West-Berliner Taxi-Fahrer Alfons Rosenthal, 54, wird in den frühen Morgenstunden erschlagen und beraubt. - 4. Dezember - der Osnabrücker Taxi-Fahrer Felix Reese, 30, wird nachts mit einem Gewehr durch Kopfschuß getötet. - 6. Dezember - der Münchner Taxi -Fahrer Karl Walther, 29, wird abends von drei ausländischen Fahrgästen am Hals gewürgt und mit einer Pistole bedroht: "Wir brauchen bissel Geld." Walther kann sich losreißen und kommt mit dem Leben davon.
Nachahmungskriminalität nennen Kriminologen derartige Kettenreaktionen, die Lebensmüde wie Triebtäter, Autobahn-Gangster wie Taxi-Räuber mitreißen. Bei diesen "Anschluß-Tätern" genügt mitunter eine Zeitungsschlagzeile, eine Rundfunkmeldung, um den kriminellen Impuls freizusetzen.
Gewalttätigen Zorn wiederum setzte die jüngste Serie von Anschlußtaten bei Deutschlands Taxi-Fahrern frei. Am Mittwoch letzter Woche drohten in Köln fast 100 Droschken-Fahrer, zwei Fahrgäste "fertig zu machen"; sie waren mit einem Taxi-Lenker in Streit geraten, der daraufhin seine Kollegen über die Funkanlage herbeirief. Taxi-Fahrer waren es auch, die nach dem Mord an ihrem Kollegen Max Eckert, 32, am 7. Oktober in Düsseldorf mit 600 Droschken in blindwütiger Rachsucht den Verkehr blockierten, Passanten verprügelten und Gammler zu lynchen drohten. Und Mitte Oktober störten Taxi-Fahrer den Funksprechverkehr ihres Kollegen Hermann Linder in Wuppertal, dem brieflich beschieden wurde: "Wir schlagen dich zusammen." Denn Linder hatte eine Schutzvorrichtung gegen Überfälle in seinen Wagen eingebaut, wie sie vom 1. Januar nächsten Jahres an für alle neu zugelassenen Taxis ohnehin vorgeschrieben ist: eine Trennscheibe zwischen Fahrersitz und Fahrgastraum.
Das Abgründige in Deutschlands Taxi-Fahrern läßt sich nur aus ihrer speziellen Gemütsverfassung erklären: Wütender noch als gegen die Abneigung des Bonner Parlaments, eigens wegen der Taxi-Morde die Todesstrafe wieder einzuführen, rasen sie gegen die Wand, die ihnen das Verkehrsministerium zu ihrem eigenen Schutz verschrieben hat. Nach einer gewerbeinternen Umfrage sind 95 Prozent der Taxi-Fahrer dagegen. Als mit demoskopischen Argumenten und Protesttelegrammen an den damaligen Bundesverkehrsminister Seebohm nichts mehr gegen die Trennscheiben-Verordnung auszurichten war, legten sie sogar Verfassungsbeschwerde ein. Auf 60 Seiten argumentierte der mitgliedstarke "Bundesverband des Deutschen Personenverkehrsgewerbes" (BDP), daß durch die Trennscheibe
- Leib und Leben von Fahrern und Fahrgästen (Unfälle durch Aufprallen) gefährdet würden; - in die freie Entfaltung der Fahrer -Persönlichkeit eingegriffen werde; - die freie Ausübung des Berufs durch "unzumutbare Auflagen" beeinträchtigt werde: "erhebliche wirtschaftliche und persönliche Belastungen, verbunden mit zahlreichen zusätzlichen Nachteilen".
Das bezieht sich offenbar darauf, daß der Anschaffungspreis von Trennwand -Taxis um etwa 700 Mark steigt, der Wiederverkaufswert des Wagens sinkt und der sonntägliche Familienausflug an Gemütlichkeit einbüßt. Den Befürwortern der Trennscheibe schallten nach jedem Taxi-Mord - seit Kriegsende 62 Opfer bei rund 1300 Überfällen - Argumente entgegen wie: "Der Gast braucht mich, wenn er ausgestiegen ist, doch nur um Feuer zu bitten und schießt dann von draußen in mein Fenster" (Taxi-Fahrer Axel Schubert, 24, in Hamburg).
Das Gros des Gewerbes erklärte sich lediglich mit dem Einbau von Alarmanlagen (ohne Trennwand) einverstanden. Dazu ein Sprecher des Bonner Verkehrsministeriums: "Da wird ja dann nur angezeigt, wo die Leiche abgeholt werden soll."
Hamburgs Polizei-Chef Frenzel: "Die Trennwand bietet einen fast hundertprozentigen Schutz. Wir haben den Taxifahrern schon vor zwei Jahren Zinszuschüsse bei der Anschaffung der Trennwände angeboten und sind erschüttert, daß davon kein Gebrauch gemacht wurde."
Eben diese Ansicht, daß nur die Wand optimalen Schutz gewährt, teilen namhafte Kriminalisten mit der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), in der freilich nur knapp zehn Prozent der rund 53 000 westdeutschen Droschkenfahrer organisiert sind. Aus den Reihen des Gewerbes stimmte nur der kleine "Zentralverband der Taxifahrer Deutschlands" für den Zwang zur Trennwand - aus Gründen, die Geschäftsführer Martin Hölzer so formulierte: "Die Taxifahrer sind das zerrissenste und vergammeltste Gewerbe. Wo keine gesetzliche Pflicht besteht, machen die Brüder nicht mit."
Aus freien Stücken und aus besserer Einsicht ließ denn auch der Wiesbadener Taxi-Unternehmer Michael Catana seine Wagen mit Trennscheiben ausrüsten. Das war kaum geschehen, als einer seiner Fahrer, Mario Preziosi, 24, sah, wie hinter ihm ein Fahrgast einen Dolch hob und den Arm durch die halbgeöffnete Scheibe steckte. Preziosi warf die Scheibe zu; sie rastete ein, der Dolch fiel zu Boden. In aller Ruhe transportierte der Fahrer den Arretierten - einen farbigen US-Soldaten - zur Militärpolizei.
Auch der Frankfurter Taxifahrer Heinz Schlund hielt die Trennwand für die beste Schutzvorrichtung, wie sein Sohn Gerald bestätigte: "Mein Vater schrie nicht bei jedem Taxifahrermord nach der Todesstrafe. Er wußte, daß nur Glastrennwände Schütz vor Überfällen bieten." Taxi-Fahrer Schlund war das zweite Todes-Opfer der diesjährigen Taxi -Mord-Serie. Sein Wagen hatte keine Trennwand.
Großes Lob an den jungen Käfer-Fahrer. Der klebte wie Kaugummi an dem Täter bzw. dem getohlenen Taxi. Aber vielleicht sen Glück, dass er diesen dann doch nicht mehr einholte. Es hätte auch noch für ihn tödlich enden können. Mir kommt es so vor, als ob der Täter nicht zum ersten Mal eine Schusswaffe einsetzte.
Diese kriminelle Energie und enorme Kaltblütigkeit des Täters lässt vermutlich darauf schließen, dass er weitere Taten plante und deshalb auch mit großer Wahrscheinlichkeit für andere ungeklärte Verbrechen in Frage kommen könnte.