Berlin 27.12.2018 17:16 11.051 Betrüger aus dem Ausland zocken in Deutschland so viel Kindergeld ab wie noch nie Besonders umstritten sind Überweisungen nach Osteuropa
Berlin - An der Tür eines recht baufälligen Hauses klingelt es. Polizisten und Mitarbeiter von Stadtverwaltung und Jobcenter überprüfen die Bewohner. Das Ergebnis: Bei jedem dritten Haushalt stimmt was nicht. Um noch mehr Kindergeld zu kassieren, erfinden Familien oft ein paar Kinder dazu. Um noch mehr Kindergeld zu kassieren, erfinden Familien oft ein paar Kinder dazu.
Oft wird gleich für drei und mehr Kinder Kindergeld bezogen. Aber die meisten Kinder existieren nur auf dem Papier. Die Geburtsurkunden tragen alle den gleichen Stempel, sind gefälscht.
Diese Stichprobe in einer deutschen Stadt ist kein Einzelfall. Und wenn ab Juli 2019 das Kindergeld um zehn Euro im Monat auf 204 Euro für das erste und zweite Kind steigt, kann das Betrüger weiter anlocken.
Daher lastet Druck auf Karsten Bunk. Er ist der Chef der bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelten Bundesfamilienkasse und koordiniert die 14 regionalen Familienkassen, die die Kindergeld-Zahlungen organisieren.
Als im August eine hitzige Debatte um stark steigende Kindergeldzahlungen ins Ausland hochkochte (TAG24 berichtete) und Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) Familien aus Rumänien und Bulgarien für Kindergeldbetrug und völlig verwahrloste Zustände verantwortlich machte, stand bei Bunk das Telefon nicht mehr still.
Er müsse sich mit Menschen beschäftigen, "die ganze Straßenzüge vermüllen und das Rattenproblem verschärfen", sagte Link. Daraufhin warf der Präsident des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, Link Rassismus vor.
Das Thema wird zunehmend zum Politikum. Gerade die AfD prangert die steigenden Zahlungen an ausländische Empfänger gerne an.
Die Regierung will dem Missbrauch einen Riegel vorschieben, mit mehr Kontrollen und Datenaustausch. Bunk spricht indes von einem klaren Trend, dass die Zahl der Kindergeldempfänger immer weiter steigt. Steigende Zahlungen ins Ausland Karsten Bunk, Leiter der Familienkasse bei der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Das hat mit drei Faktoren zu tun: Mehr Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland, steigende Geburtenraten in einigen Regionen und eine wachsende Zahl anerkannter Flüchtlinge.
15,35 Millionen Kinder erhielten im November Geld vom deutschen Staat. Erstmals wird die Kinderzahl in diesem Jahr über 15 Millionen liegen. Die Zahl der ausländischen Kinder liegt bei 3,007 Millionen (19,6 Prozent).
Insgesamt stieg die bis November ausgezahlte Kindergeldsumme für dieses Jahr auf 33,8 Milliarden Euro an, davon entfielen 6,9 Milliarden Euro auf ausländische Empfänger. 370,5 Millionen Euro wurden in diesem Jahr bislang auf ausländische Konten überwiesen.
Umstritten sind beim Kindergeldthema vor allem zwei Punkte, die oft vermischt werden. Erstens: Die steigenden Zahlungen ins Ausland. Im November empfingen 281.809 Kinder, die außerhalb Deutschlands in der EU, der Türkei und dem früheren Jugoslawien leben, Kindergeld vom deutschen Staat. Darunter waren auch 32.013 Kinder mit deutschem Pass - von Eltern, die dort arbeiten.
Besonders umstritten sind die Überweisungen nach Osteuropa. In Rumänien beträgt der Durchschnittsverdienst dem Statistikinstitut zufolge rund 440 Euro.
Wenn man in Deutschland als Pflegerin arbeitet und zwei Kinder zu Hause gelassen hat, bekommt man Kindergeld, das praktisch der Höhe des Durchschnittslohns in der Heimat entspricht.
Was ist gerecht? Künftig kooperieren Zoll, Jobcenter, Ausländerbehörde und Familienkassen viel enger als bisher miteinander.
Die AfD pocht auf ein Vorgehen wie in Österreich, wo man beschlossen hat, die Zahlungen ins Ausland drastisch zu senken: Sie sollen an die Lebenshaltungskosten im Empfängerland angepasst werden.
Aber diese "Indexierung" stößt sich mit EU-Recht, meint die EU-Kommission. Und auch Kanzlerin Angela Merkel (64, CDU) will keinen nationalen Alleingang. Denn es gilt der Grundsatz, dass gleiche Beiträge auch zu den gleichen Vorteilen führen sollten.
Denn die im Zuge der EU-Freizügigkeit hier arbeitenden Menschen zahlen ja auch entsprechende Sozialbeiträge in Deutschland ein. Da ist es aus EU-Sicht unfair, wenn sie nicht das gleiche Kindergeld bekommen.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus Osteuropa ist von 2015 bis 2017 um 295.000 auf knapp 1,2 Millionen gestiegen.
Zweitens ist da der Betrug im Inland. Während man im ersten Fall auf gebundene Hände durch Europa verweist, soll hier mit einer "Task Force" gegengesteuert werden.
Das Betrugsschema erklärt Bunk so: "Die klassischen Fälle sind meist ganze Familien, die nach Deutschland kommen und sich in Verhältnissen etablieren, wo man nicht den Eindruck hat, dass sie sich hier dauerhaft niederlassen wollen." Sie wohnen in Schrottimmobilien und es wird für vergleichsweise viele Kinder Kindergeld beantragt.
Die Betrüger haben ein bestimmtes Schema Sogar der Zoll soll in Sachen Kindergeld aktiv werden und künftig bei Arbeiterkontrollen auch den Kindergeldbezug überprüfen.
"Kindergeldberechtigte aus Südosteuropa haben durchschnittlich ein bis zwei Kinder. In den Verdachtsfällen werden dann häufig gleich drei, vier oder fünf Kinder identifiziert." Und die eingereichten Bescheinigungen und Geburtsurkunden seien lückenhaft oder sähen oft immer gleich aus. Mit den gleichen Stempeln und Unterschriften, die schon in vorher festgestellten Missbrauchsfällen auffielen.
Wenn man in Rumänien oder Bulgarien nachfrage, ob es diese Schule oder diese Beurkundungsform gibt, "stellt man oft fest: Nein, gibt es nicht", sagt Bunk. Es gibt häufig eine Person, die für mehrere Familien als Dolmetscher und Betreuer auftrete.
Trotzdem könne man nicht alle Rumänen und Bulgaren über einen Kamm scheren. Die betroffene Gruppe der Betrüger sei laut Bunk "sehr klein".
Jede Familienkasse bekommt nun zwei Experten, die Daten abgleichen und Betrugsmuster aufdecken sollen. Alle Verdachtsfälle werden an eine zentrale Sondereinheit gegeben.
Zuviel gezahltes Geld werde zurückgefordert - zum Wohle der Steuerzahler.
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Zitat von TumbleweedZuviel gezahltes Geld werde zurückgefordert - zum Wohle der Steuerzahler.
... und nicht gezahltes Kindergeld, weil z.B. ein Datenabgleich gar nicht erst statt findet, wird vom Amt auch nicht erstattet - alles natürlich zum Wohle des Steuerzahlers oder irgendeines anderen!