Ralph Donghi (Text) und Thomas Meier (Fotos) ? 18:15 Uhr 18.01.2019
Ein brutales Tötungsdelikt erschüttert Aarau. Frieda W. (†66) wird zur Feierabendzeit kaltblütig niedergestochen. Bricht vor ihrem Hauseingang zusammen. Und stirbt später im Spital. Vom Täter fehlt jede Spur. Die Polizei fahndet mit Hochdruck nach ihm.
Es ist kurz nach 18 Uhr, als am Donnerstag an der Erlinsbacherstrasse in Aarau laute Schreie zu hören sind. Was da noch niemand weiss: Es sind die Schreie von Frieda W.* (†66), die schwer verletzt vor ihrem Hauseingang zusammenbricht.
Eine direkte Nachbarin und deren 18-jähriger Sohn sind die Ersten, die Frieda W. sofort zu Hilfe eilen. «Es war ein furchtbarer Anblick», sagt der Jugendliche zu BLICK. Die Hausfrau liegt blutüberströmt und mit mehreren Messerstichen verletzt am Boden. Diese sind so schwer, dass sie später im Spital stirbt.
Angehörige sind tief betroffen
Rasch ist klar: Frieda W. wurde brutal getötet! Und: Von der Täterschaft fehlt jede Spur. «Wir haben keine Ahnung, wer ihr das angetan haben könnte», sagt die Lebenspartnerin des Ex-Mannes von Frieda W. zu BLICK. Sie sei schon über zehn Jahre von ihm getrennt gewesen, habe alleine gelebt und habe zwei gemeinsame Söhne mit ihm.
«Wir sassen nach der Todesnachricht alle noch lange zusammen», so die Lebenspartnerin des Ex-Mannes. «Es ist einfach traurig.» Mehr möchte die Bekannte nicht sagen. Auch der Ex-Mann findet im Moment keine Kraft, um darüber zu sprechen. Er dürfe auch nicht, da es ein laufendes Verfahren sei, lässt er ausrichten.
Polizei ermittelt mit Hochdruck nach Täterschaft
Stammt die Täterschaft aus dem Umkreis der Getöteten? Oder war Frieda W. ein Zufallsopfer? «Das können wir noch nicht sagen», so Polizeisprecher Roland Pfister. «Wir ermitteln mit Hochdruck in sämtliche Richtungen.»
Das war auch den ganzen Freitag am Tatort und in der Nachbarschaft eindrücklich zu sehen. Dutzende von Polizisten suchten alles ab. Mit blossen Händen. Polizeihunden. Metalldetektoren. Mit einem Boot auf der nahen Aare. Und auch Überwachungskameras in der ganzen Umgebung wurden überprüft. Doch bislang erfolglos.
Kommt bald der entscheidende Hinweis?
Die Polizei ist nebst den eigenen Ermittlungsmöglichkeiten auch auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Denn: Der oder die Killer konnten noch vor der Hilfeleistung der Nachbarn unerkannt fliehen. Polizeisprecher Pfister: «Da die Tat kurz vor 18 Uhr und in der Nähe einer Hauptstrasse geschah, ist es gut möglich, dass jemand die Täterschaft gesehen hat.»
Bluttat in Aarau: Polizei verhaftet Kroaten (28) aus Region – dank «aufwendiger Ermittlungsarbeit» von Stefania Telesca, Philipp Zimmermann - AZZuletzt aktualisiert am 14.2.2019 um 15:55 Uhr
Lange schien es, als tappe die Kantonspolizei Aargau beim Tötungsdelikt an der Erlinsbacherstrasse in Aarau im Dunkeln. Doch am Dienstagabend hat sie einen 28-jährigen Mann festgenommen, der verdächtigt wird, die 66-jährige Hildegard Enz Rivola vor fast einem Monat getötet zu haben.
Ein 28-jähriger Kroate aus der Region steht im Verdacht, die 66-jährige Hildegard Enz Rivola am Donnerstag, 17. Januar, getötet zu haben. Die Aargauer Kantonspolizei hat den Mann am Dienstag verhaftet. Das teilt die Staatsanwaltschaft am Donnerstagmorgen mit.
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau hat gegen den Beschuldigten ein Verfahren wegen vorsätzlicher Tötung eröffnet. Der Beschuldigte bestreitet den Tatvorwurf. Das Schweizer Strafgesetzbuch sieht für eine vorsätzliche Tötung ein Strafmass von 5 bis 20 Jahren vor.
«Nicht ein Hinweis aus der Bevölkerung hat zum Tatverdächtigen geführt»
Das sagt Fiona Strebel, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Aargau, nach der Festnahme des Tatverdächtigen im Tötungsdelikt an der Erlinsbacherstrasse in Aarau.
Diese Strafe ist geringer als bei einem Mord. Bei einem solchen wird der Täter nicht unter zehn Jahren Haft verurteilt. Bei einem Mord handelt der Täter, im Unterschied zur vorsätzlichen Tötung, "besonders skrupellos", sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung sind "besonders verwerflich".
70 Hinweise aus Bevölkerung «Seit der Tat sind rund 30 Personen für die Sonderkommission im Einsatz», sagt Fiona Strebel, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Der Festnahme sind umfangreichen Ermittlungen vorausgegangen. «Aus der Bevölkerung sind rund 70 Hinweise eingegangen, die alle überprüft wurden. Zur Festnahme des Tatverdächtigen hat jedoch nicht ein Hinweis aus der Bevölkerung sondern aufwendige polizeiliche Ermittlungsarbeit geführt.»
Wie die Ermittler dem Mann auf die Spur kamen, welche Indizien gegen ihn sprechen und wo er festgenommen wurde, darüber schweigt die Staatsanwaltschaft. "Aus ermittlungstaktischen Gründen" könne sie derzeit keine weiteren Angaben dazu machen, sagt Strebel. Weitere Informationen sollen aber später folgen. Fragen an die Bevölkerung haben die Ermittler nicht mehr.
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau wird beim Zwangsmassnahmengericht Antrag auf Untersuchungshaft stellen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Am Morgen nach der Tat vom 17. Januar 2019: Kantonspolizisten durchsuchen das Gelände um den Tatort an der Erlinsbacherstrasse 40 in Aarau nach Hinweisen zur Täterschaft
Zahlreiche Stichverletzungen Die Tat vom 17. Januar geschah an der Erlinsbacherstrasse 40 in Aarau, der Wohnadresse des Opfers. Die Frau lebte dort allein mit ihrem Hund. Der Täter stach kurz nach 18 Uhr mit einem Messer mehrmals auf die Schweizerin ein. Die Kantonspolizei schrieb von "zahlreichen Stichverletzungen".
Nachbarn hörten die Frau um Hilfe rufen und eilten zu ihr. Sie lag blutüberströmt am Boden vor dem Wohnungsseingang. Die Nachbarn alarmierten sofort den Notruf und leisteten Erste Hilfe, holten Wolldecken. Hildegard Enz Rivola wurde zwar noch per Ambulanz ins Spital gebracht, doch sie erlag dort am selben Abend ihren schweren Stichverletzungen.
Polizisten verteilten am Montag nach der Tat an der Aare in Aarau Flugblätter mit Bildern vom Todesopfer und ihrem Hund. Die Frau ging allmorgendlich mit ihrem Hund am Fluss zwischen Kraftwerk und dem Entennest in Schönenwerd spazieren.
Am Tag nach der Flugblattaktion hatte die Polizei schon über 50 Hinweise sowie Videoaufnahmen aus der Umgebung erhalten.
Mordfall Aarau: In der Beiz von Erich Frensdorff verkehrten das Opfer und der Verhaftete von Katja Schlegel - az Aargauer ZeitungZuletzt aktualisiert am 26.2.2019 um 09:16 Uhr
Der Ex-«Waage»-Wirt spricht offen über den Tod seines Stammgastes Hildegard Enz Rivola.
Sie wird nicht weniger, die Trauer. Die Trauer um Hildegard Enz Rivola, die 66-Jährige, die Mitte Januar in ihrer Wohnung an der Erlinsbacherstrasse mit zahlreichen Messerstichen so schwer verletzt wurde, dass sie später verstarb. «Nein, die Trauer um sie wird nicht weniger», sagt Erich Frensdorff. «Aber sie wird jetzt hoffentlich etwas lebbarer werden.»
Erich Frensdorff (63) kennt viele, viele kennen ihn. Bis im Sommer 2016 hat er eine von Aaraus speziellsten Beizen geführt, die «Waage» in der Metzgergasse. Eine «Chnelle» wie aus dem Bilderbuch, ein Biotop, ein Sammelbecken für Gäste jeden Alters, jeder politischen Gesinnung, jeder Hautfarbe. Ein Ort, an dem jeder willkommen war.
Und mittendrin stand Erich, der Marionettenspieler. Vieles hat er in seinen insgesamt 30 Jahren im Gastgewerbe erlebt, manche brenzlige Situation, manche traurige Geschichte gehört. Er sei eher ein gefasster Typ, so schnell haue ihn nichts aus den Socken, sagt er. Aber die Nachricht von Hildegard Enz’ Tod, die hat ihn so richtig erwischt.
«Heftig.»
Der Ex-«Waage»-Wirt sprach auch bei Tele M1 offen über den Tod seines Stammgastes Hildegard Enz Rivola. Die Ausschnitte aus dem dem Tele-M1-Beitrag sind nach der Verhaftung des Tatverdächtigen, am 14.2.2019, ausgestrahlt worden.
Sie sah jünger aus als 66 Erich kennt das Opfer seit seinen Anfangszeiten als Wirt. Er nennt sie Hilde, eine gute Bekannte. «Wir haben uns 30 Jahre lang begleitet. Aber als enge Freundin würde ich sie nicht bezeichnen.» Als Beizer sei er nicht der gewesen, der nachhakte, wie ein Freund das tun würde. Keiner, der über intime Details der Familienverhältnisse orientiert war. «Hilde war einfach ein fester Teil der ‹Waage›-Familie.» Und deshalb spricht er nun auch offen über sie, über ihre Art. Er versteht nicht, weshalb so viele andere schweigen. «Wenn man schweigt, verkümmert man. Man muss reden, das befreit. Das ist ein Teil der Trauerbewältigung. »
Erich sagt über Hilde, sie sei grossherzig gewesen. «Eine, die mit jedem gesprochen hat, für jeden ein offenes Ohr hatte. Ich habe sie für ihre Art bewundert.» Eine Frau, der man ihre 66 Jahre nicht ansah, eine, die auch alleine in die Beiz kam. Eine Frau ohne Berührungsängste, im wahrsten Sinne des Wortes. «Sie hat die Leute berührt. Aber nicht um des Anfassens willen, sondern um Nähe zu schaffen. Um zu zeigen, dass sie ganz bei einem war.»
Erich kennt nicht nur das Opfer. Er kennt auch den jungen Mann, der seit knapp zwei Wochen in Untersuchungshaft sitzt. Ein Kroate, 28 Jahre alt, wohnhaft in Unterentfelden, Heizungsmonteur, temporär angestellt. Erich hat ihn in der «Waage» bedient, das ist sicher, er erinnert sich an das Gesicht. Aber mehr weiss er nicht, er sei ein Gast wie jeder andere gewesen. Genauso wenig wisse er, ob das Opfer und der Verhaftete damals in der «Waage» angebandelt hätten. «Vielleicht hat diese Geschichte da begonnen. Aber selbst wenn, ist das lange her, die ‹Waage› ist seit zweieinhalb Jahren zu.» Genauso wenig mutmassen wie darüber, ob die beiden sich in seiner Beiz kennen gelernt haben, will er darüber, ob der Verhaftete auch tatsächlich schuldig ist. «Ich bin Beizer, kein Richter.» Für ihn gelte die Unschuldsvermutung.
Bluttat in Aarau: Polizei verhaftet Kroaten (28) aus Region – dank «aufwendiger Ermittlungsarbeit»
Lange schien es, als tappe die Kantonspolizei Aargau beim Tötungsdelikt an der Erlinsbacherstrasse in Aarau im Dunkeln. Doch am 12. Februar hat sie einen 28-jährigen Mann festgenommen, der verdächtigt wird, die 66-jährige Hildegard Enz Rivola vor fast einem Monat getötet zu haben. (Tele M1, 14.2.2019)
Eines aber bleibt Eines aber ist und bleibt. Das absolute Unverständnis darüber, weshalb es so weit kommen musste. Weshalb Hilde, ausgerechnet sie. «Es ist mehr als traurig, es ist einfach nicht nachvollziehbar, unfassbar.» Die einzig mögliche Erklärung dafür, weshalb es so gekommen ist, sieht er in Hildes offener Art. Diese Nähe, die Männer auch irritiert hat. Erich ist sich sicher: «Schlussendlich wird es heissen, das Tatmotiv sei verschmähte Liebe gewesen.»
Wie auch immer. Erich Frensdorff hofft, dass die Geschichte nun rasch ein Ende nimmt. Dass es rasch zu einem Prozess kommt. Und dass niemand auf die Idee kommt, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren. Erich schnauft tief. «Vor allem aber hoffe ich, dass Hilde Frieden findet.»